Hollande zieht dem AKW Fessenheim nicht wie versprochen den Stecker

Frankreichs ältestes AKW im elsässischen Fessenheim wird nicht vor 2018 schliessen, teilt die Regierung in Paris mit. Und nicht einmal dieses Datum ist sicher: Die Amtszeit von François Hollande endet dann.

Ein Störfall befeuerte die Diskussion um die Schliessung des AKW Fessenheim.

(Bild: Stefan Bohrer)

Frankreichs ältestes AKW im elsässischen Fessenheim wird nicht vor 2018 schliessen, teilt die Regierung in Paris mit. Und nicht einmal dieses Datum ist sicher: Die Amtszeit von François Hollande endet dann.

Die französische Umweltministerin Ségolène Royal bestätigte am Dienstag, was bisher erst eine Vermutung war: Das umstrittene Atomkraftwerk Fessenheim, das älteste seiner Generation, wird nicht vor 2017 vom Netz genommen. Staatspräsident François Hollande hatte im letzten Präsidentschaftswahlkampf aber genau dies versprochen. 

Noch während seiner Amtszeit, die bis Mai 2017 läuft, werde dem AKW der Stecker gezogen, versprach Hollande. Nach den Wahlen 2017 könnte es nun so kommen, dass der Sozialist möglicherweise nicht mehr im Amt ist, während das AKW am Netz bleibt, denn sein Nachfolger ist nicht an das Wahlversprechen gebunden.

Das Schicksal von Fessenheim ist kein politischer Entscheid mehr – aber eng mit dem Bau des neuartigen Druckwasserreaktors EPR in Flamanville (Normandie) verknüpft. Das im Sommer verabschiedete Energiegesetz Frankreichs sieht für den AKW-Park eine künftige Produktionskapazität von maximal 63,2 Gigawatt vor. Das ist etwa gleich viel, wie Frankreich heute an Atomstrom produziert. Electricité de France (EDF) wird dadurch gezwungen, ältere Reaktoren im gleichen Umfang stillzulegen, wie sie den EPR oder andere neue Atommeiler ans Netz schliesst.

Fessenheim hat eine Kapazität von 1,8 Gigawatt, Flamanville von 1,6 Gigawatt. «Das bedeutet, dass Fessenheim seinen Betrieb einstellen muss, wenn Flamanville beginnt», folgerte Royal bei einem Besuch in der elsässischen Hauptstadt Strassburg. Und da der EPR Flamanville 2018 in Aktion trete, werde Fessenheim dann abgestellt werden müssen.

Pionierprojekt Flamanville hat «schwerwiegende» Probleme mit der Reaktorhülle

Die Klarstellung erfolgt nach einem neuen Rückschlag der französischen Atomindustrie. Der Bau des EPR verzögert sich nach Meldungen der letzten Woche immer weiter. Dieser Atomreaktor der dritten Generation soll nicht nur rentabler, sondern auch sicherer werden als die derzeit verwendeten Atommeiler rund um den Planeten. Doch das Pionierprojekt Flamanville – die derzeit grösste zivile Baustelle Europas – stösst auf «sehr schwerwiegende» Probleme mit der Abdichtung der Reaktorhülle, wie die französische Atomsicherheit ASN eruiert hat.

EDF-Chef Jean-Bernard Lévy musste deshalb vergangene Woche seine eigenen früher gemachten Prognosen revidieren. Er sagte, die Inbetriebnahme des EPR könne erst Ende 2018 erfolgen. Auch die anfangs auf 3,3 Milliarden Euro geschätzten Baukosten schnellen damit in die Höhe: Laut Lévy erreichen sie 10,5 Milliarden. Diese Kalamität gesellt sich zum Vorjahresverlust von 4,8 Milliarden Euro des französischen Atomkonzerns Areva. Der einstige Weltmarktführer wird nun in seine Bestandteile zerlegt und zum Teil in seinen Kunden EDF integriert. Das ist eine Spätfolge des AKW-Unglücks in Fukushima, das auf Arevas Geschäft drückt.

EDF droht mit Ersatzforderungen von fünf Milliarden für Fessenheim

Das neue Energiegesetz, das die Pariser Nationalversammlung im Sommer verabschiedet hat, senkt den Anteil des Atomstroms langfristig von derzeit 75 auf 50 Prozent des nationalen Elektrizitätsbedarfs. Dazu wurde für die Atomstromproduktion die Obergrenze von 63,2 Gigawatt festgelegt. Nur deshalb dürfte Fessenheim überhaupt geschlossen werden – wenn der EPR einmal betriebsfähig sein sollte. Neue Bauverzögerungen sind aber keineswegs ausgeschlossen.

Hollandes politisches Wahlversprechen, Fessenheim vor Ende seiner Amtszeit stillzulegen, scheint durch Royals Ankündigung von Dienstag endgültig ad acta gelegt worden zu sein. Das zeigt auch ihre Bemerkung, das in einer Erdbebenzone liegende AKW «müsse» beim Anlaufen des EPR unweigerlich abgestellt werden. Von einem politischen Willen, das 40 Kilometer von Basel entfernte Rhein-AKW Fessenheim zu schliessen, ist in der französischen Regierung nichts mehr zu spüren. Dazu tragen wohl auch Drohungen der EDF bei, sie könnte für die Schliessung des 1977 aufgestarteten Doppelreaktors vom französischen Staat fünf Milliarden Euro Entschädigung verlangen.

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Verbunden mit der Zukunft des AKW ist auch jene der Gemeinde: Eine Reportage aus Fessenheim – dem Dorf an der Nabelschnur des AKW.

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