Zurzeit wehren sich im St. Johann mehrere Vereine und Parteien mit einer Petition gegen eine mögliche Lastwagenroute zum Lysbüchel-Areal von Süden her. Diese Option widerspreche dem Schwerverkehrskonzept Grossbasel Nord. Befürchtungen dieser Art kamen auf, weil vertrauliche Informationen aus der Verwaltung an die Öffentlichkeit gelangten. Diese nimmt zu den Vorwürfen Stellung.
Wer gedacht hat, dass seit dem Bau der Nordtangente das Thema Lastwagenverkehr im St. Johann endgültig vom Tisch ist, hat sich geirrt: Zurzeit sorgt die Arealentwicklung VoltaNord für Verwirrung im Quartier. Davon zeugt die jüngst vom Verein Kraft-Lichtstrasse lancierte Petition, welche auch von der SP Basel West, BastA!, der Grünen Partei und dem VCS unterstützt wird. Darin wird kritisiert, dass die Verwaltung eine Südanfahrt für den Schwerverkehr zum Gewerbegebäude Volta-Haus ernsthaft prüft.
Wo heute die unscheinbare Saint-Louis-Strasse vom Vogesenplatz her vorbei am Volta-West-Bau zum Lysbüchel-Areal führt und bei einer Barriere endet, könnte künftig eine kleine Lastwagenachse entstehen. Die Verfasser der Petition befürchten, dass eine solche Verkehrsführung eine Belastung für das Quartier nach sich zöge: Sie schätzen, dass dies für den Bereich Voltastrasse, St.-Johanns-Bahnhof und Saint-Louis-Strasse pro Jahr zwischen 15’000 und 25’000 zusätzliche Lastwagenfahrten bedeutet.
Ein Widerspruch zum St.-Johann-Lastwagenverbot?
Die Leute hinter der Petition fühlen sich verschaukelt, da sie manche Errungenschaften des Nordtangentenbaus in Gefahr sehen. Zudem machen sie einen Widerspruch zum Schwerverkehrskonzept Grossbasel Nord von 2013 aus. Dieses sieht vor, die Lastwagen statt via Voltaplatz über die Nordtangente in die Industriegebiete zu lenken. Das Ziel hierbei war, das St. Johann vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Statt über die Voltastrasse nimmt deshalb der Schwerverkehr nun den Weg über den St.-Johanns-Tunnel oder via Schlachthofstrasse. Das Dreieck Hüninger-/Elsässer-/Voltastrasse darf seit März 2013 vom Schwerverkehr nur noch im Zubringerdienst befahren werden.
Die Stiftung Habitat machte vertrauliche Infos öffentlich
Pikant ist, wie die Befürchtungen einer Lysbüchel-Südanfahrt vom Vogesenplatz her überhaupt aufkamen: Die Stiftung Habitat, welche beim Lothringerplatz eine Überbauung plant und somit auch von diesem Verkehrsweg betroffen wäre, enthüllte in einer Medienmitteilung im Juli die Idee der Verwaltung. Dabei liess Habitat Informationen aus dem Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) durchsickern, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
Die Stiftung war in die Testplanungen für das neue Lysbüchel-Areal einbezogen. In diesem Zusammenhang wurde der Habitat vom BVD ein Ratschlagsentwurf gezeigt, der für die interne Vernehmlassung bestimmt war. «So haben wir realisiert, dass die Verkehrsführung geändert wird», sagt Habitat-Geschäftsführer Klaus Hubmann. In seinen Augen ist es unverständlich, dass die Verwaltung nach einem öffentlichen Mitwirkungsprozess diesen Punkt in den Ratschlag «hineingeschleust» habe. «Wir empfinden das als Skandal, den wir so nicht akzeptieren können», sagt Hubmann. Daher ist es seiner Meinung nach berechtigt gewesen, diese vertrauliche Information publik zu machen.
Verwaltung begründet die Idee mit künftigen Lysbüchel-Bewohnern
Marc Keller, Kommunikationsleiter des BVD, nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Er unterstreicht, dass die Lastwagen zwar weiterhin von Norden her anrollen sollen, gleichzeitig hält er aber fest, dass andere Varianten nicht ausgeschlossen werden: «Für das Volta-Haus im Südwesten des Areals prüft der Kanton verschiedene Varianten, unter anderem auch eine Erschliessung über die Saint-Louis-Strasse», sagt Keller. Er begründet dies mit dem Blick auf den bevorstehenden Wandel des Lysbüchel, wo die Schaffung von Wohnraum geplant ist. In seinen Augen soll auch die Lebensqualität der künftigen Bewohner des geplanten Stadtteils berücksichtigt werden.
Der BVD-Sprecher begründet den kritisierten partiellen Bruch des momentan gültigen Konzepts auch im Hinblick auf das neue Kapitel der Stadtentwicklung: «Der Kanton ist der Meinung, dass eine solche Ausnahme unter Berücksichtigung der Gesamtsituation im Quartier und der geringen Anzahl Lastwagenfahrten prüfenswert ist», sagt Keller. Zudem betont er, dass das Schwerverkehrsverbot im besagten Dreieck weiterhin gültig sein werde. «Die Lastwagen müssten entlang der Saint-Louis-Strasse bis zum Lothringerplatz und dann über die Luzernerring-Brücke fahren», sagt Keller. Dies würde das Quartier also «nur am Rand tangieren». Daher möchte er nicht von einer «Schleusenöffnung» sprechen. Entschieden sei allerdings noch nichts.
Wie konkret die Pläne eines Südzugangs für Lastwagen sind, ist somit noch nicht ganz klar. Wie Stefan Wittlin, Vorstandsmitglied bei der SP Basel West und Unterstützer der Petition, festhält, soll die Petition eine Präventivmassnahme sein, um auf diesen Schwachpunkt des Volta-Nord-Projekts aufmerksam zu machen, bevor er unbemerkt in den Bebauungsplan gerät. «Ich sehe die Petition als direkte Fortsetzung der öffentlichen Mitwirkung und als Zeichen an die Verwaltung», sagt Wittlin.
Zustimmung erhält er von jemandem, der für die Entwicklung des St. Johann eine wichtige Rolle gespielt hat: Roland Zaugg, ehemaliger stellvertretender Leiter der Abteilung Struktur und Entwicklung des Hochbau- und Planungsamtes, kann einer solchen Südzufahrt zum Voltahaus nicht viel abgewinnen. Als einstiger Projektleiter der Planung Basel Nord schüttelt er über diese Option den Kopf: «Wir haben die Lösung für eine rückwärtige Erschliessung des Lysbüchels via Schlachthofstrasse als eine der zentralen Voraussetzungen für die heute realisierte Planung beim Bahnhof St. Johann gefordert», erinnert er sich. Eine Südanfahrt zum Lysbüchel würde das untergraben: «Die Erschliessungsstrasse wurde speziell dafür gemacht, damit das Quartier nicht belastet wird – das darf nicht einfach so über den Haufen geworfen werden», sagt Roland Zaugg.
Die Rolle der SBB
In der Diskussion um die Lastwagen-Verkehrswege sind auch happige Vorwürfe an die Adresse der SBB im Spiel. Die Grundeigentümerin des westlichen Lysbüchel-Teils plant die Errichtung von Wohnraum sowie eine Mischnutzung, wobei aber noch keine detaillierten Pläne vorliegen. Unglücklicherweise befindet sich das Volta-Haus näher beim Vogesenplatz als an der Schlachthofstrasse. Die Stiftung Habitat richtet daher die Kritik an den Bahnbetrieb, möglicherweise von einer Südzufahrt zum Lysbüchel profitieren zu können: «Damit auf den SBB-Parzellen höherwertige Wohnbauten gebaut werden können, die nicht vom Schwerverkehr belastet werden», heisst es etwa in der besagten Habitat-Medienmitteilung.
Vonseiten der SBB gibt es jedoch keine offizielle Befürwortung einer solchen Südachse für Lastwagen: «Der Schwerverkehr erfolgt weiterhin von Norden her, sodass das Quartier teilweise davon entlastet ist», sagt SBB-Mediensprecherin Lea Meyer. «Welche Schwerverkehrsvariante innerhalb des Areals realisiert wird, ist offen.» Da noch nicht viel über die SBB-Projekte für das Lysbüchel bekannt ist, ist somit auch die Frage der Verkehrswege noch unklar. Daher findet Marc Keller, dass man diese beiden Themen auseinanderhalten sollte: «Die Frage der Schwerverkehrserschliessung hat nichts mit den Interessen der SBB zu tun – es geht um eine rein raumplanerische Frage.»