Die «Neue Bodeninitiative» erhöht die Mietpreise und vertreibt Investoren, befürchten die Gegner. Sie empfehlen, die Initiative am 28. Februar abzulehnen.
Zuerst erscheint sein Kopf, dann der ganze Körper in Anzug und Krawatte, Grossrat Conradin Cramer (LDP) ist ausser Atem, als er endlich den obersten Treppentritt des Warteckturms erreicht hat. Auch Martina Bernasconi (GLP) und Andreas Zappalà (FDP) haben den Aufstieg auf sich genommen.
Der Kraftakt lohnt sich: Die Sonne scheint, der Rhein glitzert und in alle Himmelsrichtungen erstreckt sich die schöne Stadt. Doch etwas sucht das Auge fast vergebens: Grünflächen. Wer in Basel Ausschau hält nach einer Wiese für sein neues Häuschen oder Türmchen, kann lange suchen. Es gibt nämlich kaum mehr Brachen.
Alle streiten sich ums knappe Land
Kein Wunder herrscht in Basel ein andauernder Kampf um die so genannten Entwicklungsgebiete, also Land, auf denen zwar bereits Gebäude stehen, die man aber abreissen und dafür neue hinstellen kann. Zum Beispiel das Hafenareal am Klybeckquai oder das Lysbüchelareal – das Gewerbe will sie, Investoren wollen sie und Stiftungen für den sozialen Wohnungsbau wollen sie.
Und um diesen Kampf geht es auch bei der «Neuen Bodeninitiative», über die Basel am 28. Februar abstimmt. Und damit sind wir beim Sinn des Treffens im Turmstübli des Werkraums Warteck: Die Gegner der Bodeninitiative haben am 18. Januar hier ihre Argumente präsentiert, während die Damen und der Herr vom Gewerbeverband Kaffee und Gipfeli verteilten.
Land behalten statt verkaufen
Sie stellen sich gegen das Komitee aus mehrheitlich linken Politikern, Architekten, Mieterverbänden und der Stiftung Habitat. Diese fordern, dass der Kanton in Zukunft Land nicht mehr verkauft, sondern im Baurecht abgibt. Das knappe Land sei zu wertvoll, um es einfach aus der Hand zu geben, argumentieren sie.
Doch laut den Gegnern aus FDP, LDP, GLP, SVP und CVP handelt es sich bei der Forderung um «Zwängerei», sagt Andreas Zappalà, Fraktionspräsident der FDP und Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands Basel. Denn sie wärme einen alten Vorschlag wieder auf: Die Initiative entspricht haargenau einem regierungsrätlichen Gegenvorschlag zur alten Bodeninitiative aus dem Jahr 2013. Sowohl die alte Bodeninitiative wie der Regierungsvorschlag waren im Grossen Rat gescheitert.
Das habe durchaus seine Gründe gehabt, argumentieren die Gegner nun. Denn die Initiative sei «handwerklich nicht nur schlecht gemacht», wie Conradin Cramer sagt, sondern auch unnötig. Ausserdem schade sich der Kanton selber, wenn er Land horte.
Die Gegen-Argumente auf einen Blick
Die wichtigsten Argumente der Gegner lassen sich wie folgt zusammenfassen:
> die Initiative führe verschleierte Subventionen ein. Die Befürworter versprechen sich, dass der Kanton günstiges Land im Baurecht an Genossenschaften abgeben wird, welche erschwingliche Wohnungen bauen. Doch Martina Bernasconi kritisiert: «Dafür braucht der Kanton diese Initiative nicht.» Tatsächlich steht der Kanton seit dem 1. Juli 2014 in der Pflicht, günstige Wohnungen zu fördern, dann ist das Wohnraumfördergesetz in Kraft getreten. Und darin steht, dass der Kanton gemeinnützigen Organisationen Land im Baurecht zu vergünstigten Konditionen abgeben kann. Bernasconi folgert: «Wenn das Volk die Initiative annimmt, muss der Kanton gemeinnützige Organisationen doppelt subventionieren.»
> die Initiative erreiche das Ziel, Wohnbau zu schützen, nicht. Die Initiative würden den Kanton verpflichten, für jedes Stück Land, das er verkauft, ein gleich grosses Stück Land dazuzukaufen. Entscheidend für den Ersatz ist allerdings nur, dass es sich im gleichen Gebiet wie das verkaufte Land befindet. Laut Conradin Cramer ist diese geografische Unterscheidung allerdings unsinnig, denn ob es sich dabei um Wohngebiet oder Gewerbegebiet handle, spiele keine Rolle. Laut Cramer könnte der Kanton deshalb Land mit Wohnbauten verkaufen und durch weniger wertvolle Gewerbezone ersetzen. «Die Initianten bewahren so zwar die Quantität, aber nicht die Qualität des Landbesitzes», sagt Cramer.
> die Initiative zwinge den Kanton zu einer rollenden Planung in der Bodenpolitik. Im Initiativtext steht, dass der Kanton nur dann Land verkaufen darf, wenn die «Nettoveränderung von vergleichbaren Immobilien jeweils über 5 Jahre ausgeglichen oder positiv ist». Laut Cramer bedeutet das für den Kanton, dass er sich auch bei jedem grösseren Landankauf in eine Zwickmühle bringt. Denn wenn der Kanton ein grösseres Stück Land erwirbt, steigt dadurch sein Besitz. Gemäss der neuen Regelung müsste er fünf Jahre nach dem Landkauf genau so viel Land besitzen wie nach dem Ankauf. Neu erworbene grosse Gebiete könne er also faktisch gar nicht mehr verkaufen.
> die Initiative nähre den Boden für Spekulation und erhöhe die Mietpreise. Die Initianten wollen, dass die Regierung eine «aktive Bodenpolitik betreibt und den Erwerb von Immobilien fördert». Laut Michel Molinari vom Verband Immobilienwirtschaft Basel (SVIT) zwingt das den Kanton, andere Investoren auszubooten. Dafür müsse er bereit sein, den höchsten Preis für Land zu zahlen. «Das hat zur Folge, dass die Preise auf dem Markt steigen», sagt Molinari. Als Folge würden auch die Mieten in Basel-Stadt steigen.
> die Initiative vertreibe wichtige Firmen. Mit Annahme der Initiative dürfte der Kanton Land nur noch im Baurecht abgeben. Die Firma hätte dann zwar das Recht, auf dem Land zu bauen und es zu nutzen. Doch nach 50 bis 100 Jahren endet der Vertrag und muss neu verhandelt werden. Laut Martina Bernasconi würden sich Firmen wie Novartis dann drei Mal überlegen, ob sie in Basel investieren wollten. «Wenn man Millionen Franken investiert, braucht man Planungssicherheit», sagt Bernasconi.
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Mehr zum Thema: Die Befürworter der Initiative haben ihre Argumente bereits am 3. Dezember 2015 präsentiert, eine Übersicht finden Sie hier.