Die Währungskrise trifft ausgerechnet die innovativen regionalen KMU besonders hart. Die Folgen werden jedoch erst längerfristig sichtbar.
Als die Novartis Anfang Woche ihre neuesten Geschäftszahlen bekanntgab, äusserte sich das Unternehmen auch zum starken Franken. Die schlagartige Aufwertung der Schweizer Währung bereitet dem Pharmakonzern Sorgen. Wie Schweiz-Chef André Wyss gegenüber dem SRF-Regionaljournal sagte, sei es durchaus denkbar, dass längerfristig Bereiche der Novartis aus Kostengründen ins Ausland verschoben würden.
Der gesamte Schwerpunkt zur Novartis vom 27.01.2015 (SRF-Regionaljournal).
Wenn der erstarkte Franken bei den hiesigen Firmengiganten für Kopfschmerzen sorgt, wie sieht es dann erst bei den KMU aus?
Im Kern ergibt sich aus dem starken Franken für die Schweizer Unternehmen folgendes Problem: Während die Kosten (insbesondere die Personalkosten) hierzulande weiterhin hoch bleiben, brechen in der Eurozone die Umsätze ein.
Ein Unternehmen, das mit Milliardenbudgets operiert, kann solche Kursschwankungen besser auffangen als ein knapp kalkulierender Betrieb mit 30 Mitarbeitern. Die Probleme verschärfen sich, je grösser der Anteil des Umsatzes ist, den ein Unternehmen mit Euro erwirtschaftet.
Spezialisten wurden über Nacht massiv teurer
Ein Verwaltungsrat eines lokalen Biotech-KMU erklärt, weshalb gerade die forschenden, hochspezialisierten Firmen von der Aufhebung des Euro-Mindestkurses besonders betroffen sind. Er will anonym bleiben, da die Generalversammlung seines Unternehmens erst noch aussteht. «Unternehmen, die ihre Wertschöpfung primär durch Arbeit und nicht etwa durch Handel erwirtschaften, trifft die aktuelle Entwicklung sehr hart», sagt er.
Hochspezialisierte KMU, die mit ihren Produkten in einer Nische tätig sind und eigene Forschungsabteilungen betreiben, sind auf gut ausgebildetes (und deshalb teures) Personal angewiesen. Diese Kosten können nicht gesenkt werden, ohne dass dies weitreichende Folgen hat.
Weil die Personalkosten in solchen Unternehmen den grössten Teil der Auslagen ausmachen, können die Umsatzminderungen auch nicht durch den Einkauf von ebenfalls günstiger werdenden Rohstoffen oder Gütern im Ausland ausgeglichen werden (sogenanntes natürliches Hedging). Eine Möglichkeit, die etwa Handelsunternehmen stärker nutzen können.
Das Perfide an der jetzigen Situation sei, erklärt der Biotech-Spezialist, dass sie die Schweizer Wirtschaft genau dort treffe, wo ihre Stärken liegen: beim gut ausgebildeten Personal. «Natürlich wird die Schweiz als Standort so nicht attraktiver, unser Personal ist ja bereits jetzt sehr teuer.»
Gespart wird bei der Forschung
Thomas Hafen ist CEO eines solchen Unternehmens. Seine Firma Bühlmann Laboratories AG entwickelt und produziert hochspezialisierte Diagnostika. «Nachdem die Nationalbank die Euro-Untergrenze aufgehoben hat, mussten wir unsere Budgets in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überarbeiten.» Als erste Massnahme habe Bühlmann alle Preise in Schweizer Franken um 10 Prozent gesenkt, sagt Hafen. Die Folgen sind brutal: «Wir verlieren auf einen Schlag 15 Prozent der geplanten Einnahmen.»
Die forschenden KMU treffe es besonders hart, weil viele von ihnen ihre Forschungsausgaben kürzen und bereits geplante Projekte verschieben müssen. «Das kann sich später bitter rächen», sagt Hafen. Denn nur dank Forschung und Innovation seien Schweizer Unternehmen trotz höheren Preisen wettbewerbsfähig.
Ausgeprägter Durchhaltewillen
Eine der wenigen zuversichtlichen Stimmen aus der regionalen Wirtschaft ist Franz Saladin, Direktor der Handelskammer beider Basel (HKBB). Nachdem die Schweizerische Nationalbank die Euro-Untergrenze am 15. Januar aufgehoben hatte, verkündete die HKBB: «Unsere Region ist äusserst wettbewerbsfähig und steht dank ihrer hoch wertschöpfenden, auf Innovation beruhenden Branchenstruktur unter einem geringeren Kostendruck.»
Auf Nachfrage präzisiert Saladin, dass er damit primär die grossen Unternehmen wie Novartis, Roche und Syngenta gemeint habe, da diese die regionale Wirtschaft prägen. «Bei unserer Aussage lag der Fokus auf der Gesamtregion. Natürlich gibt es auch hier Unternehmen, die unter dem starken Franken leiden.» In zahlreichen Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern habe er jedoch einen ausgeprägten Durchhaltewillen gespürt.
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Auch die Wissenschaftler an den Schweizer Hochschulen müssen den Gürtel enger schnallen. Ihre Forschungsgelder aus der EU sind plötzlich weniger wert. Der Uni Basel entgehen durch Kursverluste fast sechs Millionen Franken, wie die «bz Basel» schreibt.