Die Rückkehr des Wurzelgemüses – Basels Grüne im Streit

Ein Rücktritt, ein schwer verstimmter Bündnispartner und interner Zoff: Seit ältere, konservative Parteimänner nach Macht und Ämtern streben, reiben sich Basels Grüne auf.

Sorgen bei den Grünen für Unmut: die Urgesteine Guy Morin und Jürg Stöcklin. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sein Job als Hausarzt erfüllt ihn nur bedingt, der Machtverlust macht ihm zu schaffen: Guy Morin kämpft seit seinem Ausscheiden aus der Basler Regierung im Februar 2017 gegen den Bedeutungsverlust. Der ehemalige grüne Regierungspräsident ist dankbar für jede Beschäftigung, die ihn ins Rampenlicht hievt. Momentan setzt er sich intensiv für die Spitalfusion ein, zudem liebäugelt er mit einer Nationalratskandidatur.

Mit seiner Ankündigung sorgt Morin für Unruhe im eigenen Lager. In der BastA! macht sich die Sorge breit, dass eine Kandidatur Morins den Sitz von BastA!-Nationalrätin Sibel Arslan gefährden könnte. Aber auch die Grünen selber begegnen Morins Ambitionen mit Skepsis: «Das Ganze wirkt verzweifelt», sagt ein Parteikollege von Morin, der wie die meisten der hier vorkommenden Informanten nicht namentlich genannt werden möchte. Überhaupt hätten viele in der Partei Mühe damit, dass Morin derart um Aufmerksam buhle, Themen an sich reisse, den Takt der Partei vorgeben wolle  – so auch Jürg Stöcklin.

Jürg Stöcklin ist eines der Urgesteine der Grünen Partei und ein enger Weggefährte von Morin. Seit Februar 2017 sitzt er nach einem Unterbruch wieder im Grossen Rat. Seine dominante Art ist nicht nur bei den Grünen umstritten, sie sorgt auch für Unmut beim parlamentarischen Bündnispartner, der kleinen Linkspartei BastA! Mitte August wurde Stöcklin zum neuen Fraktionspräsidenten des Grünen Bündnisses gewählt. Turnusgemäss löste er seine Vorgängerin aus der BastA!, Beatrice Messerli, ab. «Ein ganz normaler Vorgang», wie Stöcklin sagt.

Alle stimmten gegen Stöcklin

Doch es war eine Wahl mit einem sehr durchzogenen Resultat. Die Fraktionsmitglieder der Schwesterpartei BastA! stimmten alle gegen Stöcklin, selbst in seiner eigenen Partei enthielten sich Personen der Stimme – ein klares Misstrauensvotum.

Stöcklin gilt innerhalb der Grünen als konservativer Politiker. «Wird jetzt noch mehr Gemüse in den Grossratssaal getragen?», frotzelt ein Fraktionsmitglied der BastA! aus Sorge um die linken politischen Positionen. Es ist auch eine indirekte Anspielung auf Stöcklins offensives Engagement gegen zwei der vier Mieterinitiativen – offiziell hatten die Grünen Stimmfreigabe beschlossen.

Damit hat sich Stöcklin im linken Lager keine Freunde gemacht. «Es ist schwer, diesem Fraktionspräsidenten das nötige Vertrauen entgegenzubringen», sagt ein anderes BastA!-Mitglied. Bei der Linkspartei denken gleich zwei Grossräte an einen vorzeitigen Rücktritt aus dem Parlament.

Stöcklin trägt dieses Misstrauen vordergründig mit Fassung. «Es ist nicht das erste Mal, dass ich von BastA!-Mitgliedern kritisiert werde, ich habe eine dicke Haut», sagt er. Und betont, dass man in der Fraktion letztlich in 80 bis 90 Prozent der politischen Geschäfte einer Meinung sei. «Wir sind unter dem Strich stets zu Schlage gekommen miteinander. Unsere Zusammenarbeit ist ein Erfolgsrezept und unter anderem eine der Voraussetzungen für die rot-grüne Mehrheit in Basel.»

Michael Wüthrich tritt zurück

Gegen aussen demonstriert man Harmonie und Einigkeit: «Unterschiedliche Meinungen in der Fraktion gab es schon immer, das gehört zum demokratischen Prozess», sagt Stöcklin. Doch auch innnerhalb der Grünen öffnet sich ein Graben zwischen links und konservativ. Zum linken Lager zählt Grossrat Michael Wüthrich. Er hatte sich bei den Mieterinitiativen, die im Juni alle von der Basler Stimmbevölkerung angenommen wurden, explizit auf die Befürworterseite geschlagen.

Gegenüber der TagesWoche möchte sich Wüthrich nicht zur Stimmung innerhalb der Fraktion und der Partei äussern. Andererseits ist bei ihm eine gewisse Politikmüdigkeit spürbar. «Nach 14 Jahren im Grossen Rat ist die Zeit für meinen Rücktritt reif», sagt er. Er betont, dass diese Absicht nichts mit dem Zustand der Partei oder der Fraktion zu tun habe. Wüthrich hätte wegen der Amtszeitbeschränkung bei den Grossratswahlen im Herbst 2020 sowieso nicht mehr antreten dürfen. Personen, die ihm nahestehen, sagen aber, dass der Einfluss von Morin und Stöcklin auf die Partei Wüthrichs Rücktrittswunsch noch verstärkt habe.

Der Grund, warum Wüthrich sein Grossratsmandat nicht schon Anfang Jahr abgegeben hat, liegt in seinem Präsidium der einflussreichen Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission, für das ein parteiinterner Nachfolger bereitgestellt werden soll. Vorgesehen ist der grüne Grossrat und Verkehrsexperte Raphael Fuhrer, der aber wegen seiner Doktorarbeit an der ETH noch nicht frei ist. «Lange schiebe ich meinen Rücktritt aber nicht mehr hinaus, spätestens im Januar 2019 bin ich weg», sagt Wüthrich.

Morin schweigt

Guy Morin will sich weder zur angedachten Nationalratskanditatur noch zur Kritik an seiner Person äussern. Sein Freund Stöcklin indes versucht, den Ball flach zu halten: «Morin hat wie alle anderen Partei- und Fraktionsmitglieder das Recht, sich für einen Platz auf der Wahlliste zu bewerben», sagt er. Und wie alle anderen werde er den ganz normalen Nominationsprozess durchlaufen. «Und natürlich ist es uns in erster Linie wichtig, dass wir Sibel Arslans Sitz verteidigen können.»

Ins selbe Horn stösst auch Harald Friedl, Präsident der Basler Grünen. «Morin hat sein Interesse angemeldet. Die Diskussion, wer letztlich auf der Liste landen wird, steht noch bevor.» Friedl stellt auch in Abrede, dass es innerhalb der Fraktion und der Partei gross rumort. «Mir ist bis jetzt nichts entsprechendes zu Ohren gekommen», sagt er. In der Grünen Partei heisst es ohnehin, dass Friedl völlig hörig gegenüber Morin und Stöcklin sei.

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