Die Problemzonen eines Departements: So wird es sie los

Das Basler Präsidialdepartement hat ein Problem: Es ist noch jung und unförmig. In den vergangenen sieben Jahren haben sich Problemzonen gebildet, die der neue Regierungspräsident anpacken muss. Eine Diagnose.

Ein Blick auf das heranwachsende Präsidialdepartement zeigt: Da haben sich einige Problemzonen herausgebildet.

(Bild: Nils Fisch)

Das Basler Präsidialdepartement hat ein Problem: Es ist noch jung und unförmig. In den vergangenen sieben Jahren haben sich Problemzonen gebildet, die der neue Regierungspräsident anpacken muss. Eine Diagnose.

Das Basler Präsidialdepartement wird gerade erwachsen. Seit sieben Jahren ist es auf der Welt, seit sieben Jahren sucht es seine Rolle in der Verwaltung. Mit Guy Morin tritt nächsten Januar nun auch sein erster Vorsteher ab. Das Departement erreicht langsam die politische Pubertät. 

Mit der Reife schärft sich auch der Blick für die Problemzonen. Dorthin, wo der Babyspeck langsam wegschmilzt, aber vor allem dorthin, wo er bleibt. Und sich ablagert. 

Problemzonen hat das Departement derzeit einige. Entstanden als Ansammlung verschiedener kantonaler Stellen, konzipiert als Schnittstellendepartement zwischen den anderen Entscheidungsträgern, ist das Präsidialdepartement in der Realität angekommen.

Leiden an der Doppelrolle

Nicht ohne Probleme: «Es ist ein Konglomerat vieler Amtsstellen, die teilweise von Alphatieren als kleine Königreiche geführt werden», diagnostizierte vergangene Woche die «Basellandschaftliche Zeitung». Und die «Basler Zeitung» urteilte nicht nur über den Chef, sondern auch über seinen Laden: «Dem Amt ­haftet etwas Unfertiges und Überflüssiges an, es passt nicht. Auch das Präsidialdepartement hat sich nicht bewährt. Guy Morin blieb ein König ohne Land.»

Das stimmt, wenn auch nur in Teilen. Das Departement leidet unter seiner Programmierung als Doppelgesicht: Zum einen wurde es in der Verwaltungsreform als grosses Repräsentationsbüro konzipiert, zum andern verfügt es aber gerade mit der Kantons- und Stadtentwicklung sowie der Kulturabteilung über klaren realpolitischen Einfluss.

Betrachten wir also die Problemzonen genauer:

1. Der Wasserkopf

Der politische Spagat zwischen Repräsentation, Marketing und Entwicklungspolitik schuf ein Gebilde, das kaum von einem Chef allein geführt werden kann. Den Amtsstellenleitern kommt eine wichtige Rolle zu, was zu den von der bz diagnostizierten Königreichen führt. Je unterschiedlicher die Geschäftsbereiche in einem Betrieb, desto stärker werden die jeweiligen Sous-Chefs. Gerade im Fall von Kantons- und Stadtentwickler Thomas Kessler zeigt sich: Wen der Chef öffentlich zurückpfeifen muss, der hat einen Handlungsspielraum, der intern nur bedingt abgesteckt ist.

Hinzu kommt, dass Morin in seiner ersten Legislatur stark auf den Bereich Marketing gesetzt hatte. Obwohl öffentliche Auftritte und die Positionierung durchaus den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen all den Amtsstellen bilden, so verkennt dieser Schwerpunkt vor allem eines: Dass das Präsidialdepartement eine einflussreiche Schnittstelle zwischen den anderen Departementen bildet. Morin korrigierte das teilweise in der zweiten Legislatur; gerade auch, weil er in der andauernden Auseinandersetzung um die Zwischennutzungen im Hafen unter politischem Zugzwang stand.

2. Marketingspeck auf den Hüften

Nichts gegen schöne Rundungen. Der Speckgürtel, der sich in den ersten Jahren auf den Hüften des Departements abgesetzt hat, behindert allerdings die politische Beweglichkeit. Wohl ist das Standortmarketing unter Chefin Sabine Horvath eine mittlerweile anerkannte und etablierte Abteilung; sie kann allerdings als Fach- und Expertenstelle nicht den politischen Kernbereich des Departements bilden.

Dafür ist auch die kantonalpolitische Relevanz zu gering: Marketing verkauft Inhalt, generiert selbst aber keinen. Und wer seine Entscheide unter der Prämisse grösstmöglichen Marketingpotenzials treffen will, behindert sich selbst, indem er schlecht verkaufbare Konflikte meidet. Denn Marketing läuft am besten, wenn massentaugliche und meist gefällige Ware feilgehalten wird. Konflikte sind Gift. Doch gehören Konflikte in einer direkten Demokratie zum Tagesgeschäft.

3. Repräsentationsbeulen am Po

Das Problem jedes schweizerischen Präsidialamts: Man steht zwar laut Visitenkarte an der Spitze eines politischen Organs, ist im präsidialen Alltag allerdings eher Grüssaugust als Entscheidungsträger.

Die meisten Kantone pflegen daher ihr Regierungspräsidium im Jahresturnus herumzureichen. Einmal Präsident sein, ein Jahr lang repräsentieren, den Kanton verkaufen, Sitzungen leiten. Eine tatsächliche Machtposition ist das in den seltensten Fällen. Im Gegenteil, Repräsentation gilt gemeinhin als Zeitfresser, sie ist ein Teil des Standortmarketings und nicht des Tagesgeschäfts. Hier tut eine sportliche Straffung des Programms Not, um die Beulen am arg strapazierten Sitzfleisch wegzukriegen.

Auch wenn Morin hier die grössten Verdienste attestiert werden, so zeigt sich damit vor allem eines: Der zu Beginn vernachlässigte Fokus auf die Schärfung der nächsten Problemzone. Und dabei geht es um ein inneres, lebenswichtiges Organ.

4. Blähbauch Kantons- und Stadtentwicklung

Die Kantons- und Stadtentwicklung ist das eigentliche politische Zentrum des Departements. Hier laufen im Prinzip die Fäden der urbanen Zukunft von Basel-Stadt zusammen. Im Prinzip. Denn die Abteilung ist derzeit eine Schnittstelle, die zwischen dem Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) und dem Finanzdepartement (FD) steht. Gerade im Konflikt um Zwischennutzungen auf dem Hafenareal und die Besetzung des Wagenplatzes klaffte stets die Zuständigkeitsfrage: Wer ist hier der Chef?

Guy Morin beantwortete die Frage vor einem halben Jahr in einem Interview mit der TagesWoche: Er sei zuständig. Mit der gleichzeitigen Einschränkung: in Kooperation mit den anderen zwei Departementen. Das BVD kümmert sich um planerische und bauliche Angelegenheiten, das FD verfügt mit Immobilien Basel über Boden und Liegenschaften des kantonalen Vermögens. Das führt zum Blähbauch. Denn ohne die Zustimmung der anderen zwei Departemente ist kaum ein eindeutiger und selbstständiger Chefentscheid des Regierungspräsidenten möglich.

So lange in der Ausführung also nicht klar ist, wer in diesem Dreigestirn Auftraggeber, Dienstleister und lediglich Zudiener ist, arbeitet sich der Verdauungstrakt des Departements mit schwer verdaulichen Prozessen ab. Gleichzeitig müht sich die Abteilung mit der Quartierarbeit ab; ihre Vision «Quartierarbeit 2020» stösst bei neutralen Quartiervereinen nach wie vor auf teils heftige Kritik.

Gerade beim Blähbauch ist also eine intensive Diät angezeigt. Zuständigkeiten klären, die Entwicklung konzipieren und langwierige Prozesse abschiessen. So kann die Kantons- und Stadtentwicklung in den kommenden Jahren zu dem werden, was sie eigentlich ist: dem politischen Epizentrum des Präsidialdepartements, dem die eigentliche Schlagkraft innewohnt.

5. Der kleine Kulturbuckel

Und was macht eigentlich die Kultur in diesem Departement? Klar: Auch sie ist im weiteren Sinne ein Marketinginstrument des Kantons. Mit einem gesunden Kulturbetrieb verkauft sich jede einigermassen anspruchsvolle Stadt gut. Ein gutes Theater, schöne und breitentaugliche Museen – das können hochpotente Publikumsmagnete für Basel sein.

Doch ist Kultur in Verbindung mit Marketingpolitik schwierig. Zum einen muss der Kanton seine Kultur fördern, die nicht besonders massentauglich ist. Zum andern ist massentaugliche Kultur nicht besonders fördernswert, weil sie sich oft selbst finanzieren kann. So fällt die Abteilung Kultur im Departementsrahmen etwas ab; zu ihrer Schwesterabteilung Kantons- und Stadtentwicklung etwa ist nur eine abstrakte Verwandtschaft ersichtlich. Klar, auch Kultur dient der Kantonsentwicklung. Aber macht das die Bildung, wie sie beim Erziehungsdepartement angesiedelt ist, nicht auch?

Im Gesamtbild des Departements liegt die Kulturpolitik damit dem Marketing und der Repräsentation weitgehend am nächsten. Das führt zu jenen leichten Haltungsschäden wie dem diagnostizierten Kulturbuckel. Wo eine Kulturabteilung zur Schnittstellenabteilung wird, ist eine klare und nach aussen abgrenzbare Politik zwingend. Das ist denn auch das Korsett, das die Haltung korrigieren kann. Diese Arbeit leistet derzeit vor allem Abteilungsleiter Philippe Bischof, dem ein ähnlich starker Einfluss zukommt wie Thomas Kessler von der Kantons- und Stadtentwicklung.

Dienstleister derzeit im Vorteil

Insgesamt benötigt das Departement noch einige Therapien, bis es eine gesunde, adulte Form annehmen kann. Immerhin funktioniert das Muskelfleisch weiterer Abteilungen ordentlich: So etwa die Staatskanzlei, die an sich nur administrativ dem Präsidialdepartement untersteht, aber vor allem Dienstleistungen für den Gesamtregierungsrat vollbringt.

Oder das Statistische Amt, das ebenfalls als Dienstleister für verschiedene Departemente und Abteilungen des ganzen Kantons tätig ist. Bei diesen Amtsstellen ist die Abgrenzung zu den Problemzonen allerdings klar: Sie betreiben keine Politik, sondern sind Dienstleister im eigentlichen Sinn.

Für den neuen Regierungspräsidenten bedeutet das vor allem eine Menge Therapie- und Erziehungsarbeit. Das geht allerdings nicht gänzlich zulasten des früheren Hausarzts Guy Morin. Der noch amtierende Regierungspräsident hatte seinen Ansatz gewählt, um das neue Departement erst einmal zu formen. Jetzt braucht es vor allem einen neuen Ansatz, um das heranwachsende Departement in seinen politischen Möglichkeiten zu stärken.

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