Ginge das alles nicht auch virtuell?

Virtueller Meerespark statt Ozeanium: Mit Unterstützung eines amerikanischen Themenpark-Unternehmers hat die Fondation Franz Weber ihr Projekt «Vision Nemo» vorgestellt. Beim Publikum im «Unternehmen Mitte» stiessen die Ideen auch auf Skepsis.

Umstrittene Frage: Ist der Lerneffekt grösser, wenn man echte oder virtuelle Natur beobachtet?

(Bild: Zoo Basel)

Virtueller Meerespark statt Ozeanium: Mit Unterstützung eines amerikanischen Themenpark-Unternehmers hat die Fondation Franz Weber ihr Projekt «Vision Nemo» vorgestellt. Beim Publikum im «Unternehmen Mitte» stiessen die Ideen auch auf Skepsis.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein amerikanischer Entertainment-Unternehmer am gleichen Strick wie eine Naturschutzorganisation zieht. So geschehen ist das am Donnerstag im «Unternehmen Mitte»: Die Fondation Franz Weber präsentierte mögliche Alternativen zum Ozeanium, das der Zoo Basel auf das Jahr 2021 bei der Heuwaage realisieren will. «Haben Grossaquarien noch eine Zukunft?» Über diese Frage und den Gegenvorschlag zum Zolli-Projekt diskutierten bei diesem Anlass mehrere Gäste.

Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber, schwebt unter dem Namen «Vision Nemo» ein «multimediales Tor zur Unterwasserwelt» vor. Via Live-Streaming tauchenden Forschern über die Schultern zu schauen, U-Boot-Simulatoren und einen begehbaren holografischen Ozean – all das soll es nach ihrem Wunsch einmal bei der Heuwaage geben. Dank Virtual Reality würde der Besucher selbst zu einer Art Fisch, der Korallenriffe erkundet. Zum Erlebnis-Komplex gehören sollen ausserdem ein Kinosaal, ein Wasserspielplatz und ein Restaurant mit simulierten Walen im Hintergrund (wohlgemerkt ohne Meeresfrüchte auf der Speisekarte).

«Aquarien haben schon viele gemacht, ‹Vision Nemo› aber ist eine Neuheit», betonte Vera Weber. Sie plädierte dafür, dass Basel die Chance eines Pionierprojekts packen sollte.

Der Gast aus der Unterhaltungsindustrie, den die Fondation Franz Weber aufbieten konnte, heisst Tony Christopher und ist CEO von Landmark Entertainment. Er machte sich für simulierte Unterwasserwelten stark. Wie Christopher in einem Werbefilm zeigte, hat Landmark schon einige Vergnügungsparks, Themenhotels und Broadway-Shows kreiert. Ob «Jurassic Park», «Terminator» oder «Spider Man»: «Wir nehmen einen Film und machen ein Erlebnis daraus», erklärte er.

Dasselbe Prinzip soll in virtuellen Zoos zur Anwendung kommen. Die Welt aus der Sicht eines Vogels sehen oder ausgestorbene Tiere beobachten – so soll Unterhaltung auf Bildung treffen. «Virtual Reality wird das stärkste Medium des neuen Jahrhunderts», prophezeite Christopher.

Einem Taucher im Live-Stream über die Schultern schauen können – nur eine der Ideen der Fondation Weber. 

Einem Taucher im Live-Stream über die Schultern schauen können – nur eine der Ideen der Fondation Weber.  (Bild: Fondation Franz Weber)

Virtuelle Meeresparks haben aus seiner Sicht grosse Vorteile. «Bei echten Aquarien steigen die Kosten stetig, während die Besucherzahl zurückgeht.» Bei den 3-D-Spektakeln dagegen liessen sich die Attraktionen immer wieder ändern und erneuern. «Früher hatten die Leute keine andere Möglichkeit als Aquarien, um solche Tiere zu sehen», so Christopher, «heute haben wir Virtual Reality.»

Skepsis gegenüber 3-D-Spektakel

Dass man kein Ozeanium will, darin waren sich die meisten Zuhörer einig. Dennoch warf die Idee eines virtuellen Aquariums auch Fragen auf. Es waren zwei Welten, die bei der Veranstaltung aufeinanderprallten. Auf der einen Seite der Unternehmer, der sein Produkt knackig und mit actionreichen Bildern anpries, und auf der anderen Seite ein Basler Publikum, das dem kommerziellen Unterhaltungsprinzip auch mit Skepsis begegnete.

Hier könnte auch ein anderes Tier schwimmen: Im virtuellen Raum nur eine Frage des Programms. 

Hier könnte auch ein anderes Tier schwimmen: Im virtuellen Raum nur eine Frage des Programms.  (Bild: Fondation Franz Weber)

Ein Anwesender fragte etwa, ob es denn sinnvoll sei, die Kinder nach all den Videogames mit noch mehr künstlicher Realität einzudecken. Ein anderer, ein ehemaliger Lehrer, hatte Zweifel am Bildungseffekt der 3-D-Simulationen: «Es ist nicht dasselbe, ob mir jemand ein Bild von einem Tier zeigt oder ob ich ein echtes vor mir habe», fand er.

Zweifel am Bildungswert des Ozeaniums

Ein Mangel an Authentizität? Dieses Argument wollte der Philosoph und Tierethiker Markus Wild nicht gelten lassen: «Wie künstlich ist es denn, ein Meeresaquarium einzurichten?», fragte er. Dies zeige sich schon im Slogan «Basel liegt am Meer», mit dem der Zolli für sein Projekt wirkt. «Johann Peter Hebel hätte darüber nicht schlecht gestaunt.»

Auch handle es sich beim Ozeanium nicht um eine Innovation, als die es verkauft werde, kritisierte Wild weiter. Denn immer weniger Leute wollten durch eingesperrte Tiere unterhalten werden. Ausserdem sei der Zoo «noch immer den Beweis schuldig, dass er zur Bildung und zum Naturschutz beiträgt.»

Ein virtuelles Tier beobachten soll nicht weniger lehrreich sein, finden die Ozeanium-Gegner.

Ein virtuelles Tier beobachten soll nicht weniger lehrreich sein, finden die Ozeanium-Gegner. (Bild: Fondation Franz Weber)

Das bekräftigte auch Peter Lehmann, Experte für nachhaltige Bildung. «Wenn man sich Bildung auf die Fahne schreibt, reicht ein Tier im Käfig nicht aus», sagte er. Dazu brauche es mehr. Einen Lerneffekt gebe es dann, wenn man das Lebewesen nicht von der Umwelt trenne und dem Publikum eine Beziehung zur Natur vermitteln könne.

Problematischer Korallenfisch-Fang

Die Fondation Franz Weber fordert eine Alternative wie «Vision Nemo» nicht zuletzt, um generell auf die Problematik von Grossaquarien aufmerksam zu machen. Wie Meeresbiologin Monica Biondo ausführte, gibt es kaum Schutzbestimmungen für Korallenfische. In Indonesien etwa habe sie beobachtet, wie Fische mit Gift betäubt werden, um sie leichter einzusammeln. «Etwa vier von fünf Fischen sterben, bevor sie überhaupt im Aquarium landen», sagte Biondo. Und weil die meisten marinen Zierfische nicht aus der Zucht, sondern direkt aus dem Riff stammen würden, befürchtet sie, dass dies auch beim geplanten Ozeanium der Fall sein würde.

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Mehr Informationen zum Projekt finden Sie auf der Website www.vision-nemo.org 

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