Die SP will die soziale Stadt bauen

Die Basler Sozialdemokraten definieren ihre Wohnpolitik neu. Das Programm ist ein grosser Wurf, mit viel Reibungsfläche – auch für die eigene Klientel.

Programm für den unteren Mittelstand: Die SP dehnt ihre Wohnpolitik aus. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Monatelang hat die SP darüber gebrütet, hat die Parteibasis, aber auch die eigenen Regierungsräte befragt. Dazu gaben interessierte Gruppierungen und Kreise ihre Vorschläge ein. Frucht der langen Beratungen ist ein ausgefeiltes politisches Programm, mit dem die Wohnpolitik in Basel eine neue, eine sozial ausgestaltete Prägung erhalten soll.

Keine Frage, die Partei hat einen Weg zurückgelegt: In den letzten Jahren hatte man den faulen Kompromiss akzeptiert, Investoren freie Hand zu lassen, dafür Genossenschaften zu fördern. Angesichts steigender Mieten, zahlreicher Konflikte um Vertreibung und konstant wenig freien Wohnungen auf dem Markt erachtet die SP nun die Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum als «eine der wichtigsten sozialen Fragen in Basel».

Investoren sollen Kitas bezahlen

Der TagesWoche liegt das 17 Seiten starke «Positionspapier Wohnen» vor. Bis 2035, verlangt die SP, soll in Basel-Stadt Wohnraum für 30’000 Menschen entstehen, die Hälfte davon nicht profitorientiert. Gesamthaft soll so der Anteil an gemeinnützigem Wohnraum in Basel von 11 auf 15 Prozent steigen.

Um das zu erreichen, verlangt die Partei vom Kanton, stärker in den Markt einzugreifen. Gefordert wird ein Vorkaufsrecht für den Kanton bei Immobilien und Grundstücken. Kommt trotzdem ein privater Investor zum Zug, soll dieser strenge Auflagen erhalten. Wer auf einem Areal von einer höheren Ausnutzung finanziell profitiert, soll sich im Gegenzug an den Erstellungskosten der Aussenräume (Plätze, Parks, Strassen) und sozialen Einrichtungen (Kinderbetreuung, Schulbauten, Quartierzentren, Sportanlagen) beteiligen. Zudem soll der Bauherr einen festen Anteil der neuen Wohnungen gemeinnützig betreiben. Vorbild für diese Forderungen ist die Stadt München, die seit Jahren ein entsprechendes Modell verfolgt. In München liegt der Anteil gemeinnütziger Wohnungen bei 18 Prozent, wobei nur ein kleiner Teil auf Genossenschaften abfällt.

Dazu soll der Kanton einen Paradigmenwechsel vornehmen und wieder selber in günstigen Wohnraum investieren. Bislang hatte er diese Aufgabe an Genossenschaften ausgelagert, mit überschaubarer Wirkung. Künftig soll er sich am gemeinnützigen Wohnungsbau finanziell beteiligen. Angedacht ist ein reich gefüllter Fonds, wie ihn die Stadt bis 1997 kannte. Daraus sollen gemeinnützigen Bauträgern Darlehen gewährt werden.

Genossenschaften aufbrechen

Die Partei hat auch erkannt, dass Genossenschaften nur einen kleinen, häufig gut situierten Teil der Bevölkerung ansprechen: «Die Kosten, um sich in eine Genossenschaft einzukaufen und somit von den gleichbleibenden Mieten zu profitieren, sind vor allem für Familien und finanziell Schwache sehr hoch.» Der Kanton soll sich deshalb an Genossenschaften finanziell beteiligen und so für ein günstigeres Mietniveau sorgen. Zudem sollen Genossenschaftswohnungen der Sozialhilfe zur Verfügung gestellt werden. Die Partei will die soziale Durchmischung erhöhen und etwa Ausländern den Zugang zu Genossenschaftswohnungen erleichtern.

Für viel Aufregung sorgten in den letzten Monaten Sanierungsprojekte mit Bauherren, die günstigen, in die Jahre gekommenen Wohnraum aufmöbeln und danach für die bisherige Bewohnerschaft unerschwingliche Mieten verlangen. Auch hier fordert die SP einen Kurswechsel: «Die Vertreibung von bisherigen Mieterinnen und Mietern im Zusammenhang mit Luxussanierungen soll ein Ende finden.»

Trick mit den Luxussanierungen

Künftig soll die Mietschlichtstelle nach jeder Sanierung überprüfen, ob die Aufschläge wirklich auf den Sanierungskosten gründen. Luxussanierungen sind für Investoren oft lukrativ – nicht nur, weil sich damit die Mieten in die Höhe treiben lassen. Wer mit Immobilien spekuliert, kann mit kostspieligen Sanierungen die Grundstücksgewinnsteuer senken, die kurzfristige Deals eigentlich verteuern soll. Diesen Trick will die SP unterbinden. Dafür sollen die Bestimmungen für sanfte Sanierungen gelockert und sämtliche Bewilligungsbehörden in einer Anlaufstelle zusammengeführt werden.

Auch Selbstkritik findet sich im Papier. Das umstrittene Wohnraumfördergesetz, das aus der SP selber kam, soll umgeschrieben werden. Künftig darf ein Eigentümer nur abreissen und neu bauen, wenn er zusätzlichen Wohnraum schafft. Im jetzigen Gesetz reicht es, wenn der Bauherr gleich viel Wohnraum schafft. Gemessen werden soll das an der effektiven Wohnfläche – Tiefgaragen und Liftschächte wie beim Bauprojekt der Helvetia-Versicherung am Steinengraben fallen damit aus der Berechnung raus.

Polizei räumt nur bei Baubewilligung

Mehr Wohnraum wollen die Sozialdemokraten schaffen, indem die Bauvorschriften für Verdichtungen und Aufstockungen massiv gelockert werden sollen. Zudem sollen bei Neubauten die Zimmergrössen verkleinert werden.

Auch aufs schwierige Feld der Hausbesetzungen begibt sich die Partei. Basel-Stadt, so die Forderung, soll das Zürcher Modell übernehmen. In Zürich schreitet die Polizei erst ein, wenn eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt und der Abbruch unmittelbar bevorsteht oder eine neue Nutzung vertraglich geregelt ist. Entsprechende Vorhaben scheiterten allerdings in der Vergangenheit im Grossen Rat.

Vorstösse und Volksinitiativen

Das Positionspapier hat es in sich, auch wenn SP-Präsident Pascal Pfister von «Steuerungselementen ohne Verbote, sondern mit Anreizen» spricht. Der Widerstand dürfte erheblich sein, das weiss auch Pfister: «Bei den bürgerlichen Parteien läuft die Diskussion in die genau entgegengesetzte Richtung, dort will man Hauseigentümer gegenüber Mietern weiter bevorteilen.» Auch intern gibt es Kontroversen. Debattiert wird zum Beispiel, welche Auflagen Genossenschaften bei Baurechtsvergaben gemacht werden sollen, so Pfister. Auch die Forderung nach grösserer Verdichtung zulasten von Frei- und Grünräumen sowie günstigem Wohnraum wird in der Partei kontrovers diskutiert.

25 Änderungsanträge sind eingegangen, Ende November soll dann die Delegiertenversammlung das Programm verabschieden. Die Umsetzung soll mittels Vorstössen auf parlamentarischer Ebene erfolgen und – falls man nicht weiterkommt – auch mit Volksinitiativen.

Pfister hofft auf eine geschlossene Linke bei dem Thema: «Es geht uns nicht um ein paar Sozialwohnungen, wir wollen das Leben von Leuten mit tiefem und mittlerem Einkommen erleichtern.» Für den unteren Mittelstand, der ohne staatliche Zuschüsse auskommen muss, sei das Leben in Basel zu teuer geworden: «Es kann nicht sein, dass die Leute aus der Stadt rausziehen müssen. Gerade für eine Familie stellt das Wohnen eine erhebliche finanzielle Last dar.»

Ob sich SP, Grüne und BastA! jedoch einig werden, ist offen. Die Wohnpolitik ist ein dankbares Feld für linke Parteien, weil sich dort ihre politischen Vorstellungen eins zu eins ins Leben der Wählerschaft übersetzen lassen. Auch die Grünen haben sich deshalb jetzt des Themas angenommen. Sie haben heute Montag ihre Wohnpolitik vorgestellt.

https://tageswoche.ch/politik/mehr-baeume-fuer-basel-die-neue-gruene-wohnpolitik

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