Die Stadt von morgen soll sich selbst reparieren

Intelligente Städte könnten in Zukunft kleinere Schäden wie lecke Rohre oder kaputte Strassenlaternen nicht nur erkennen, sondern auch selbstständig reparieren.

Bald sollen Drohnen auch als Handwerker unterwegs sein.

(Bild: Gramazio & Kohler and Raffaello d’Andrea in cooperation with ETH Zurich © François Lauginie)

Intelligente Städte könnten in Zukunft kleinere Schäden wie lecke Rohre oder kaputte Strassenlaternen nicht nur erkennen, sondern auch selbstständig reparieren.

Sehen, klicken, reparieren. So lautet der pragmatische Ansatz der Plattform SeeClickFix. Bürger können hier auf kleinere Probleme in der Nachbarschaft hinweisen – von der kaputten Strassenlaterne über Schlaglöcher bis zum einsamen Fernseher, der im Park entsorgt wurde. Die Stadtverwaltung rückt dann mit einem Hilfstrupp aus und lässt den Schaden zeitnah beheben.

So sollen nach dem Prinzip der Subsidiarität Probleme auf unterster Ebene gelöst werden – schnell und effizient. Immer mehr Gemeinden, vor allem in den USA, nutzen die Plattform. Doch was nach einem guten Konzept klingt, stösst in der Praxis rasch an Grenzen. Die finanziellen und personellen Ressourcen der Städte sind begrenzt, Missstände zuweilen schwer lokalisierbar. Die Liste der Unzulänglichkeiten wird immer länger.

Der Ingenieur Philip Purnell von der University of Leeds plant nun eine Stadt, in der kleinere Schäden nicht nur automatisch gefunden, sondern von Robotern selbstständig repariert werden. In diesen «selbstreparierenden Städten», wie Purnell es nennt, würden Drohnen ausschwärmen, Strassenlaternen inspizieren und allenfalls auch reparieren. «Wir entwerfen eine Drohne, die automatisch alarmiert wird, wenn eine Lampe kaputtgeht, und die sie dann repariert», sagte Purnell dem britischen Magazin «Construction Manager».

Für die Erforschung des Potenzials gab es schon mal 4,2 Millionen Pfund.

Für ihre Forschung erhielten Purnell und seine Kollegen ein mit 4,2 Millionen Pfund dotiertes Förderstipendium des Engineering und Physical Sciences Research Council. Um einen etwaigen Defekt überhaupt zu erkennen, müssten die Drohnen die digitalen Baupläne der Rohre oder Lampen verarbeiten, um diese dann mit Scans abzugleichen. Für ältere Infrastruktur ist das gewiss schwierig, für neuere Objekte können die Daten jedoch problemlos vom Building Information Modeling (BMI), einer Art von virtuellem Gebäudemodell, bezogen werden.

Das Konzept hätte auch einen logistischen Vorteil: Schwere Reparaturfahrzeuge würden von der Strasse geholt, der Verkehr entlastet. Das mobile Ersatzteillager würde in der Luft schweben. Das System soll zunächst in Leeds erprobt werden, ehe die Machbarkeit für andere Städte geprüft wird.

Unbemannte Luftfahrzeuge spielen bei der Gebäudekonstruktion und beim Infrastrukturmanagement von Städten eine immer wichtigere Rolle. An der ETH Zürich haben Test-Drohnen kürzlich eigenständig eine Brücke gebaut. Wie in dem Video zu sehen ist, haben die Roboter 120 Meter eines ultraleichten, aber extrem stabilen Kunststoffseils so verflochten und verknotet, dass es einen Abgrund von 7,4 Metern überspannt.


Drohnen sind die Bauarbeiter von morgen. Sie sind schneller, belastbarer und vor allem: billiger. Drohnen könnten auch dabei helfen, abgedeckte Dächer oder ganze Gebäudestrukturen, die bei einem Unwetter oder Erdbeben beschädigt wurden, wieder aufzulesen und sie mithilfe von GPS und BMI an der richtigen Stelle zu montieren. Die Aufräumarbeiten könnten so beschleunigt werden. Die intelligente Stadt reguliert sich selbst.

Der britische Ingenieur Purnell modelliert die Stadt nicht – wie es sonst Städteplaner und Soziologen tun – als Organismus, der sich selbst nicht heilen kann, sondern als autonomen Mechanismus. Ideen dafür gibt es schon. Mit sogenanntem Biobeton wollen niederländische Forscher Gebäude in Zukunft langlebiger machen.

Die Stadt der Zukunft soll sich selbst heilen können.

Dazu wird dem Beton ein Bakterium beigemischt, das aktiv wird, sobald Risse entstehen und Wasser in das Material eindringt. Die Bakterien befinden sich in einer Art Winterschlaf und beginnen bei Feuchtigkeit oder Verwerfungen mit der Produktion von Kalkstein – mit dem sie dann die Risse im Beton auffüllen. Aufwendige Renovierungsarbeiten wären bei diesem Baustoff nicht mehr nötig.

«Das ultimative Ziel ist eine Metropole, die wir verlassen können und die sich um sich selbst kümmert», schrieb der Journalist Geoff Manaugh im Wissenschaftsmagazin «New Scientist»: «In solchen Städten würde unsere Rolle vergleichbar mit der eines High-Tech-Gärtners sein, der gelegentlich etwas zurechtstutzt oder Systeme ersetzt, die sonst allein gedeihen.»

Doch ist so eine Vision realistisch?

Mark Michaeli, Professor für Sustainable Urbanism an der TU München, schätzt die Beschäftigung mit selbstreparierenden urbanen Systemen als «recht interessant und mittelfristig in Teilen auch realisierbar» ein. «Für bestimmte, meist sehr schwierig zugängliche technische Infrastruktursysteme existieren bereits solche Systeme, zum Beispiel Wartungsroboter mit Reinigungs- und Schweissfunktionen für Pipelinesysteme.» Dort würden Diagnose-, Unterhalts- und zum Teil auch Instandsetzungsfunktionen vereint.

Mehr als eine «technische Infrastruktur»

«Innerhalb von bestimmten Teilen von städtischen Infrastrukturen – diesen Begriff verwechseln die Ingenieure manchmal gerne mit dem sehr viel weiter gefassten Begriff der Stadt – sind solche Systeme sicher sinnvoll, wenn auch sehr spezifisch einsetzbar», konstatiert Michaeli. Entscheidend werde wohl die Absteckung und Kontrollierbarkeit der systemischen Rahmenbedingungen, allenfalls der Interaktion mit dem Kontext sein. «Schlaglöcher flicken geht eben nur bei Kontrolle des Verkehrs», sagt Michaeli.

Mit den Begriffen würde er ein bisschen vorsichtiger umgehen als die britischen Kollegen. Eine Stadt sei viel mehr als eine «technische Infrastruktur», nämlich ein dynamisches System mit Interaktionen. Auch die Verwendung des Begriffes «Drohne» evoziere in der Populärwahrnehmung wohl andere Bilder, als die Realität der helfenden Roboter beziehungsweise Einheiten nachher aussehen wird.

Drohnen werden in Städten wie Bogotá zunehmend zur Überwachung und Erkennung potenzieller Gefährder eingesetzt. An die Flugobjekte, die über unseren Köpfen schwirren, werden wir uns noch gewöhnen müssen.

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