Neues Leben kehrt ein in ein Traditionslokal. Mit einer jungen Mannschaft und althergebrachten Rezepten wird Basler Küche und Gastlichkeit angeboten. Das nennt sich auf der Lyss: Kornhaus – die Baiz.
Eine gute Nachricht vorweg: Das Kornhüsli bleibt unter den neuen Betreibern das Kornhüsli, wie es die Stammgäste kennen. An diesem Dienstag öffnet das Traditionslokal wieder seine Tür, und es kommt noch besser: Die Gäste erwartet ein nicht alltägliches kulinarisches Angebot, eine Speisekarte, die von Waldfescht und Wurscht-Käs-Salat über Lümmelibroote und Herrenschnitzel bis hin zu Buttenmostcrème und Grossmutters Honigquitten reicht.
Die Gastgeber an der Kornhausgasse 10 sind in Basel keine Unbekannten: die vor 25 Jahren aus Bern emigrierte Familie Elia. Mutter Pia Elia hat es in der Spalenburg mit ihrem sozial angehauchten Gastromodell zu Ansehen gebracht. Der 36-jährige Sohn Fabio Elia ging mit dem Franchise-Konzept von «Tapas del Mar» nach Zürich und hat das Intermezzo dort nach vier Jahren beendet. Zusammen mit seiner jüngeren Schwester Flavia, die ein Studium an der Hotelfachschule Luzern abgeschlossen hat, sehen sie sich als Baizer-Familie wiedervereint in ihrer Wahlheimat.
«Wir expandieren jetzt in Basel», sagt Fabio Elia, und das 1860 erstmals als Schenke geführte Kornhüsli bietet die ideale Gelegenheit dazu. Im Juni schlossen Erna und Werner Mangold altershalber und aus gesundheitlichen Gründen im Kornhüsli hinter sich ab; elf Jahre lang hatten sie als Quereinsteiger das Erbe der legendären Ruth «Ruttli» Moser liebevoll fortgeführt.
Die neue Baizer-Familie hat das Lokal einem sachten Facelifting unterzogen. Der Charakter der Innenausstattung ist erhalten geblieben, die Tische sind dieselben wie vorher und die Stühle sind ein Sammelsurium, von dem Fabio Elia sagt: «Ich glaube, es gibt keine drei gleichen.» Das Label erhielt einen modernistischen Anstrich: «Kornhaus – die Baiz».
Die Basler Küche als Hommage an ein Lokal
Die Gäste dürfen sich auf unkomplizierte und charmante Gastgeber freuen und auf eine von alten Basler Rezepten inspirierte Speisekarte. Dazu haben die Elias in Antiquariaten gestöbert und sind auf der Suche nach Grossmutters Küche auf «Vergessenes, Verpöntes und Unmodernes» gestossen. «Wir wissen, dass das Kornhaus eine Institution ist, hier treffen sich der Professor und der Handwerker, und die Basler Küche, die wir anbieten, soll eine Hommage sein», sagt Fabio Elia schwärmerisch.
Man merkt es gleich: Die Elias meinen es ernst. Und das Vorkosten am Montag war ein Versprechen: Hier wird gutbürgerlich im allerbesten Sinne angerichtet und gewirtet. Das Vorspeisenbrättli ist mit heimischen Produkten belegt und die Kalbsleberspiesschen mit Speck, Salbei und Champignons (29,50 Franken) werden im Pfännchen serviert.
Die Küchenbesatzung: Christine Dreyer und Kevin Stucki übersetzen in der Kornhaus-Küche althergebrachte Rezepte in die Gegenwart. (Bild: Claude Giger)
Schlicht und schmackhaft kommen ein Erbsmus mit Eierrösti (vulgo: Vogelheu) daher (20,50), und dem Sauerbraten wurde eine Beize zuteil, mit der er sich das Prädikat «Hausspezialität» verdient hat. Mit 31,50 Franken ist der Suure Lümmelibroote das zweitteuerste Gericht auf der Karte, begleitet von dürren Bohnen und selbstgemachten Spätzli, die allein schon einen Abstecher auf die Lyss wert sind. Christine Dreyer und Kevin Stucki, die ihre Kochausbildung in Basel gemacht haben, verstehen ihr Handwerk. Und Helga Altherr serviert mit der leichten Hand einer guten Seele.
Das Suppenhuhn und das Herrenschnitzel
Freunde von nicht alltäglichen Speiseangeboten werden im Kornhüsli vor die Wahl gestellt. Eine hausgemachte Terrine vom Heilbutt mit Senfmayonnaise (14,80 Franken), eine Kuttelsuppe (14,50) oder Linsensuppe mit Rauchwurst (12,70) findet man hier ebenso wie einen Lachs nach Basler Art, gebraten in der Pfanne mit karamelisierten Zwiebeln auf dem Teller (29,80 Franken). Und wo gibt es schon Suppenhuhn (26,50)?
Am tiefsten in die Tasche greifen muss man für das Basler Herrenschnitzel, ein dünn geschnittenes Kalbsschnitzel mit Gänseleber und Rohschinken knusprig gebraten (39,50 Franken). Die Pommes frites dazu sind handgeschnitzt.
Das alles ruft nach einer Begleitung, und das Weinangebot ist im neuen, alten Kornhaus deutlich ausgebaut. Beim Vorkosten wurde ein Riesling-Sylvaner von Basler Reben (36,50 Franken die Flasche) ausgeschenkt; dazu ein Blauburgunder (44,50) aus dem Tschäpperli-Keller in Aesch, die beide unterstreichen, dass man nicht immer in die Ferne schweifen muss. Spannend ist ausserdem, welches der beiden Biere sich im sechsmonatigen Testzapfen durchsetzen wird: Unser oder Feldschlösschen.
Und das Beste: Sonntagabend hat das Kornhaus offen
Den Charakter der Quartiers- und Stammtischbaiz will das Kornhüsli bewahren: Dazu hat es werktags von 8 bis 24 Uhr geöffnet (Montag Ruhetag). Zelebriert wird auf der Karte ein Zmorge genauso wie ein Znüni, wo man sich mit Fuschtbrot (Mannekäs, Schinken vom Freilandsäuli; 7,60 Franken) oder ein Waldfescht (Klöpfer vom Jenzer mit Senf und Brot; 6,90) stärken kann. Und bis zur Kaffee- und Teezeit hat die Küche hausgemachte Wähen, Kuchen und Gebäck parat gemacht. Am Samstag wird von 9 Uhr an ein Zmorge bis 16 Uhr serviert.
Das Beste jedoch an den Öffnungszeiten des Kornhüsli: Am Sonntagabend, wenn man in einer verwaisten Innenstadt nur schwer etwas Einladendes findet, wird an der Kornhausgasse ab 17.30 Uhr serviert. Das muss zwar noch seinen bürokratischen Segen erhalten, aber wer will einer währschaften Baiz mit frischem Antlitz schon Steine vor die Türe legen? Das Kornhüsli und seine neuen Baizer haben jedenfalls das Zeug, ein leuchtendes Beispiel Basler Gastlichkeit jenseits der Sterne-Gastronomie zu sein.
Hausspezialitäten: Der Lümmelibroote – für Nicht-Basler: ein Sauerbraten – und Schaumwein. (Bild: Claude Giger)