Das Prozedere gehört zur Tagesordnung in der baselstädtischen Politik: Die sozialdemokratische Finanzdirektorin Eva Herzog präsentiert eine Kantonsrechnung mit einem satten Überschuss, worauf bürgerliche Grossräte eine Vorlage zur Steuersenkung folgen lassen.
Bislang gelang es Herzog, im Kanton die Steuerzügel in der Hand zu behalten.
Die Landgemeinde Riehen tickt da anders. Ende Dezember brachte die Finanzkoordinationskommission (FiKoko) einen Antrag zur Steuersenkung durch den Einwohnerrat. Angesichts des sich damals abzeichnenden Überschusses von 9 Millionen Franken senkte der Rat die Einkommenssteuern von 42 auf 40 Prozent und die Vermögenssteuern von 48 auf 47 Prozent der vollen Kantonssteuern.
Die bürgerliche Ratsmehrheit (von SVP bis GLP) schlug sämtliche Warnungen in den Wind, nicht nur diejenigen des ebenfalls bürgerlichen und für die Finanzen zuständigen Gemeinderats Christoph Bürgenmeier (LDP), sondern auch die von SP, EVP und den Grünen.
«Nun zeigt sich, dass das Geld fehlt»
Heute ist klar: Es waren berechtigte Warnungen. «Nun zeigt sich, dass das Geld fehlt», sagt Bürgenmeier. Nachdem in den Geschäftsberichten der vergangenen Jahre Überschüsse zwischen 1,3 und knapp 9 Millionen Franken kommentiert wurden mit: «Es herrschen geordnete Verhältnisse» (2013) oder «Riehen geht es nach wie vor sehr gut» (2014), tauchen im Politikplan 2018 bis 2021 rote Zahlen auf: jährliche Defizite zwischen 5 und 5,5 Millionen Franken.
«Die Plandefizite sind überwiegend das Abbild der kommunalen Steuersenkungen», schreibt der Gemeinderat in einer Medienmitteilung. Dazu kommen höhere Kosten, «vor allem in den Bereichen Gesundheit und Soziales sowie Bildung und Familie». Die EVP hört bereits die Alarmglocken klingeln: «Die bürgerliche Steuersenkung 2016 zeigt Wirkung: Die Finanzen geraten aus dem Lot und Riehen macht Schulden!», schreibt die Mittepartei.
Die bürgerlichen Steuerpolitiker hoffen, dass sich das Problem mit den roten Zahlen von alleine entschärft.
Diesen Vorwurf möchte wiederum die FDP nicht auf sich sitzen lassen. «Nicht die Steuersenkung sind für die roten Zahlen verantwortlich, sondern die ungebremst steigenden Kosten», sagt Andreas Zappalà, Präsident der FDP Riehen. Er fragt: «Wie kann es sein, dass die Zahlen trotz Steuermehreinnahmen von sechs Millionen Franken innerhalb von nur zwei Jahren in den roten Bereich rutschen?»
Diese Frage kann der Gemeinderat beantworten. Er nennt vor allem zwei Punkte, die für die Kostensteigerung verantwortlich sind:
- eine starke Erhöhung der Schülerzahlen in der Primarschule und damit verbunden Mehrausgaben bei den Tagesstrukturen,
- höhere Ausgaben aufgrund einer neuen vertraglichen Vereinbarung mit dem Kanton über die Asylkosten.
Ausserdem muss das selbsternannte Rentnermekka Riehen höhere Alterspflegekosten verkraften. «Das sind alles gebundene Kosten, denen wir nicht ausweichen können», sagt Bürgenmeier.
Das stellt auch Zappalà nicht in Abrede. Er sieht aber andernorts durchaus Einsparungsmöglichkeiten. Zum Beispiel im Bereich Kultur, Freizeit und Sport sowie in der Gemeindeverwaltung. «Das Argument, dass mehr Einwohner gleich auch ein Mehr bei den Verwaltungskosten zur Folge haben müssen, will ich nicht so gelten lassen», sagt er.
«Wir verfügen über genügend Eigenkapital, um nicht gleich in Panik zu geraten.»
In erster Linie hoffen die bürgerlichen Steuerpolitiker, dass sich das Problem mit den roten Zahlen von alleine entschärft. So ging die FiKoko bei ihrem Antrag auf Steuersenkungen davon aus, dass der Gemeinderat die Einnahmen in den Budgets ohnehin notorisch zu tief ansetze. «Die letzten Jahre mit ihren guten Abschlüssen zeigen (…), dass in den Budgets der Gemeinde Riehen im Allgemeinen sehr viel Luft ist», schrieb sie in ihrem Bericht zum Politikplan.
Über einen besseren Abschluss würde sich natürlich auch der parteilose Gemeindepräsident Hansjörg Wilde freuen. «Die Kalibrierung des neuen Finanz- und Lastenausgleichs mit dem Kanton erschwert derzeit aber die Finanzplanung», sagt er. Deshalb hätte er gerne noch eine Steuerperiode ohne Senkungen abgewartet.
Dennoch gibt sich Wilde vorerst gelassen: «Wir verfügen über genügend Eigenkapital, um nicht gleich in Panik zu geraten», sagt er. «Wir wollen erst einmal abwarten, wie die Rechnung 2018 wirklich ausfallen wird.»
Keine Steuersenkungen auf Vorrat
Die kantonale Finanzdirektorin Eva Herzog möchte sich zur Steuerpolitik der Gemeinde Riehen nicht äussern. Ihr dürfte die Diskussion aber bekannt vorkommen. Vermutlich wird sie sich schon bald wieder gegen Steuersenkungs-Vorstösse von bürgerlichen Politikern zur Wehr setzen müssen.
Herzog sieht ihre Finanzpolitik angesichts der positiven Beurteilung des kantonalen Finanzhaushalts durch die Ratingagentur Standard & Poor’s bestätigt. «Das gute Rating, das explizite Lob auf unsere Finanzplanung und die explizite Feststellung, dass wir deshalb gut vorbereitet sind auf die Auswirkungen der Steuervorlage 17 ist eine Bestätigung unserer Politik, dass wir nicht auf Vorrat Steuern senken, sondern nur dann, wenn strukturelle Überschüsse vorhanden sind», sagt sie.