Der britische Forscher John Elliott sucht nach Ausserirdischen, um sich mit ihnen unterhalten zu können. Dabei helfen ihm Delfine. Mit Video.
Here’s an english version of this inteview.
John Elliott steht auf der Bühne und schaut voller Erwartung und leicht belustigt ins Publikum. Auf seinem Laptop hat er soeben eine Tonaufnahme abgespielt, die er als eine der bemerkenswertesten Entdeckungen seiner Forschungsgruppe bezeichnet hat. Das Geräusch klingt unspektakulär und unangenehm, ein lautes pulsierendes Rauschen.
Der Wissenschaftler mit den langen Haaren und dem Truckerschnauz sprach Mitte Mai am Kongress Science+Fiction Dialog 2014 an der Universität Basel über seine Arbeit. Elliott ist Chef der englischen Seti-Gruppe (Search for extraterrestrial intelligence, Suche nach ausserirdischer Intelligenz), im Volksmund – Alienjäger. Das Geräusch, das er eben abgespielt hat, wurde im März 2003 aufgenommen und konnte bis heute keiner natürlichen Quelle zugeordnet werden. Es gibt Leute, die glauben, dass dieses Geräusch der Versuch einer ausserirdischen Lebensform ist, mit uns Kontakt aufzunehmen.
Elliott hat wenig übrig für Spekulationen, hält das Signal aber für ausserordentlich interessant. Und er erklärt uns, warum er Delfine als die «Aliens des Planeten Erde» bezeichnet.
Professor Elliott, warum ist dieses Rauschen, das wir eben gehört haben, so spektakulär?
Interessant an der Aufnahme vom März 2003 sind vor allem der Rhythmus, das Auf und Ab des Geräusches, und die Frequenz, auf der wir es empfangen haben. Denn auf dieser Wellenlänge ist es besonders ruhig, sie ist zur Übermittlung von Signalen und Botschaften deshalb besonders geeignet. Wollten wir ein Signal aussenden, dann würden wir uns auch für diese Frequenz entscheiden. Was auch immer wir da empfangen haben, wurde genau dort gesendet, wo wir das Signal einer intelligenten Lebensform erwarten würden. Wir empfingen das identische Signal dreimal hintereinander auf der gleichen Frequenz. Es könnte natürlichen Ursprungs sein, aber es könnte ebenso gut eine ausserirdische Lebensform sein, die mit uns Kontakt aufnehmen will.
Was glauben Sie?
Das Signal ist leider zu kurz, um irgendwelche Schlüsse daraus zu ziehen. Wir dürfen nicht über den Ursprung dieses Signals spekulieren, sonst setzen wir uns scharfer Kritik aus. Wir stellen einzig fest: Das haben wir gehört, wir können nicht ausschliessen, dass es von einer intelligenten Lebensform stammt, und es ist aus diesen und jenen Gründen interessant.
Wie muss man sich diese Suche nach ausserirdischer Intelligenz denn praktisch vorstellen?
Wir hören mit unseren Radioteleskopen den Himmel ab. Daneben benutzen wir auch optische Methoden, Teleskope und Laser. Unser Arsenal an Messinstrumenten wird immer grösser, je weiter sich die Technologie entwickelt. Natürlich hängt unsere Leistungsfähigkeit auch davon ab, welche Rechnungsleistung unsere Computer aufbringen.
Wird man als Wissenschaftler ernst genommen, wenn man nach Aliens sucht?
Als Seti vor mehreren Jahrzehnten anfing, galten wir als Alien jagende Exzentriker. Unsere Glaubwürdigkeit hat sich jedoch stark verbessert. Inzwischen ist die These, dass sich irgendwo in dem riesigen Weltall um uns herum noch weitere Lebensformen befinden, unter Wissenschaftlern weit verbreitet. In den letzten Jahren wurden allein in unserer Galaxie mehrere Planeten mit erdähnlichen Bedingungen entdeckt. Auf diesen sogenannten Exo-Planeten wäre Leben denkbar. Und es gibt noch Milliarden anderer Galaxien. Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo intelligentes Leben gibt, ist also riesig.
Sind Sie oft mit Klischees und Vorurteilen konfrontiert?
Wenn ich im Radio ein Interview gebe, dann wird manchmal «Star Trek»-Musik eingespielt. Natürlich ist das eine Trivialisierung unserer Arbeit, wenn man sie mit einer fiktionalen Fernsehserie in Verbindung bringt. Wahrscheinlich ist das keine Absicht, aber es geschieht schon häufig. Und natürlich gibt es auch die Briefe von Menschen die glauben, von einem kleinen grünen Männchen in einer fliegenden Untertasse besucht worden zu sein. Um ganz ehrlich zu sein: Es ist hochgradig unrealistisch anzunehmen, dass Ausserirdische je mit einem Raumschiff auf der Erde landen werden.
«Es ist sehr unwahrscheinlich, dass je ein ausserirdisches Raumschiff zur Erde reisen wird.»
Ach ja?
Die Reise von einem Planeten zum anderen ist derart aufwendig, zeitraubend und teuer in jeglicher Hinsicht, dass eine intelligente Lebensform diesen Aufwand nie betreiben würde. Wenn schon, dann wäre mit einer unbemannten Maschine zu rechnen. Am effektivsten und deshalb auch am wahrscheinlichsten sind jedoch Funksignale. Die kosten nichts und sind mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs.
Jetzt enttäuschen Sie aber die Alienfans.
Die Wahrscheinlichkeit, auf der Erde irgendwann einem Alien zu begegnen, ist äusserst klein. Aber die Leute haben alle diese Bilder und Ideen in ihren Köpfen aus Filmen und Science-Fiction-Romanen. Und das hat gar nichts mit unserer Arbeit zu tun. Wir müssen deshalb immer wieder klarstellen, dass wir an unsere Arbeit die allerstrengsten wissenschaftlichen Kriterien anlegen. Da haben Spekulation und Abenteuergeschichten nichts zu suchen.
Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt: «Wir treten mit unseren Ergebnissen nur dann an die Öffentlichkeit, wenn wir glauben, dass etwas dran ist. Ihr solltet uns also zuhören.»
Wenn wir Ergebnisse veröffentlichen, dann bedeutet das, dass wir jede uns bekannte natürliche Ursache für ein Signal ausschliessen konnten oder dass wir es aus anderen Gründen wichtig finden, auf etwas hinzuweisen. Unser erstes und wichtigstes Prinzip ist es, alles dafür zu tun, unsere Messergebnisse zu verwerfen, wo dies möglich ist. Wir sind sehr streng mit uns selbst, sonst geben wir uns der Lächerlichkeit preis.
Ihre ganze Arbeit beruht auf der Annahme, dass eine ausserirdische Botschaft die Erde in Form von Schallwellen erreichen würde. Was macht Sie so sicher, dass das so sein wird?
Wir sind überhaupt nicht sicher, es ist tatsächlich nicht mehr als eine Annahme. Wir müssen ja irgendwo beginnen, also arbeiten wir mit den Möglichkeiten, die wir haben. Die Ausrüstung gibt die Möglichkeiten vor – mit einem Rugbyball kann man ja auch nicht Golf spielen. Radioteleskope waren vergleichsweise einfach verfügbar, also fingen wir damit an, bestimmte Sterne und Planeten abzuhören. Wir nutzen diese Instrumente immer dann, wenn sie ungenutzt sind. Auch die optischen Teleskope übrigens. In letzter Zeit werden jedoch vor allem die Astronomen, die nach erdähnlichen Planeten suchen, verstärkt finanziert. Das hilft uns indirekt auch, denn so wissen wir, welche Planeten wir mit unseren Teleskopen anvisieren sollen. Und Seti in Kalifornien wird jetzt sogar von Paul Allen von Microsoft dabei unterstützt, eine eigene Teleskopanlage aufzubauen.
Wenn die Anerkennung steigt, steigt also auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sie etwas finden?
Ja, natürlich. Mit unseren heutigen Mitteln können wir lediglich einen winzigen Ausschnitt des Himmels abhorchen, und dies nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Im Moment schauen wir durch einen Strohhalm auf den Himmel. Unser Ziel ist es, den ganzen Himmel während 24 Stunden überwachen zu können. Das würde unsere Arbeit natürlich einen gewaltigen Schritt weiterbringen. Wir sind erst am Anfang und werden auch nicht aufhören. Ob es da draussen Leben gibt, ist eine der grössten Fragen der Wissenschaft.
«Die Ausserirdischen müssten uns eine Art Spickzettel mitgeben, sonst werden wir ihre Sprache kaum verstehen können.»
Ihr Spezialgebiet ist die Kommunikation. Sie haben eine Software entwickelt, die Sprachen erkennt und entschlüsseln kann und vielleicht einst die Kommunikation mit Ausserirdischen ermöglichen soll.
Es sind eigentlich mehrere Programme, die einzelne Arbeits- und Analyseschritte durchführen können. Leider kann ich nicht einfach einen Knopf drücken, und das Programm erledigt dann die ganze Arbeit.
Was tun diese Programme, wenn Sie sie mit einer Tonprobe füttern?
In einem ersten Schritt untersucht mein Programm ein Signal daraufhin, ob es äusserlich bestimmte Strukturen aufweist. Damit meine ich komplexe Strukturen, die nicht zufällig entstanden sein können. Dieser erste Schritt dient dazu, interessante und strukturierte Geräusche von simplem Lärm zu unterscheiden. Danach führt ein zweites Programm eine mathematische Analyse durch, um herauszufinden, ob im Signal diese inneren Zusammenhänge bestehen, wie sie für Kommunikation typisch sind. Dann versucht man, die einzelnen Bausteine des Signals zu identifizieren, um die Syntax zu erkennen. Ist eine solche vorhanden, dann ist das bereits ein Zeichen von hoher Komplexität – was wiederum auf einen intelligenten Ursprung schliessen lässt. Sobald es uns gelingt, einzelne Komponenten innerhalb des Signals zu kategorisieren, können wir den Aufbau mit bekannten Sprachen vergleichen. Wenn es eine solche Verwandtschaft gäbe, wäre das eine grosse Hilfe bei der Übersetzung.
Und dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Entschlüsselung?
Im Gegenteil. Wenn die Ausserirdischen uns nicht noch eine Art Spickzettel schicken, dann fangen die Probleme damit erst an. Die Identifikation einzelner strukturierender Bausteine ist vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen. Will man dann aber verstehen, welches Wort welche Bedeutung in sich trägt, dann benötigt man, was wir das «shared codebook» nennen. Also eine Art Wörterbuch. Die Syntax mit der Semantik zu verknüpfen, ist ein Problem, das kein Computerprogramm lösen kann. Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich zumindest alle menschlichen Sprachen in ihrem Aufbau und in ihrer inneren Struktur gleichen. Diese Ähnlichkeit erlaubt uns immerhin erste Schritte auf dem Weg zum Verständnis einer unbekannten, möglicherweise ausserirdischen Sprache.
Verstehen Ihre Programme mein Schweizerdeutsch?
Es gibt relativ einfache Programme, die Sprachen innert kürzester Zeit sehr genau bestimmen können. Das liegt daran, dass jede Sprache bestimmte Buchstabenkombinationen in einer einmaligen Art häufig nutzt. Wenn also innerhalb von drei, vier Sätzen eine bestimmte Häufigkeit solcher Kombinationen auftritt, dann kann das Programm die Sprache sofort zuordnen. So kann ich beispielsweise den Schweizer Dialekt problemlos und ziemlich rasch von Dänisch unterscheiden. Das geht aber noch weiter. Es gibt sogar Programme, die anhand der Stimme eines Patienten bestimmen können, ob er psychotisch ist oder nicht. Mit meiner Arbeit haben solche Dinge jedoch wenig zu tun. Ich untersuche Audiosignale in einem viel generelleren Sinn, indem ich herauszufinden versuche, ob es sich dabei überhaupt um Sprache handelt.
Wie könnte sich Aliensprache denn anhören?
Angenommen, diese Ausserirdischen leben auf einem Planeten, der unserem sehr ähnlich ist, dann wird auch ihre Physiologie ähnlich sein. Sie werden also ähnlich klingen. Handelt es sich jedoch um eine Lebensform auf einem gasförmigen Planeten, dann hat sie wohl eine Physiologie, die ich mir nicht einmal vorstellen kann. Wenn man dieses Gedankenspiel weitertreibt, wenn man sich vorstellt, dass sich eine solche Lebensform in einem komplett anderen Umfeld bewegt wie wir, dann ist es sehr gut möglich, dass ihre Art zu kommunizieren völlig ausserhalb unseres Beobachtungsspektrums liegt.
«Ein Dialog mit Ausserirdischen würde auf jeden Fall Jahre, wenn nicht Generationen dauern.»
Ist das nicht etwas entmutigend?
Ich bin überzeugt, dass Kommunikation im Kern immer gleich funktioniert, egal in welcher Umgebung. Das belegen auch meine Untersuchungen von Delfinen. Diese Tiere leben im Wasser und ihre Art zu kommunizieren ist der unsrigen dennoch extrem ähnlich. Unsere evolutionären Wege haben sich vor sehr langer Zeit getrennt und dennoch sind die Delfine zu einer sehr ähnlichen Lösung gekommen, was die Kommunikation betrifft. Das ist ein Hinweis dafür, wie effektiv unsere Form der Kommunikation ist. Effizienz setzt sich durch, und deshalb ist es nicht abwegig, dass auch andere Lebensformen zu einer ähnlichen Lösung gekommen sind.
Vorausgesetzt, es würde Ihnen gelingen, den Kontakt zu einer intelligenten, ausserirdischen Lebensform herzustellen, was würden Sie dann sagen? Was wäre Ihre Botschaft?
Ich würde einfach «Hallo» sagen und allenfalls noch einige Informationen wie «Wir leben hier, so sehen wir aus, so sieht es auf unserem Planeten aus». Kontraproduktiv wären sicher Beschreibungen unserer Geschichte, unserer Tendenz, uns gegenseitig zu bekämpfen. Der Aufbau eines Dialogs mit Ausserirdischen würde auf jeden Fall Jahre, wenn nicht Generationen dauern. Aber allein die Bestätigung, dass da draussen noch jemand existiert, wäre eine der grössten Erkenntnisse in der menschlichen Geschichte. Unsere menschliche Neugierde würde einfach mehr wissen wollen.