70 Jahre Tropeninstitut: Wie es das kleine Basler Institut mit Barfussdoktoren und Erdferkeln zu weltweiter Bedeutung brachte.
Wer in tropische Gegenden reisen will oder nicht weiss, was der merkwürdige Ausschlag soll, der sich seit der Afrikareise hartnäckig hält, der kommt nicht daran vorbei: am Swiss TPH, besser bekannt als Tropeninstitut. Für die meisten Menschen in Basel und Umgebung ist das Tropeninstitut die erste Anlaufstelle für reisemedizinische Beratung – es berät, versorgt und informiert jährlich rund 10’000 Reisende. Wie es entstand und was seine globale Position heute ausmacht, ist jedoch den wenigsten bekannt.
Die Geschichte von Tropeninstituten geht weit ins 19. Jahrhundert zurück, als die Kolonialmächte ihre Soldaten gesund halten wollten und medizinische Institute in den Kolonien gründeten, die dafür sorgten, dass die Besatzung keinen Tropenkrankheiten zum Opfer fiel. Die Schweiz war als Land ohne Kolonien zu dieser Zeit grösstenteils unbeteiligt, bis im Zweiten Weltkrieg die Angst vor drohender Arbeitslosigkeit die Regierung dazu veranlasste, sich auf einen Wirtschaftszweig zu konzentrieren, der auch während des Kriegs blühte: die Naturwissenschaften.
Gelungener Vorschlag der Universität Basel
Die Universitäten wurden dazu angehalten, konkrete Vorschläge einzureichen, die den Export stärkten und Arbeitsplätze schufen. Die Universität Basel bewarb sich mit der Idee eines Tropeninstituts – man wollte Reisende in die Tropen beraten, Arbeitsplätze schaffen, die Auswanderung von jungen Berufsleuten fördern und mit deren Übersee-Präsenz neue Märkte erschliessen. Das Konzept ging auf: 1943 nahm der Grosse Rat den Vorschlag an, und im Mai 1944 öffnete das Schweizerische Tropeninstitut, kurz STI, seine Tore.
Der Mann hinter dem Tropeninstitut war Rudolf Geigy, Tropenmediziner und Spross der gleichnamigen Basler Industriellenfamilie.
Zentraler Teil des Programms für die Mitarbeitenden war der allgemeine Tropenkurs: Hier lernten die Naturwissenschaftler nicht nur die Pflanzenwelt der Tropen kennen, sondern vertieften sich auch in ethnologische Themen wie religiöse Riten und Kartenlesen und bekamen Kurse in den afrikanischen Sprachen Suaheli und Haussa.
Feldforschung direkt an der Front
Der Mann hinter dem Tropeninstitut war Rudolf Geigy, Tropenmediziner und Spross der gleichnamigen Basler Industriellenfamilie. Geigy war fasziniert von tropischen Insekten und setzte sich für eine Verbindung von Feld- und Laborarbeit ein. Die Forschungsergebnisse von Schlafkrankheit- oder Malaria-Studien sollten stets auch einen direkten Nutzen für die lokale Bevölkerung haben. Also errichtete Geigy während der afrikanischen Dekolonisierung in den 1950er-Jahren Forschungslaboratorien «direkt an der Front», wie Geigy in einem Radiointerview 1964 betonte: an der Elfenbeinküste und in Tanganjika, dem heutigen Tansania, da wo alle Quälgeister der Tropen direkt vor Ort seien. Da erforschte Geigy zusammen mit seinem Studenten Thierry Freyvogel Krankheitserreger und Parasiten und suchte nach Behandlungsmöglichkeiten der grassierenden Malaria.
Dabei blieb man stets in Kontakt mit der Uni, bildete mit Schweizer Personal sogenannte «Barfussdoktoren», aus, die im Busch praktizierten, und machte 1949 dem Basler Zolli ein sensationelles Geschenk: Geigy vermachte dem Zoo ein Erdferkel, das er zuvor mühsam aus einem Termitenhügel rausgescheucht hatte. Mit Forschung hatte diese Aktion ziemlich wenig zu tun, aber marketingtechnisch war sie von grossem Nutzen: Eine breite Öffentlichkeit wurde auf das Feldlabor in Tansania aufmerksam. Und das Ferkel? Es lebte zwei Jahre lang im Zolli und bescherte ihm schöne Besucherzahlen – kein anderer Zoo in der Schweiz hatte damals ein Erdferkel aufzuweisen.
Wichtigstes Anliegen bis heute: Austausch mit lokaler Bevölkerung
Geigy folgten drei weitere Institutsvorsteher. 1972 übernahm Geigys Assistent Thierry Freyvogel das Amt, nach ihm folgten der Immunologe Antoine Degrémont und danach Marcel Tanner, der bis heute das Swiss TPH leitet. Tanner ist wie seinen Vorgängern besonders die Zusammenarbeit und der Austausch mit der lokalen Bevölkerung ein Anliegen. Dies steht trotz der weitreichenden Veränderungen, die das Tropeninstitut in den vergangenen Jahren erlebt hat – Zusammenarbeit mit verschiedenen Wissenschaftszweigen, ausgebaute Abteilungen und Aufbau von Studiengängen in Afrika und Europa – immer noch an erster Stelle.
Immer mehr werden in Basel auch die Gesundheitsprobleme unserer Breitengrade erforscht wie Diabetes oder Fettleibigkeit.
Das Prinzip geht auf. Was als zwei kleine Feldlabors mit 20 Mitarbeitern begann, ist heute ein Weltunternehmen. 700 Mitarbeiter aus 70 Nationen zählt das Tropeninstitut, es ist stark mit Hochschulen der ganzen Welt vernetzt und erzielt einen Jahresumsatz von 72 Millionen Franken. Dabei tragen Bund und Kanton Basel-Stadt um die 17 Prozent der Mittel bei. Die restlichen Beträge erwirtschaftet das Institut aus Drittmitteln, unter anderem der Bill & Melinda Gates Foundation.
Heute geht es ausserdem nicht mehr nur um tropische Krankheiten – immer mehr werden in Basel auch die Gesundheitsprobleme unserer Breitengrade erforscht wie Diabetes oder Fettleibigkeit. Und auch geografisch befindet sich das Tropeninstitut im Wandel: Das Institut, das momentan aus allen Nähten platzt, will so bald wie möglich ins Familiengarten-Areal «Bachgraben» in Allschwil ziehen, ins Umfeld verschiedener Life-Sciences-Unternehmen wie Actelion. Institutsvorsteher Marcel Tanner wird den Auszug wohl nicht mehr als Direktor miterleben; er wird nächstes Jahr pensioniert – wer sein Nachfolge antritt, klärt sich im Herbst diesen Jahres.