Forscher fürchten: Die Uni wird ihr Renommee verlieren

Die Universität muss 44 Millionen Franken sparen. Kein Problem, finden die Bildungsdirektoren beider Basel, die Uni könne ihr Niveau trotz der Sparpläne halten. Doch Forscher aus den Life Sciences und der Philosophisch-Historischen Fakultät sehen das anders.

Exzellenz? Unabhängigkeit? (Bild: Nils Fisch)

Alles super bei der Universität Basel – diesen Eindruck hätte erhalten können, wer den Regierungen beider Basel zuhörte, als sie am Montag den neuen Leistungsauftrag für die Uni präsentierten. Sie muss zwar bis 2021
44 Millionen Franken sparen. Doch die Erziehungsdirektoren Conradin Cramer (LDP) und Monica Gschwind (FDP) beschwichtigten: «Es gibt deswegen keinen Leistungsabbau.»

Ganz anders sehen es die Forscher der Universität selber. Egal ob man bei den Sprachwissenschaftlern, bei den Chemikern oder den Biologen anruft: Sie machen sich Sorgen um das Renommee der Universität, sie fürchten einen Leistungsabbau. Ja, auch bei den Life Sciences, die Monica Gschwind nach eigenen Aussagen in Zukunft stärken will.

«Es braucht Jahrzehnte, um ein gutes Renommee aufzubauen, aber nur wenige Jahre, um es zu verlieren.»
Erich Nigg, Direktor Biozentrum

Erich Nigg, Direktor Biozentrum.

Erich Nigg ist Direktor des Biozentrums. Er findet es positiv, dass die Universität nun konkrete Zahlen bis zum Jahr 2021 hat. Wie die Sparmassnahmen bis dahin umgesetzt werden, müsse jetzt sorgfältig geprüft werden. Was die weitere Zukunft angeht, wünschte sich Nigg eine langfristige Planung über vier Jahre hinaus. «Eine Stop-and-go-Taktik ist für eine Universität nicht gut. Es braucht Jahrzehnte, um ein gutes Renomee aufzubauen, aber nur wenige Jahre, um es zu verlieren.»

Das Biozentrum hat diese Ausstrahlung, es beruft Spitzenforscher von ausgezeichneten amerikanischen Universitäten wie Harvard oder Columbia. Doch die Leuchttürme unter den Forschern sind schnell weg, sagt Nigg: «Und dann haben wir eine Uni, die ein bisschen weniger kostet, aber sehr viel weniger Ausstrahlung hat.»

Gretchenfrage: Wie viel Input für guten Output?

Es ist eine der Gretchenfragen jedes Staates, eine, die Ökonomen seit Jahrzehnten umtreibt – und ihre Geister scheidet: Wie viel Geld muss der Staat investieren, damit die Wirtschaft einen rechten Output generiert? Und wie fest kann man am Geldhahn drehen, bevor die Wirtschaft austrocknet? Nur: Die Universität ist nicht gleich Wirtschaft, sie ist etwas zwischen Staat und Wirtschaft. Wie nahe sie dem einen oder dem anderen sein soll, auch bei dieser Frage scheiden sich die Geister, zumindest in der Politik.

Wenn es nach der Baselbieter Bildungsdirektorin Gschwind geht, soll
die Universität näher zur Wirtschaft rücken: «Die Universität soll unabhängiger werden von den Kantonen, sie soll mehr Drittmittel generieren.»

Kann sie das?

Biozentrum-Direktor Erich Nigg sieht Grenzen. Die Universität Basel ist heute bereits Spitzenreiterin bei den Drittmitteln, keine andere Schweizer Universität bekommt mehr Gelder von externen Geldgebern wie Forschungsfonds, Stiftungen, Privaten. Das zeigen die Zahlen des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation, welche die UniBasel aufbereitet hat. «Es ist durchaus möglich, dass die Universität noch etwas zulegt», sagt Nigg, «doch ich bezweifle, dass sie die ganzen Sparmassnahmen durch Drittmittel kompensieren kann.»

Wer zahlt, will mitreden

Man muss aber auch die Frage stellen: Will man überhaupt, dass Private die Uni finanzieren?

Einer, der diese Frage stellt, ist Georg Funk, physikalischer Chemiker am Kompetenzzentrum für Computerwissenschaften. «Die Gesellschaft sollte sich vielleicht einmal fragen, ob sie zweckfreie Forschung oder, plakativ gesagt, «Produktentwicklung» wünscht.» In der Wissenschaft gilt wie überall: Wer zahlt, will auch mitreden.  Private, die in Forschung investieren, haben in der Regel ein Ziel; sie wollen ein Medikament, eine Technologie auf den Markt bringen und daran verdienen. Je mehr Drittmittel man einholt, desto mehr kommt deshalb die Grundlagenforschung unter Druck. Also die Forschung, die um des Wissens willen forscht, ohne Hintergedanken.

«Man darf die Grundlagenforschung und die Auftragsforschung nicht vermischen, sonst gefährdet man die Spitzenstellung der Universität.»
Thomas Meier, CEO Santhera Pharmaceuticals

Dieses Risiko sehen auch Forscher, die selber Produkte für den Markt entwickeln, etwa Thomas Meier, CEO der Santhera Pharmaceuticals Holding in Liestal. Meier hat einst an der Universität Basel habilitiert und war Forschungsgruppenleiter am Biozentrum. Bis er, als erster Forscher am Biozentrum, ein Start-up mit dem Namen MyContract gründete. 2004 entstand daraus das Pharmaunternehmen Santhera, das Medikamente gegen neuromuskuläre und mitochondriale Erkrankungen entwickelt und vermarktet.

Ohne Grundlagenforschung keine Innovation

Thomas Meier, CEO Santhera Pharmaceuticals.

Obwohl Meier heute selber in die Privatwirtschaft forscht, sagt er: «Man darf die Grundlagenforschung und die Auftragsforschung nicht vermischen, sonst gefährdet man die Spitzenstellung der Universität.» Das ist seine persönliche Sicht. Dafür hat er mehrere Gründe: Mit der Grundlagenforschung holt man Spitzenwissenschaftler. Die grösste Währung sind die Publikationen in anerkannten Journals und die Einladungen an Kongresse. Doch bei Auftragsforschungen dürfen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse oft nicht publizieren, da die Auftraggeber sie geheimhalten möchten. Die Forscher können sich keinen Namen machen.

«Weniger Geld heisst mehr Arbeit für weniger Personal heisst weniger Zeit für die Drittmittelakquisition.»
Thomas Grob, Dekan Phil.-Hist. Fakultät

Kommt hinzu: Ohne Grundlagenforschung entstehen häufig gar keine Spin-offs wie das von Meier. «Wenn man frei forschen kann, kommt man besser auf innovative Ideen», sagt er. Das bringt der Wirtschaft durchaus etwas: Diese Spin-offs ziehen nämlich wiederum zahlungskräftige Firmen an, die Interesse an deren Erkenntnissen und Technologien haben. Zwar investieren sie dann vielleicht in die Start-ups und nicht in die Universität, stärken aber dennoch den Forschungs- und Wirtschaftsstandort. So dient die Universität indirekt als Wirtschaftsmotor, «doch staatliche Finanzierung ist dafür unverzichtbar», sagt Meier.

Geisteswissenschaften werden bluten

So viel zu den Life Sciences. Was aber ist mit Fächern wie Philosophie oder Kunstgeschichte? Sie drohen als erste unter die Räder zu kommen, wie unsere Analyse aufzeigt.

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Thomas Grob, Dekan der Historisch-Philosophischen Fakultät.

Thomas Grob ist Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät und Leiter des Fachbereichs Slavistik. Auch er macht sich Sorgen. «Wir haben jetzt schon ein enges Budget», sagt er. Weniger Geld heisse mehr Administrationsarbeit für weniger Professuren und Assistenten. «So bleibt weniger Zeit für andere Aufgaben, etwa die, Drittmittel zu generieren.»

Dabei hat auch die Philosophisch-Historische Fakultät bereits einen hohen Anteil an Drittmitteln. Gemäss Geschäftsführer Roberto Lazzari machten sie im Jahr 2014 42 Prozent des Gesamtbudgets* aus – das ist im Verhältnis etwa gleich viel wie in Bern (39 Prozent) und deutlich mehr als in Zürich (21 Prozent). Hauptquelle für Drittmittel ist für viele Fakultäten der Schweizerische Nationalfonds.

* Inklusive Fakultät für Psychologie (in Zürich und Bern sind die Fakultäten vereint).

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