Eva Herzog: Eine Finanzdirektorin kämpft dafür, dem Nachbarn 80 Millionen geben zu dürfen

Während in Basel-Stadt gespart werden soll, will Eva Herzog eine Finanzspritze von 80 Millionen Franken für den Landkanton. Die Finanzdirektorin verteidigt den Deal hartnäckig. Der Betrag sei für Basel-Stadt verkraftbar, sagt sie und warnt die BDP davor, das Referendum dagegen zu ergreifen.

Die Basler SP-Regierungsrätin Eva Herzog ist zweifellos überzeugt vom Nutzen der 80 Millionen an den Kanton Basel-Landschaft.

(Bild: Keystone/Marcel Bieri)

Während in Basel-Stadt gespart werden soll, will Eva Herzog eine Finanzspritze von 80 Millionen Franken für den Landkanton. Die Finanzdirektorin verteidigt den Deal hartnäckig. Der Betrag sei für Basel-Stadt verkraftbar, sagt sie und warnt die BDP davor, das Referendum dagegen zu ergreifen.

Eva Herzog zeigt sich dieser Tage bester Laune. Die Basler Finanzdirektorin blickt dem grossen Showdown im Basler Parlament am 11. November zuversichtlich entgegen. Sie hat allen Grund dazu. Wenn Herzog an diesem Mittwochabend den Grossratssaal verlassen wird, dürfte sie dies höchstwahrscheinlich als Siegerin tun. Zwar weht ihr ein rauer Wind entgegen; sie und ihre Regierungskollegen werden viel Schelte einstecken müssen, aber der Grosse Rat wird dem umstrittenen 80-Millionen-Deal zustimmen. Wenn auch zähneknirschend und mit sehr viel Murren. 

Herzog vertritt den 80-Millionen-Deal derart leidenschaftlich wie kaum ein anderes Geschäft zuvor in ihrer Karriere. Nicht weil sie muss, sondern weil sie wirklich überzeugt ist vom Nutzen und der Notwendigkeit der Finanzspritze an den Kanton Basel-Landschaft.

An vorderster Front arbeitete die SP-Regierungsrätin am Verhandlungstisch mit dem Nachbarkanton diesen Deal aus. Dieser sieht vor, dass Basel-Stadt von 2016 bis 2019 jährlich 20 Millionen Franken an Baselland zahlt und damit dem finanziell gebeutelten Landkanton unter die Arme greift. Dies nicht aus reiner Grosszügigkeit: Im Gegenzug verpflichteten sich die Baselbieter unter anderem dazu, den Universitäts- und Kulturvertrag bis Ende 2019 nicht zu kündigen und sich in einer gemeinsamen Trägerschaft am Tropeninstitut (Swiss TPH) zu beteiligen, was ab 2017 einen jährlichen Beitrag von 3,6 Millionen Franken zur Folge hätte.

«Die finanzielle Situation hat sich verbessert. Wir haben das Paket verabschiedet und überlassen es nun dem Grossen Rat, was er mit den Massnahmen macht.»

Eva Herzog, Finanzdirektorin

Gross war das Erstaunen, als die beiden Regierungen am 23. Oktober die Vereinbarung bekannt gaben. Gross auch der Aufschrei in Basel-Stadt. Seither leisten Eva Herzog und ihre Regierungskollegen intensive Überzeugungsarbeit.

Vor neun Monaten hatte sich Eva Herzog noch nicht so ausgabefreudig gegeben. Damals sass sie mit ihren sechs Regierungskollegen im Vorzimmer des Grossratssaals und malte ein düsteres Bild der Basler Staatsfinanzen an die Wand. Konkret stellte sie ein Entlastungspaket vor, das jährliche Einsparungen von 69,5 Millionen Franken bringen soll. Gekürzt werden soll in allen Bereichen. So soll der Zolli 450’000 Franken weniger Subvention pro Jahr erhalten, die Skulpturhalle geschlossen werden und den Staatsangestellten die Dienstaltergeschenke gestrichen, dafür Beiträge an die Unfallversicherung aufgebürdet werden. 49 Stellen sollen insgesamt abgebaut werden.

Herzog begründete die Sparübung damals hauptsächlich mit hohen Steueraus­fällen, die der Kanton Basel-Stadt wegen der Unternehmenssteuerrefom II erwarten muss. Und damit, dass in den kommenden Jahren mit einem deutlichen strukturellen Defizit zu rechnen wäre, falls nicht rechtzeitig Massnahmen ergriffen würden.

Gewerkschaften fordern Verzicht auf Sparmassnahmen

Rund 2000 Staatsangestellte demonstrierten im April gegen die Sparmassnahmen der Regierung. Und nun die 80 Millionen für Baselland. Dass in Basel-Stadt gespart werden muss, aber Geld für den Nachbarkanton vorhanden ist, der seine Steuern nicht erhöhen und pompöse Strassen bauen will, löst Unbehagen aus.

Herzog kann die Kritik nachvollziehen: «Vor einem Jahr hatten wir die Befürchtung, in ein strukturelles Defizit zu geraten, und haben deshalb schnell reagiert und ein Entlastungspaket geschnürt. Wir wollten vorausschauend handeln, andere Kantone reagieren erst, wenn sie in ein Defizit geraten – wir vorher», sagt Herzog. Mittlerweile sehe es aber wieder besser aus. So schloss die Staatsrechnung 2014 mit einem Plus von 179,3 Millionen Franken ab und für 2016 budgetiert der Kanton Basel-Stadt einen Überschuss von 85,8 Millionen Franken.

Grund für das erwartete Plus im kommenden Jahr sind laut Herzog höhere Einnahmen der Einkommenssteuern bei den natürlichen Personen – und eine kontrollierte Ausgabenpolitik –, dazu zählt sie auch die beschlossenen Sparmassnahmen. Herzog bereut es nicht, dieses Entlastungspaket geschnürt zu haben, auch wenn dieses es ihr nun massiv erschwert, die 80 Millionen für Baselland zu rechtfertigen.

Das Parlament fühlt sich übergangen

So fordern der VPOD und der Basler Gewerkschaftsbund (BGB), auf die Sparübungen beim Staatspersonal zu verzichten. Dass sich Basel-Stadt die 80 Millionen für Baselland leisten könne, mache die geplanten Sparmassnahmen beim Kantonspersonal «somit noch unverständlicher», teilt der BGB mit. «Es kann nicht sein, dass Basel-Stadt Baselland 80 Millionen schenkt und im eigenen Kanton ein Sparpaket zulasten des Service Public schnürt.» Ähnlich äussert sich der VPOD. Es sei ein Affront für die Kantonsangestellten, dass man bei ihnen sparen wolle, während dem Nachbarkanton «aufgrund von Drohungen locker 80 Millionen Franken rübergeschoben werden».

Herzog lässt durchblicken, dass allfällige Korrekturen bei den Sparmassnahmen für sie verkraftbar wären: «Die finanzielle Situation hat sich verbessert. Wir haben das Paket verabschiedet und überlassen es nun dem Grossen Rat, was er mit den Massnahmen macht.» Es liege in der Kompetenz des Grossen Rats, einzugreifen, wenn er der Ansicht sei, die Situation habe sich verändert.

Vorsichtige Prognosen sind zu Herzogs Markenzeichen geworden, die Finanzdirektorin überrascht lieber mit Zahlen als von ihnen überrascht zu werden. Herzog würde sich also nicht derart weit aus dem Fenster lehnen, liesse der Füllstand der Staatskasse nicht einen gewissen Spielraum zu: «Die Prognosen sehen bis 2019 gut aus. Die 80 Millionen sind für Basel-Stadt verkraftbar, zumal die Alternative teurer und bedeutend schlechter wäre – mit langfristigen Folgen für die Region», sagt sie. Und nicht vergessen dürfe man, dass auch Baselland Verpflichtungen eingehe. «Es braucht nicht nur von der Baselbieter Regierung ein klares Bekenntnis zu den Institutionen, sondern auch vom Landrat», sagt sie. Ansonsten würden die 80 Millionen ins Wasser fallen.

«Sagen wir Ja, belohnen wir die Baselbieter für die schlechte Finanzpolitik.»

 
Heidi Mück, BastA!

Die Parteien bereiten sich derweil intensiv auf die Grossratsdebatte vom kommenden Mittwoch vor. Heidi Mück, Co-Präsidentin von BastA!, weiss noch nicht, wie sie stimmen wird. Im Moment tendiere sie eher zu einem Nein: «Sagen wir Ja, belohnen wir die Baselbieter für die schlechte Finanzpolitik.» Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass Basel-Stadt sparen müsse und Geld für Baselland vorhanden sei. Die Grossrätin fühlt sich von der Regierung erpresst. «Das Problem ist, dass wir nur Ja oder Nein sagen können, das ist undemokratisch und kommt schlecht an», so Mück.

Kritik äussert auch SVP-Grossrat Patrick Hafner. Der Präsident der Finanzkommission fühlt sich übergangen: Weil es sich beim Deal seines Erachtens um einen Staatsvertrag handelt, hätte seine Kommission gemäss Geschäftsordnung vorinformiert werden müssen. «Das Vorgehen der Regierung ist ein Affront gegenüber dem Parlament.» Einmal mehr werde dem Parlament ein wichtiger Beschluss nach dem Motto «Vogel friss oder stirb» vorgelegt. Der Grosse Rat werde mit dem Argument «Gefährdung der Uni» praktisch genötigt zuzustimmen.

Hafner wehrt sich gegen dieses, wie er es nennt, «Schwarzer-Peter-Spiel», zumal die Regierungen beider Kantone massgeblich verantwortlich seien für die aktuelle Situation. Hafner will sich nicht zum Baselbiet äussern, kritisiert aber das «Risikomanagement der Basler Regierung» hart. «Ich behalte mir vor, dem Ratschlag nicht zuzustimmen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich befürchte, dass die Situation in vier Jahren wieder gleich oder ähnlich aussehen wird.»

SVP will kein Referendum mehr

Auch wenn breite Skepsis vorhanden ist, der Deal wird im Grossen Rat wahrscheinlich durchkommen. Trotzdem wird er auf wackligem Fundament stehen, denn ein Referendum gegen die Finanzhilfe wird immer wahrscheinlicher.

Lauthals drohte die SVP Basel-Stadt nach Bekanntgabe der Finanzhilfe damit. Inzwischen ist in der Partei jedoch kein ernsthafter Wille dazu mehr erkennbar. Zu viel stehe auf dem Spiel, sagen diverse Parteimitglieder. Stattdessen will die BDP in die Bresche springen. Die Aussenseiterpartei, die bei den Nationalratswahlen die Hälfte ihres Wähleranteils verlor (neu nur noch 1,1 Prozent), sieht die umstrittene Vereinbarung als perfekte Gelegenheit zur Profilierung. «Kommt der Deal im Grossen Rat durch, werden wir ziemlich sicher das Referendum dagegen ergreifen», sagt BDP-Präsident Hubert Ackermann.

Zuerst wolle man aber das Gespräch mit der SVP für ein gemeinsames Referendum suchen. Mache die SVP nicht mit, sei es aber «sehr wahrscheinlich», dass die BDP allein mit dem Referendum komme. «Wir haben uns bereits erfolgreich gegen die Unterflurcontainer gewehrt. Und auch bei diesem Thema sind wir der Meinung, dass die Basler Bevölkerung darüber abstimmen sollte.»

Ackermann hält den Deal für eine «schlechte Lösung». Er misstraut der Baselbieter Finanzpolitik, die ab 2019 mit einem Überschuss zwischen 50 bis 90 Millionen Franken rechnet: «Es gibt keine Garantie dafür, dass es dem Kanton Basel-Landschaft in vier Jahren tatsächlich wieder finanziell besser geht und wir nicht wieder am gleichen Ort stehen.»

«Die 80 Millionen sind kein Geschenk für Baselland, sondern eine Investition für gemeinsame Institutionen.»

Eva Herzog, Finanzdirektorin

Herzog meint dazu: «Eine Garantie gibt es nie. Aber wir werden unser Bestes geben.» Das angekündigte Referendum der BDP kritisiert sie in aller Schärfe: «Die Exponenten müssen sich im Klaren sein, was für einen Schaden sie damit anrichten würden.» Der Druck auf die Baselbieter Regierung, den Uni- und den Kulturvertrag zu kündigen, würde dann massiv steigen. «Alles wäre dann im Eimer – und was wäre die Alternative?»

Die 80 Millionen sind nach Aussage von Herzog kein Geschenk an Baselland, sondern eine Investition für gemeinsame Institutionen. «Die, die dieses Referendum ergreifen, haben eine grosse Verantwortung und müssen sich gut überlegen, ob sie alles platzen lassen wollen.»

Mit Eva Herzog sollte man sich lieber nicht anlegen. Wer sie kennt, weiss das.

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Basel-Stadt will bis 2019 80 Millionen Franken an Baselland zahlen. Am 11. November wird die Vereinbarung im Grossen Rat behandelt. Wir widmen dem umstrittenen Deal unser Wochenthema.

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