«Das ‹Draecksblatt› aus dem Umfeld der Band Vandal-Ex war wohl das erste Basler Fanzine», erinnert sich der Grafiker Andreas Kreienbühl – vage. Dazu kam das «FUCK» von Lori Hersberger, der heute weniger als Musiker denn als Künstler bekannt ist. Kreienbühl selbst produziert gemeinsam mit Felix Zbinden «115-001» bis «115-003». Drei in Anlehnung an die Sträflingsnummern der Panzerknacker nummerierte Ausgaben. Zbinden gab auch noch das «Winterschatten 1993» heraus.
Mit diesen sogenannten Fanzines (oder eben: Magazine für Fans) erreichte ein Trend die Schweiz, der in den USA schon in den 1930er-Jahren seinen Anfang genommen hatte. Science-Fiction Freaks hatten damals begonnen, über ihre Zukunftsfantasien zu schreiben und begründeten mit ihren handgemachten Heften ein eigenes Mediengenre. Informationen von Enthusiasten für Fans.
Trotz kleiner Auflagen wurden solche Fanzines seither enorm wichtig für Subkulturen aller Art, da hier kulturelle Randphänomene thematisiert wurden, die in professionellen Medien wenig Beachtung fanden. Viele Zines boten nicht nur Berichte über die Szene. Frei von den Normen regulärer Medien wurden sie auch zum Spielplatz für Kreative aller Art, was Gestaltung und Inhalt angeht.
Do it yourself und Punk
Ihre Blütezeit erlebten die Fanzines in den späten 70er-Jahren. Der Punk erhielt seinen Namen durch das gleichnamige New Yorker Szenemagazin aus dem Umfeld des legendären CBGB-Clubs.
Der vermeintliche Stilgründer Malcolm McLaren brachte den Namen nach einem Erfahrungstrip in die amerikanische Subkultur mit nach England und benannte den räudigen Rock’n’Roll seiner Sex Pistols nach dem New Yorker «Punk»-Zine. Das ärgerte zwar dessen Macher, wie im Standardwerk zum US-Punk «Please Kill Me» nachzulesen ist. Doch nicht nur die Musik rüttelte an der Normgesellschaft. Beflügelt von der Do-it-yourself-Philosphie (DIY) hatte bald jede Stadt mindestens ein Fanzine.
In Basel war DIY nicht nur ein politisches Statement, wie sich Kreienbühl erinnert: «Wir sammelten Restbestände von Papier, um möglichst günstig produzieren zu können.» Die Produktion von rund 500 Heften pro Ausgabe war für die enthusiastischen Szene-Chronisten aufwendige Handarbeit. «Sicher ein halbes Jahr dauerte das», erinnert sich Kreienbühl.
Die Texte mussten alle mit der Schreibmaschine getippt, dann mit einer Schere zerschnippelt und mit Fotos, Zeichnungen oder anderen Gestaltungselementen auf ein Blatt geleimt werden. Diese Collagen wurden auf dem Fotokopierer verkleinert, bis alles auf eine A4-Seite passte. Dann erst konnten die Seiten in Serie gedruckt, zusammengestellt, gefalzt und geheftet werden.
Chaos als Konzept und Sachzwang
Die Fanzines waren voll mit Konzert- und Platten-Besprechungen, Interviews und Vorschauen – und ganz wichtig: Kontaktadressen. Kreienbühl: «Die Zines waren das Facebook der damaligen Zeit.» Klingt nicht besonders nach Subkultur. Aber in Basel gab es keine Bühne, wo Punkbands spielen konnten. Der Konzertkeller im «Hirscheneck» und die Alte Stadtgärtnerei kamen erst später. Mangels regelmässiger Szenetreffs informierte man sich über die Fanzines darüber, wo etwas lief, und traf sich dann dort. «Wir sammelten Zines aus ganz Europa und verschickten unseres auf Anfrage per Post.» Den Kaufpreis von meist etwa einem Franken plus Porto schickte man mit der Bestellung mit.
Selbst in der eigenen Stadt halfen Fanzines, Gleichgesinnte zu finden. «Felix und ich fanden mit unserem ersten ‹115› auch Mitmusiker für die Band», so Kreienbühl. Die Szene war klein. Nur etwa acht Punkbands gab es damals in der Basler Szene. Kettenkraftrad hiess die von Kreienbühl: «Mein Bass hatte nur eine Saite. Alles andere wäre zu kompliziert gewesen für das Chaos, das wir machen wollten.»
Chaos war das Credo des damals 17-Jährigen und der Szene. Kaum ein Konzert von Kettenkraftrad ging regulär über die Bühne. Bei den illegal organisierten Auftritten in der damaligen Bahnhofsunterführung und anderen Szene-Treffpunkten der Punks konfiszierte die Polizei den Generator. «Und waren wir geschützt, wie etwa am Fest der SP, war sicher einer zu besoffen, um auf die Bühne zu klettern.» Das passierte nicht nur Kettenkraftrad. Das 1. Basler Punk Festival, das die Szene im Sommercasino organisierte, soll nicht ganz so amüsant gewesen sein, wie es sich in der Nachlese im «FUCK» (Nr. 3, Februar 1980) liest.
Kreienbühl entfährt beim Blättern in den alten Zines immer mal wieder ein «Jesses Gott!» Nicht nur wegen der Gestaltung, über die der Grafiker 37 Jahre und über 100 Bücher später herzlich lachen kann. Die Fanzines wecken auch die Erinnerung an eine harte Jugend.
Untergang und Wiedergeburt
«Die No-Future-Einstellung des Punk war bei uns anders als in England. Wir hatten durchaus Aussicht auf Arbeit und eine Zukunft, nur nicht so, wie sie damals vorgegeben war.» Die vorgegebenen Normen zu brechen, hatten die Hippies zuvor mit Liebe versucht. Weil das nicht geklappt hatte, versuchten die Punks es nun mit grobem Protest. Das anfänglich kreativ befruchtende Chaos schlug in den Achtzigern dann eine düstere Richtung ein. Kreienbühl: «Bands wie Sonic Youth oder die Einstürzenden Neubauten passten eher zu den düsteren Ereignissen wie Tschernobyl, Heroinüberflutung, Aids und Schweizerhalle.»
Mit dem Abflauen der ersten Punkwelle verschwand in Basel auch die Fanzine-Kultur. Zwischendurch erschienen Fanzines aus der Hardcore-Szene, in letzter Zeit jedoch eher Ein-Heft-Wunder von Kunststudenten, die zwar wunderschön, aber mehr für das Auge waren und weniger Geist und Sprachrohr einer Szene.
Die typische Collagen-Ästhetik der Fanzines feiert jedoch immer mal wieder ein Revival und derzeit erlebt das Low-Level-Medium selbst eine kleine Renaissance. Eine schöne Auswahl davon verkauft in Basel die Gallerie Daeppen. Und am Jugend Kultur Festival JKF wird mit «Overdrive» am 2. September sogar ein neues Basler Fanzine aus der alternativen Bandszene frisch ab Presse kommen.