Fünf Jahre nach der Errichtung der Voltahäuser fügt sich der neue Quartierteil nur schleppend ins St. Johann ein. Potenzial hätte der Vogesenplatz, doch auch dieser Ort taugt bislang wenig als Zentrum des aufgewerteten Stadtteils.
In manchen Schaufenstern herrscht weiterhin gähnende Leere. Ein Geschäft mit Powernahrung und eine zweisprachige Kindertagesstätte springen ins Auge. Doch im Janus-Gebäude, das auch als «Volta-Mitte» bekannt ist, sind freie Geschäftsflächen ausgeschrieben. Auch auf den Strassen tut sich nicht viel: Vom einst versprochenen «Boulevard» Voltastrasse ist wenig zu spüren – das Leben spielt sich eher weiter vorne an der Elsässerstrasse mit ihren Quartierläden und Cafés ab.
Vor dem Bau der Nordtangente litt die Gegend unter Lärm, unterdessen ist es ruhig, vielleicht allzu ruhig geworden. Immerhin tut sich weiter vorne beim Vogesenplatz etwas. Der Coop und die Post sind hier die Hauptmagnete, doch abgesehen von den Läden hat auch dieser Flecken kaum Potenzial, sich als echtes Quartierzentrum zu etablieren. Gefallen am Platz haben immerhin Skateboarder und BMX-Fahrer, welche manchmal ihr Können auf den weissen Quadern ausprobieren, und im Sommer freuen sich Kinder am Wasserspiel.
Auch beim Volta-Center gibt es Anlaufschwierigkeiten – noch harren viele Ladenflächen ihrer Nutzung. Bei den beiden Glassäulen unter dem Viadukt gabs schon mehrere Wechsel; eine steht leer, die andere beherbergt schon den zweiten Döner-Imbiss. Im Voltacenter selbst ist nach langem Leerstand im September ein neues Café eingezogen.
Noch weit weg vom versprochenen Boulevard: Die Voltastrasse ist laut Peter Jossi vom Stadtteilsekretariat noch ein Produkt einer «Top-Down-Planung». (Bild: Michel Schultheiss)
Die Eigentümer des Volta-Centers möchten keine Angaben zum jetzigen Stand der Vermietungen machen. Diejenigen des Janus-Baus zieren sich weniger: Nach Angaben Florian Zinggs, Kommunikationschef der Eigentümerin «Swiss Life», sind zurzeit noch drei Ladenflächen in der Vermarktung. Für die Leerstände gebe es verschiedene Gründe: «Im Grossraum Basel sind derzeit etwas mehr Gewerbeflächen im Angebot, was den Mietinteressenten eine grössere Auswahl bietet», erklärt Zingg. «Zudem sind die Möglichkeiten im angrenzenden Ausland und die geringe Anzahl von Parkplätzen immer wieder Thema in den laufenden Verhandlungen». Ganz allgemein bräuchten Gewerbeflächen in einem neuen Stadtteil immer etwas länger als etwa Wohnungen: «Interessenten für Gewerbeflächen möchten zuerst sehen, wie sich das Quartier entwickelt – das kann zu längeren Leerständen führen.»
Die Neubauten bilden zusammen mit dem Novartis-Campus die «Problemzone» der laufenden Aufwertung im St. Johann. Dies zeigt sich etwa in den dortigen Mietpreisen. Nach Angaben des «Swiss-Life»-Sprechers liegen diese «im orts- und quartierüblichen Rahmen». Laut Zingg arbeiten rund zwei Drittel der Mieter der Janus-Überbauung in Unternehmen der näheren Umgebung.
«Tote» Läden an der Voltastrasse: Laut Eigentümerin «Swiss Life» gibt es mittlerweile Interessenten, doch noch immer herrscht beim Gewerbe Skepsis. (Bild: Michel Schultheiss)
Folgen einer Top-Down-Planung
Quartieraufwertung, eine veränderte Bevölkerungsstruktur und steigende Mietpreise, die Randlage sowie die Skepsis des Gewerbes gegenüber den neuen Ladenflächen – die Entwicklung des Quartiers wirkt ambivalent. Entsprechend lautet die Bilanz von Peter Jossi, Präsident des Stadtteilsekretariat Basel-West, nach den ersten fünf Jahren des «neuen St. Johann». Er ist der Ansicht, dass es sich wie auch bei der Voltastrasse um eine «Top-Down-Planung» gehandelt habe. Dabei weist er auf die besondere Geschichte des Ortes hin. «Der Vogesenplatz wurde im Rahmen des Nordtangenten-Baus geplant, lange bevor es etablierte Mitwirkungsverfahren gab – dem Resultat sieht man dies noch heute an», sagt Jossi.
Dass manche Leute – wie etwa in den Kommentarspalten der TagesWoche – die Gegend von der zwischengenutzten Voltahalle bis zum Vogesenplatz als «Geisterzone» mit so manchen «Planungsleichen» wahrnehmen, ist für Peter Jossi durchaus nachvollziehbar. «Für grosses Erstaunen und Ärger sorgte nicht zuletzt, der Umstand, dass sich grosse Investoren jahrelang leerstehende Parterre-Flächen offenbar leisten können und dies dann wohl bei den Wohnmieten kompensieren».
Über diesen Leerstand freuen sich momentan in erster Linie die Organisatoren vom St. Johanns-Markt. Da das Glashaus nicht genutzt wird, können sie dort ihre Materialien zwischenlagern. (Bild: Michel Schultheiss)
Roland Frank, Leiter der Fachstelle Stadtteilentwicklung, teilt die Einschätzung, dass der Vogesenplatz noch kein Mittelpunkt im St. Johann ist: «Bis sich in einem Quartier ein Zentrum und ein lebendiger Ort entwickelt, braucht es Zeit – die neuen Räume müssen von der Quartierbevölkerung angeeignet werden», meint Frank. Gerade bei nutzungsoffenen Räumen wie dem Vogesenplatz könne dies nicht von heute auf morgen geschehen.
Der Vogesenplatz als Insel
Es gibt aber auch Bemühungen von Leuten aus dem «alten Santihans», dem neuen Stadtteil einen anderen Schliff zu verpassen und ihn für die Öffentlichkeit attraktiver zu machen. So blüht die Gegend etwa beim Biermarkt Ende August ein bisschen auf. Hinter diesem Anlass stecken dieselben Organisatoren, die am Samstag jeweils den St. Johanns-Markt auf die Beine stellen. Dieser fand früher an anderen Standorten statt, seit fünf Jahren gehört er aber zum Inventar des Vogesenplatzes. Noch steht der kleine Floh- und Wochenmarkt mit wenigen Gemüse- und Käseständen und den am Boden ausgebreiteten Trödelwaren etwas verloren zwischen dem Voltacenter und dem Luzernerring-Viadukt.
Versuch einer Belebung: Der Flohmarkt auf dem Vogesenplatz. (Bild: Michel Schultheiss)
«Es ist eine harzige Entwicklung», sagt Beat Aellen vom Organisationsteam des St. Johanns-Markt. In seinen Augen wäre die Lage für Anlässe eigentlich nicht schlecht. Als «Fehlplanung» bezeichnet er die Tatsache, dass auf dem Platz keinerlei Strom- und Wasseranschlüsse eingerichtet wurden. Die Stände des Wochenmarktes können auf die Schächte des Voltacenter zurückgreifen, für den Biermarkt reiche das aber nicht. «Dadurch ist der Vogesenplatz eine Art Insel zwischen den Tramgeleisen», findet er.
Interesse an solchen Märkten konnte Beat Aellen trotzdem feststellen – auch bei den Zuzügern und gerade unter Expats. «Ich höre dort oft Englischsprachige», stellt Aellen fest. Doch auch er hat noch Zweifel, ob sich der Vogesenplatz als Scharnier zwischen den verschiedenen Stadtteilen und Bevölkerungsgruppen etablieren kann: «Das St. Johann hat einfach keinen zentralen Quartierplatz», sagt er.
Museum und Lysbüchel als Weichen für die künftige Entwicklung?
In den Augen von Peter Jossi hängt das ungenutzte Potenzial des Vogesenplatzes nicht nur mit dem Platz, sondern dem ganzen Umfeld zusammen: «Der Bahnhof St. Johann ist eigentlich als Verkehrsdrehscheibe für den Basler Norden konzipiert, wozu ein ÖV-Ausbau im Elsass erforderlich wäre.» Er hofft darauf, dass nebst dem bereits bestehenden Kulturzentrum «Stellwerk» die geplanten Bauten für das Staatsarchiv Basel und das Naturhistorische Museum zu neuem Schwung führen.
Zusätzliche Hoffnungen setzt er in das Areal Volta Nord, besser bekannt als Lysbüchel, eine Gegend die heute zum grössten Teil als Gewerbezone genutzt wird. Dort ist das letzte Wort über die Zukunft noch nicht gesprochen: Noch immer sind die Gewerbebetriebe rund um die IG Lysbüchel, die Stiftung Habitat sowie die SBB und der Kanton als Eigentümerinnen mit unterschiedlichen Interessen in die Planung des neuen Stadtteils involviert.
So gut wie sicher ist aber, dass die Gebäude aus dem Jahr 2010 bald schon nicht mehr eine Quartiergrenze darstellen werden, sondern im Norden eine Nachbarschaft erhalten werden: «Wenn dort eine durchmischte Nutzung und ein neuer Primarschul-Standort entstehen, wird das die Belebung dieses Quartierteils definitiv verstärken», prophezeit Peter Jossi.
Somit bleibt also abzuwarten, wie der neue Stadtteil zusammen mit dem St. Johann der Zukunft harmoniert. Ob sich die Volta-Gegend dereinst als fester Bestandteil des Quartiers etablieren kann, oder ob sie als Nebenprodukt des Nordtangenten-Baus ohne eigenen Charakter im jetzigen Zustand verharren wird – man weiss es nicht. Mit anderen Worten: Noch ist unklar, ob «tote Läden», zweisprachige Kinderhorte oder doch ganz andere Einrichtungen in Zukunft den Charakter der Gegend prägen werden.