Die lokalen Wirtschaftsverbände schweigen beharrlich zur Durchsetzungsinitiative. Das zeigt angesichts der aggressiven Vorlage einen weiteren Graben: den zwischen KMU-Vertretern und Grossunternehmen.
Zuerst war es Hans-Ulrich Bigler, der alle vor den Kopf stiess. Er sei für die Durchsetzungsinitiative, sagte er Ende Jahr. Und brüskierte damit als Direktor des nationalen Gewerbeverbandes und frischgebackener Nationalrat die Wirtschaftskräfte seiner Partei.
Denn eigentlich stellt sich seine FDP gegen die Initiative, die äusserst radikale Ausschaffungsregeln fordert. Wie die anderen bürgerlichen Parteien auch. Nur die SVP kämpft für die Annahme.
Doch Biglers Ausscheren war sinnbildlich für die innere Zerrissenheit des Freisinns und vor allem der Wirtschaft. Offiziell sind die Stellungen der Parteien zwar bezogen. Aber bereits die Verbände tun sich schwer, sich überhaupt für eine Seite zu entscheiden.
KMU erachten Vorlage als «nicht relevant»
Dabei hätten die Direktoren und Vorstände Anlass genug, für ein Nein zu kämpfen. Economiesuisse bezeichnet die Vorlage als wirtschaftsfeindlich. Die Initiative schade dem Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort mit hoher Rechtssicherheit. Dieser Argumentation folgt auch Thomas Cueni, Geschäftsführer von Interpharma.
In der Nordwestschweiz bezieht nur die Handelskammer beider Basel eine klare Position. Die Handelskammer vertritt unter anderem die Interessen von Grossunternehmen und Konzernen:
Die Initiative hat zur Folge, dass Tat und Strafe in keinem Verhältnis mehr zueinander stehen. Das wird nicht nur kriminelle Ausländer, sondern längerfristig auch Unternehmen und Fachkräfte abschrecken, die sich absolut korrekt verhalten.
Und der Rest? Schweigt eisern. Weder die Gewerbeverbände der beiden Basel noch der Arbeitgeberverband wollen sich äussern. «Unser Vorstand erachtet den Bezug der Vorlage zum Werkplatz Basel als nicht ausreichend stark genug», sagt Barbara Gutzwiller, Direktorin des Arbeitgeberverbands. Der Verband teilte seine Parolen am Donnerstag mit.
Auch die anderen KMU-Vertreter der Region halten still. Der Basler Gewerbeverband beschloss, auf eine Parole zu verzichten. Die Baselbieter Wirtschaftskammer ebenso. Wirtschaftskammer-Sprecher Daniel Schindler argumentiert ähnlich wie die Arbeitgeber: «Unser Wirtschaftsrat erachtete die Initiative als nicht relevant für die KMU, deshalb fasste er keine Parole.»
Übersicht Parolen regionaler Wirtschaftsverbände:
- Handelskammer beider Basel: Nein.
- Wirtschaftskammer BL: Keine Parole.
- Gewerbeverband BS: Keine Parole.
- Arbeitgeberverband BS: Keine Parole.
Übersetzt heisst das: Die Durchsetzungsinitiative geht uns nichts an. Ausgerechnet bei dieser für die Wirtschaft relevanten Vorlage halten sich jene Verbände zurück, die für die Wirtschaftsinteressen des Standorts Schweiz einstehen sollen. Ausgerechnet jene Verbände auch, in denen die FDP nach wie vor die Schlüsselpositionen dominiert.
Schweigen braucht keine Argumente
Damit manifestiert sich ein weiterer Graben im Abstimmungskampf. Der Graben zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und den Vertretern von Grossunternehmen und Konzernen.
Gerade die Nicht-Positionierung des KMU-Gewerbes erhöht damit die Chancen für die Vorlage weiter. Schliesslich bilden laut Bundesamt für Statistik die KMU mehr als 99 Prozent der Schweizer Unternehmen und stellen insgesamt rund zwei Drittel der Arbeitsplätze.
Die letzte repräsentative Umfrage zur Durchsetzungsinitiative im November ergab: 66 Prozent der Befragten würden Ja stimmen. Mit dem Verzicht auf die Parolenfassung und damit auf eine klare Positionierung der KMU-Verbände bleibt dieser Teil der organisierten Schweizer Wirtschaft der Diskussion um die aggressivste Vorlage des Jahres nun offiziell fern.