Gut fürs Portemonnaie, gut für Gewerbe und Arbeit – und gut für die Umwelt: Die Befürworter werben mit leichten Übertreibungen und einem mageren Prospekt für ein Ja zur Energiestrategie. Wir haben die Argumente auf ihren Wahrheitsgehalt getestet.
«Geld bleibt hier – Einheimische Energie nutzen statt teuer importieren»: Unter diesem Titel wirbt das Komitee Energiestrategie Ja für die Zustimmung zur Vorlage, über die wir am 21. Mai abstimmen.
Seine Argumente sandte das befürwortende Komitee in einem vierseitigen Faltprospekt an die Haushalte in der Schweiz. Umfangmässig unterscheidet sich diese Botschaft deutlich von der zwei Wochen früher versandten zwölfseitigen Abstimmungs-Zeitung des Überparteilichen Komitees gegen das Energiegesetz c/o SVP Schweiz.
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Nachdem die TagesWoche am 19. April die sechs wichtigsten Argumente der Gegnerinnen und Gegner einer Informationskontrolle unterzogen hat, nehmen wir hier die Argumente der Befürworterinnen und Befürworter nach dem gleichen Raster unter die Lupe. Weil die Propaganda des Ja-Komitees sparsamer und damit auch inhaltsärmer ausfällt, ist dieser Faktencheck kürzer:
1. Bleibt Geld hier?
Mit dem Titel «Geld bleibt hier» stellen die Befürworter analog zu den Gegnern die finanziellen Folgen in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. Fest steht: Die neue Energiestrategie setzt sich die Ziele, den Energieverbrauch im Inland zu senken und den Energiebedarf vermehrt mit erneuerbarer Energie zu decken.
Damit steigt der Anteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Inland an der inländischen Energieversorgung. Zum Beispiel, indem mehr Gebäude saniert oder im Inland mehr Solaranlagen installiert werden. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Wertschöpfung im Ausland ab, weil weniger im Ausland gefördertes Erdöl und Erdgas importiert werden muss.
Die Behauptung «Geld bleibt hier» ist also tendenziell richtig, nicht aber absolut. Denn ein Teil der Wertschöpfung – von der Förderung des verbleibenden Öl- und Gasbedarfs bis hin zur Produktion von Solarpanels – bleibt im Ausland.
2. Gut fürs Portemonnaie?
Unter dem Untertitel «Gut fürs Portemonnaie» argumentiert das Ja-Komitee, die neue Strategie bringe Einsparungen «beim Heizen», «beim Tanken» und beim Stromkonsum «im Haushalt».
Richtig ist: Der Verbrauch von Heizenergie, Treibstoff und Strom pro Kopf wird sinken, wenn die Schweiz die im revidierten Energiegesetz enthaltenen «Richtwerte» pro Person zur Senkung des Energie- und Stromverbrauchs umsetzt. Unsicher ist hingegen, ob wir für unsere Energieversorgung tatsächlich weniger bezahlen. Das hängt davon ab, wie sich die Preise von importierter Energie entwickeln. Und wie rentabel die Mittel zur Steigerung der Energieeffizienz sowie zur vermehrten Nutzung von erneuerbarer einheimischer Energie sind.
Wären alle Massnahmen fraglos rentabel, müssten wir Gebäudesanierungen oder erneuerbare Energie nicht stärker quersubventionieren, wie dies das revidierte Energiegesetz zumindest vorübergehend vorsieht. Bei einem langfristigen Preiszerfall auf dem globalen Energiemarkt kann Import von Energie trotz tieferem Konsum billiger sein als die Nutzung von einheimischer Energie. Umgekehrt verhält es sich, wenn die globalen Energiepreise stark steigen. Ob die Behauptung «Gut fürs Portemonnaie» sich bei einem Ja oder bei einem Nein zur Energiestrategie eher erfüllt, bleibt damit offen.
3. Gut für Gewerbe und Arbeit?
Unter dem Untertitel «Gut für Gewerbe und Arbeitsplätze» schreibt das Ja-Komitee, energetische Gebäudesanierungen sowie die Förderung von einheimischer erneuerbarer Energie bringe mehr Arbeit und Wertschöpfung im Inland.
Das stimmt zumindest teilweise. Von der – teils subventionierten – zusätzlichen Arbeit profitieren primär das Bau- und Installationsgewerbe sowie die sogenannte «Cleantech-Branche». Andere Branchen, die ihren Umsatz mit Energieverschwendung erhöhen (etwa die Ölproduzenten, Heizölhändlerinnen, Tankstellenbetreiber etc.), haben hingegen weniger zu tun.
Unter dem Strich dürfte neben mehr Geld auch mehr Arbeit im Inland bleiben. Ob es «gut» ist, wenn das Land mit der weltweit höchsten Beschäftigungsquote und überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten mehr Arbeit an sich rafft, ist eine andere Frage.
4. Weniger Öl und Atomenergie?
Unter dem Untertitel «Weg vom Erdöl und Atom» erklären die Urheber der Ja-Kampagne, der sparsamere Umgang mit Energie und die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie diene als «Ersatz von Öl, Gas und Atom» und «sichert den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie».
Die erste Aussage stimmt. Die zweite ist fragwürdig. Denn der «Ausstieg aus der Atomenergie» verläuft – sowohl nach einem Ja als auch einem Nein am 21. Mai – nicht geordnet. So lässt die Gesetzesvorlage offen, wann welches Atomkraftwerk in der Schweiz stillgelegt wird. Es gibt dafür weder Fristen noch eine Abschaltplanung.
Ebenso offen ist, wieweit die Steigerung der Energieeffizienz und die vermehrte Nutzung von erneuerbarer Energie den ungeordnet wegfallenden Atomstrom ersetzen können. Vor allem im Winter dürfte der Ersatz schwer fallen, falls die Nutzung von Strom in den Bereichen Wärmeerzeugung (Wärmepumpen) und Mobilität (Elektroantrieb von grossen automobilen Verpackungen mit kleinem Transportinhalt) voran getrieben wird.
5. Gut, weil breit unterstützt?
In seinem Faltblatt wirbt das Ja-Komitee mit Personen und Institutionen, die die Gesetzesvorlage unterstützen. Aufgelistet werden von der FDP über die SP bis zu den Grünen
- alle Parteien, welche die Ja-Parole herausgaben,
- 150 Parlamentarier (die Parlamentarierinnen sind offenbar mitgemeint), die der Vorlage zustimmten,
- viele zustimmende Verbände aus Umwelt und Wirtschaft sowie kantonale und kommunale Behörden.
Diese Auflistung ist nicht vollständig, aber richtig. Nur: Breite Unterstützung bietet nicht unbedingt Gewähr für hohe Qualität.
Fazit
Der Faltprospekt, mit dem das Komitee Energiestrategie Ja wirbt, enthält ebenso zutreffende wie banale Aussagen, einige Übertreibungen sowie einige positive Bewertungen, die man auch negativ deuten kann. Im Unterschied zur umfangreicheren Abstimmungszeitung des Gegenkomitees hat der Schreibende im mageren Prospekt des Ja-Komitees keine eindeutigen Falsch-Informationen gefunden.
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