Politiker diskutieren momentan darüber, ob ein Alkoholverbot in Jugendzentren sinnvoll ist oder nicht. Wenn man junge Erwachsene und Jugendarbeiter fragt, ist klar: Verbote bringen nichts, höchstens Jugendliche zum Saufen.
Am 17. Feburar wird im Badhüsli wieder gefeiert. Hinter der Bar stehen (volljährige) Gymischüler, sie haben an diesem Freitag Dernière ihres Schultheaters und mieten für die Party danach traditionellerweise die Räumlichkeiten im Jugendzentrum St. Johann.
Ausgeschenkt werden auch Drinks, mit Alkohol. Ob das legal ist, da scheiden sich die Geister, beziehungsweise streiten sich die Politiker.
» Lesen Sie dazu: Ist Alkohol an Partys in Jugendzentren legal oder nicht?
Aber ist Alkohol in Jugendzentren auch sinnvoll?
Nicht unbedingt, findet der Verein für Suchtprävention. Er will verhindern, dass das Alkoholverbot in Jugendzentren aus dem Gesetz gestrichen wird, wie es der Grosse Rat beschlossen hat, und hat das Referendum ergriffen.
Das Argument des Referendumskomitees: Eine der wirksamsten Präventionsmassnahmen sei, den Zugang zu Alkoholika für Jugendliche zu erschweren. Das Komitee hat bereits mehr als die 2000 nötigen Unterschriften zusammen, wie Online Reports berichtete.
Die Flasche geht im Kreis rum
Allerdings ist es nicht so, dass Jugendliche im Badhüsli unbegrenzt Zugang zu Alkoholika hätten. Jugendarbeiter Roman Hueber leitet das Jugendzentrum und arbeitet seit 15 Jahren dort. Während der regulären offenen Treffs gibt es keinen Alkohol, doch an jugendkulturellen Anlässen dürfen die Veranstalter Alkohol verkaufen.
Das war nicht immer so, lange Zeit fanden auch spezielle Veranstaltungen im Badhüsli ohne Alkohol statt. Leider mit dem immer gleichen Resultat: «Die Jugendlichen brachten selber Alkohol in rauen Mengen mit und tranken ihn direkt vor dem Badhüsli», sagt Hueber.
Ein Verbot kommt einer Absage gleich, Regeln dagegen sind Türöffner.
Das nennt sich dann «vorglühen» (Sie erinnern sich vielleicht) und geht so: Man kauft sich vor der Party – ganz legal – ein paar Flaschen Rum und Cola im Grossverteiler und trifft sich irgendwo im Freien. Dort lässt man den Rum kreisen, nimmt drei grosse Schlucke, spült mit Cola nach und gibt die Flasche weiter.
Danach geht man dann weiter an die Party. Wenn dort Alkoholverbot herrscht, versteckt man den Rest des Rums einfach vor dem Jugi hinter einem Baum und geht nach Bedarf nach draussen und trinkt weiter.
Hueber sagt: «Das Alkoholverbot führte zu einem massiven und unkontrollierbaren Mehrkonsum ausserhalb des Hauses.»
Weniger Probleme
Hueber und sein Team beschlossen, einen anderen Weg zu gehen: Jugendliche über dem Mindestalter von 16 Jahren dürfen an speziellen Veranstaltungen im Badhüsli Alkohol konsumieren – «wie an jedem anderen Ort der Stadt auch», sagt Hueber. Damit mache er gute Erfahrungen. «Wir stellen fest, dass gesamthaft weniger und massvoller getrunken wird.»
Ganz ausrotten lässt sich das Vorglühen zwar nicht. Aber es habe enorm abgenommen, sagt Hueber. Auch weil die Jugendarbeiter so viel besser mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen. «Wenn ich Jugendlichen und jungen Erwachsenen in (ihren!) Jugendeinrichtungen den Alkohol verbiete, obwohl sie diesen in jedem Restaurant und Club kriegen, fühlen sie sich nicht ernst genommen», sagt er. Doch wenn er sage: «Ihr dürft, aber es gelten einige Regeln», dann setzen sie sich mit Hueber an einen Tisch.
Bei einer Theaterparty-Anfrage läuft das so: Die Veranstalter müssen ein fünfköpfiges Organisationskomitee gründen und werden zu ein bis zwei Vorbesprechungen mit den Jugendarbeitern eingeladen. Dabei werden alle Aufgaben verteilt: das Musikprogramm, das Sicherheitskonzept, die Garderobe, die Kasse, die Reinigung – und die Bar.
Wenn die Jugendlichen an den Rhein gehen, kaufen sie viel mehr Alkohol ein.
Dabei bespricht Hueber mit ihnen auch, ob sie Alkohol ausschenken wollen und wenn ja, wieviel. Wie viele Flaschen Rum braucht es für Cuba Libres an einem Abend, wieviel Bier verträgt man? Bei diesen Gesprächen sind Jugendliche oft erstaunt darüber, wie wenig Alkohol es für eine Party von 120 bis 150 Personen braucht.
«Sie schauen sich dann so vielsagend an», sagt Hueber. «Wenn ich frage, was los ist, sagen sie: ‹Wenn wir an den Rhein gehen, kaufen wir im Verhältnis immer viel mehr Alkohol ein.›» Genau deswegen sei es sinnvoll, die Jugendlichen in die Planung einzubeziehen. So lernen sie, den Alkoholgehalt von Getränken einzuschätzen und mit Mass zu trinken.
Ausserdem gilt im Jugi der Grundsatz: Alkoholische Drinks sind an der Bar teurer als Süssgetränke. Und die Veranstalter müssen, mit Unterstützung durch professionelle Securities, eine Ausweiskontrolle machen und je nach Alter verschiedenfarbige Bändel verteilen. So wissen die Barkeeper sofort, ob jemand alt genug ist für einen Drink oder nicht.
Hueber betont aber: Es trinken längst nicht alle Alkohol, trotz Bar. «Ein Drittel der Partybesucher trinkt aus freien Stücken nichts.»
Sogar Experten finden’s gut
Diese Strategie geht offenbar auf – auch für die Experten der Schweizer Stiftung Sucht Schweiz. Direktorin Irene Abderhalden findet, der Regelbetrieb in Jugendzentren müsse alkoholfrei bleiben: «Sofern die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen gewährleistet werden kann, wäre es jedoch denkbar, im Rahmen von ‹begleiteten Partys› Ausnahmen zu erlauben. Damit würde die Botschaft transportiert, dass Alkohol kein gewöhnliches Konsumgut ist, das bei Jugendlichen in der Freizeit automatisch dazugehört, dass aber im Rahmen von spezifischen Anlässen mit entsprechender Gewährleistung des Jugendschutzes der Alkoholkonsum als Ausnahme toleriert werden kann.»
Doch können Jugendliche nicht auch ohne Alkohol «cool sein» und mit «klarem Kopf feiern», wie die Referendumsbefürworter schreiben?
«Natürlich können sie das, aber Alkohol gehört einfach dazu und schmeckt!», sagt Juri Schmidhauser. Er muss es wissen, der 21-Jährige organisiert alle zwei Monate mit Kollegen den «Korkenzieher» im Badhüsli. Das Ziel ist, Nachwuchskünstlern eine Bühne zu geben, das Programm ist immer wieder ein anderes: Einmal spielen Bands, ein anderes Mal gibt es eine Lesung von jungen Autoren, dann wieder stehen Poetry Slammer auf der Bühne oder legen DJs Musik zum Tanzen auf. Dazu gibt es «gute Weine von regionalen Weinhändlern».
Das klingt jetzt sehr gehoben, doch Schmidhauser ist sicher: «Wenn man den Alkohol verbieten würde, käme niemand mehr.» An Kulturanlässen sei es schlicht üblich, dass man ein Bier oder ein Glas Wein trinke. Und doch ist der Alkohol Nebensache, in erster Linie geht es Schmidhauser darum, etwas auszuprobieren. «Hier können wir alles lernen, von der Licht- und Soundtechnik bis zur Planung einer Veranstaltung. Das können wir sonst nirgends.»