Die Zwischennutzung auf dem Migrolareal geht in die dritte Saison. Ein Besuch zeigt: Es gibt mehr als Aperol Sprizz im Hafen. Massagen für alle und ein ägyptisches Kulturhaus sind am Entstehen.
Es gibt viele Namen für den grossen Flecken Quasi-Freiraum am Klybeckquai. Manche reden stellvertretend für das ganze Areal vom Wagenplatz oder fragen, «hey, heute Landestelle?» oder sagen einfach «Hafen», obwohl man dort noch selten ein Schiff hat Kies abladen sehen. «Holzpark Klybeck» nennt Arealbespielerin Shift Mode die Zwischennutzung offiziell, aber: Dieser Name ist wenig bekannt.
Seit zwei Jahren ist der Verein Shift Mode nun für das Leben auf dem Areal verantwortlich. Die erste Saison glich einem Rückzug in die Stille, das Areal blieb verlassen. Im zweiten Sommer siedelten sich diverse Gastro- und Kunstcontainer an. Im vergangenen Winter dann konnte man in der «Tour Vagabonde» den Bauch mit Fondue zukäsen oder sich im Konzeptkunst-Restaurant Chnächt mit Heimatessenzen verköstigen.
Neben altbekannten Nutzungen gibt es diesen Sommer auch Neuerungen. Ein Ägypter baue einen Pittaofen, erzählt Katja Reichenstein von Shift Mode. Und die Masseure hätten einen neuen Wagen. Masseure!? Ägypten am Hafen? Wenn man das schon früher gewusst hätte – also nichts wie hin.
Die vielen Container, das Chaos – «feels like home»
Leider habe er nur Milchpulver zum Kaffee, entschuldigt sich Maghdi Gadallah und setzt die Kanne auf den Gaskocher. Inmitten der Holzbretter und Bohrmaschinen rückt der 60-jährige Ägypter einen Klappstuhl zurecht, fixiert sein Hörgerät und bittet höflich, Platz zu nehmen.
Noch ist sein ägyptisches Kulturhaus eine grosse Baustelle, aber man möchte trotzdem nicht mehr aus dem Klappstuhl raus. Wenn Gadallah erzählt, was hier entsteht, ist das Reiseherz gleich woanders, irgendwo auf einem Bazar, im Orient.
Der Pittaofen ist schon fertig. Maghdi Gadallah auf der Baustelle. (Bild: Jara Petersen)
Minzetee wolle er anbieten, Hibiskussaft und «Sahlep», einen dickflüssigen Nussdrink, der satt mache wie nichts. Kaffee mit Zimtgewürzen. Warmes Pittabrot aus seinem Ofen. Und Falafel natürlich, aber richtigen. Den Falafel, den er bisher in Basel probiert habe, der schmecke nämlich, leider, einfach nach Plastik.
Und das wird das ägyptische Kulturhaus – Eröffnung im Juli. (Bild: Jara Petersen)
Es stecken viele Arbeitsstunden und Herzblut in Gadallahs Projekt, hier ein Stückchen ägyptische Heimat zu erbauen und ein Kultur- und Gasthaus zu eröffnen. Seine Augen leuchten jetzt schon, auch wenn noch viel Arbeit ansteht, bis im Juli hoffentlich Eröffnung gefeiert wird. Weshalb das Kulturhaus denn gerade hier am Hafen entstehe?
«I immediately felt like home here», sagt Maghdi Gadallah lächelnd, er habe sich gleich Zuhause gefühlt. Die Wagen und Container, die der Silhouette eines Bazars ähneln und der raue Kiesboden, das geschäftige Werkeln bei den verschiedenen Projekten und die latente Unübersichtlichkeit – das habe ihn sofort an Ägypten erinnert.
Kräuterstempelmassage im Wohnwagen
Fernöstlich wird es im Massage-Wagen von Stephanie Penk und Adrian Bloch. Die beiden «Masseure am Hafen» sind kürzlich von einer Reise nach Thailand zurückgekehrt, von wo sie eine neue Massagemethode mitgebracht haben: handgewickelte Kräuterstempel.
Da haben zwei in Thailand Massagetechniken eingeübt. Der Massagewagen in der Rückenansicht. (Bild: Jara Petersen)
Damit wollen sie ihren Gästen Gutes tun. Und Gutes ist eben nicht immer ein Feierabendbier. Shift Mode wollte auf dem Areal nebst den Bars auch ein Projekt, das nichts mit Aperol Sprizz und Panini zu tun hat. «Wir alle vergessen unseren Körper viel zu oft, sitzen falsch und spüren uns wenig», sagt Masseurin Stephanie Penk.
In Thailand würden alle zur Massage gehen, jeden Tag, auch grundlos, einfach, weil es dem Körper gut tue und die Gesundheit erhalte. Hier werde die Massage als Luxusmoment oder duftölige Wellness verstanden. Und wenn der Körper nicht mehr mitmache, werden 30 Minuten Physio gebucht, sagt Penk.
65 Franken für keinen Luxus
Die beiden verstehen ihre Massage als ganzkörperliche Behandlung und die solle kein Luxus sein. Eine einstündige Behandlung kostet bei ihnen 65 Franken. Weil sie davon nicht leben können, arbeiten die beiden tagsüber und massieren am Abend. Zurzeit bauen die zwei an einer Terrasse. Die soll das Indoor-Massageprogramm ergänzen.
Geplant ist unter anderem eine kostenlose wöchentliche Bewegungsstunde. «Das möchten wir anbieten, und es soll deshalb drinliegen», sagt Adrian Bloch. Aber jetzt ist erst mal genug geredet. Den Körper zum Thema machen und dann doch nur reden – das gehe doch nicht. «Kannst dich gleich mal hinlegen.» Und dann wird die Wirbelsäule ordentlich durchgeknackt.
Holzpark-Projekte auf einen Blick:
- «Les Ateliers»: Drei rote Container für Kunstprojekte und ein langer Holztisch vornedran. Dort finden immer wieder Tischflohmärkte statt. Infos auf Facebook.
- «Generationengarten»: Offenes Gärtnern für alle. Die Hochbeete rund um das «Patschifig» stehen schon in Blüte. Infos auf Facebook und hier.
- «Uferbox+»: Cyanotypie-Workshops, Fotografie in «Berliner Blau». Infos auf Facebook
- «Dahab»: Ägyptisches Kulturhaus, Eröffnung voraussichtlich im Juli. Infos auf Facebook.
- «Sommerresidenz»: Diesen Sommer mit neuer Bar und Tanzfläche. Eröffnung im Juni. Infos hier.
- «Patschifig»: Bereits offen. Die Sommerbar im Container. Infos hier. Neu gibt es einen Foodwagen nebenan mit indischen und italienischen Köstlichkeiten.
- «Roter Korsar»: Tanz, Theater, Musik im schrägen Holzbau und auf der Pavillon-Bühne. Infos hier.
- «Masseure am Hafen»: Massagen am Abend und nach Vereinbarung. Infos hier.
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Die politischen Auseinandersetzungen um die Zwischennutzung des ehemaligen Migrolareals waren gross. Sie sind auch noch nicht zu Ende. Die drei Holzhallen, die Shift Mode für eine winterfeste Nutzung plante, werden bis auf Weiteres nicht gebaut, denn der Rekurs der Klybeck-Genossenschaft ist noch immer hängig.