Das hat es seit 2003 nicht gegeben: Der FC Basel gewinnt auch sein neuntes Spiel in Serie und beendet das erste Saisonviertel mit makelloser Bilanz. Matias Delgado, Roy Gelmi mit einem umstrittenen Eigentor und Seydou Doumbia mit einem Foulpenalty erzielen die Basler Tore beim 3:1-Sieg in St. Gallen.
Des Captains Dank an Mohamed Elyounoussi: Matias Delgado (rechts), Schütze des Ausgleichs in St. Gallen, weiss, dass der Norweger den Weg zum Tor erst geschickt frei gemacht hat.
(Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)Da bleibt Eder Balanta nur das Staunen: Marco Aratore schaltet nach einem Lattenabpraller schnell und köpfelt zur St. Galler Führung ein.
(Bild: Marc Schumacher/freshfocus)St. Gallens Trainer Joe Zinnbauer freut sich über die Führung seines Teams – allerdings nur knapp zehn Minuten lang.
(Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)Textiltest: Yanis Tafer reisst Michael Lang um – Freistoss.
(Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)Streitfall 2:1: Der eingefrorene Moment nach dem verunglückten Schuss von Davide Callà (links) sieht fast so aus, als ob Sexdou Doumbia den Ball spielt. Tat er jedoch nicht. Links neben ihm Roy Gelmi, dem hier ein Eigentor unterläuft.
(Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)Streitfall 2:1 – auch aus dieser Perspektive lässt sich trefflich darüber streiten, ob sich Seydou Doumbia in einer – wie es in der Schiedsrichtersprache heisst – strafbaren Abseitsposition befindet.
(Bild: Marc Schumacher/freshfocus)Der Schlusspunkt unter das Spiel: Seydou Doumbia verwandelt in der 90. Minute einen an Renato Steffen verursachten Foulpenalty sich zum 3:1 für den FCB, der damit seinen eigenen Startrekord aus dem Jahr 2003 einstellt. Neun Spiele, neun Siege.
(Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)» Die Bilanz des FC Basel in den ersten Saisonvierteln seit 2003
Als die 75. Minute angebrochen und in der Sankt Galler Arena die grosse Aufregung ausgebrochen war, hätte man sich umgehend den Videobeweis gewünscht. Kaum zu glauben, dass man diesen Satz einmal schreiben würde. Aber der unmittelbare Aufklärungsversuch umstrittener Situationen im Fussball mittels bewegter Bilder steckt noch in den Kinderschuhen, wird in den Niederlanden mit Fifa-Segen gerade im Cup-Wettbewerb auf Tauglichkeit getestet, und so musste sich Schiedsrichter Stephan Klossner lediglich auf seinen Assistenten an der Seitenlinie gestützt zur Beratung zurückziehen.
Was war passiert? Taulant Xhaka hatte das gemacht, was der FCB jüngst wiederholt praktiziert hat: Einen Freistoss rasch und unerwartet ausgeführt; hier in den Lauf von Davide Callà. Er, schon im April einer Hauptprotagonisten des 7:0-Rekordauswärtssiegs des FCB an selber Stelle, kam frei vor Daniel Lopar zum Abschluss, schoss eigentlich gar nicht gut, traf aber das Schienbein von St. Gallens Verteidiger Roy Gelmi. Eigentor, 2:1-Führung für den FCB.
Streitfall Doumbia: Aktiv oder passiv im Abseits?
Die strittige Szene: Callà (rechts) zieht ab, Doumbia (links) steht in Abseitsposition, rechts neben ihm Gelmi, der Callàs Schuss ins eigene Tor ablenkt. (Bild: Screenshot Teleclub)
Dachten die Basler, mussten sich bis zur endgültigen Urteilsfindung jedoch gedulden. Denn draussen an der Linie hatte Linienrichter Jan Köbeli die Fahne oben und signalisierte eine Abseitsstellung von Seydou Doumbia. Die Sekunden, ja Minuten verrannen, es gab eine Rudelbildung an der Seitenlinie – und dann deutete Klossner zur Mitte, und die Basler durften jubeln. Offenbar hatte der Referee mit gutem Blick auf die Szene Doumbia im passiven Abseits gesehen und seinen Linienrichter überstimmt.
Bei der Aufklärungsarbeit holte der «Teleclub» die Lupe hervor und wollte einen Schnürsenkel Doumbias am Ball gesehen haben. Bei der Aufarbeitung des Spiels waren die beiden Trainer – nach einer ersten Konsultation der TV-Bilder – unterschiedlicher Meinung. «Doumbia berührt den Ball nicht, und man kann die Situation diskutieren», sagte Urs Fischer aus Basler Perspektive, «der Schiedsrichter muss entscheiden und er kann aus meiner Sicht so entscheiden.»
» Strafbares Abseits oder nicht? Am Ende eine Auslegungssache. Was sagt das Regelwerk?
» Und das sagt Schiedsrichter Klossner zu seiner Entscheidung – zum SRF-Video
Für Joe Zinnbauer liegt der Fall anders: «Für mich greift Doumbia klar aktiv ein.» Der St. Galler Trainer wollte aber nicht zu hart mit den Unparteiischen ins Gericht gehen, denen keine bewegten Bilder und Wiederholungen zur Beurteilung zur Verfügung stehen: «Man muss den Schiedsrichter in Schutz nehmen.»
Wer recht hat, darüber lässt sich trefflich streiten. Im Zweifel für den Angreifer, heisst es so schön im Fussball.
Das Gegentor: Eine Verkettung von Unzulänglichkeiten
Der strittige Moment, daran besteht auch kein Zweifel, gab dem Spiel die entscheidende Richtung. Bis dahin hatten zwei Mannschaften wie beim Armdrücken um die Hoheit auf dem Feld gerungen. Der FC St. Gallen immer wieder mit hohen, weiten Bällen, von denen einer in der 14. Minute zum 1:0 geführt hatte.
Marek Suchy sah bei der Kopfballverlängerung von Albert Bunjaku nicht gut aus, Eder Balanta nicht gut gegen den Ex-Basler Roman Buess. Tomas Vaclik machte beim Herauslaufen auch keine gute Figur, und den Heber von Buess, der von der Querlatte zurückprallte, konnte Marco Aratore, ein weiterer ehemaliger Rotblauer in Reihen der Ostschweizer, ungehindert einköpfen, weil Adama Traoré bereits abgeschaltet hatte.
Das siebte Gegentor dieser Saison war eine hübsche Verkettung von Unzulänglichkeiten, verunsicherte insbesondere Vaclik, der Nzuzi Toko anschoss und in der 22. Minute beinahe selbst das 2:0 produziert hätte.
Sporar wieder mit idealem Pass zum Ausgleichstor
Der FCB fing sich aber rasch und brauchte mit seiner umgestellten Offensivformation keine zehn Minuten, um den Ausgleich zu erzielen. Callàs langer Ball in den Lauf von Andraz Sporar war prima, klasse war, wie Sporar erst Wittwer überlief und dann den Blick für den idealen Rückpass hatte. Das war fast eine Kopie seiner Torvorbereitung am Mittwoch in Lausanne.
Im Zentrum hatte Mohamed Elyounoussi seine bis dahin beste Szene, weil er nicht zum Ball ging und im Rücken des Norwegers stand Matias Delgado blank. Sauber war sein Abschluss zum 1:1, und der Captain krönte damit vorzeitig eine deutliche Leistungssteigerung zu seinem beklagenswerten Auftritt in Lausanne.
In der lange ausgeglichenen zweiten Halbzeit lag zwischen zwei Riesenchancen für den FCB durch die Hechtkopfbälle von Elyounoussi (55.) und Fransson (73.) ein prächtiger Distanzschuss von Nzuzi Toko, den Vaclik mit einer erstklassigen Parade aus dem Winkel kratzte. Da hätte das Momentum auf Seite der Ostschweizer kippen können.
Nach dem umstrittenen Führungstor lockerten die St. Galler ihren Verteidigungsverbund, und der für Delgado eingewechselte Renato Steffen wurde vom bedauernswerten Gelmi in der 89. Minute von den Beinen geholt. Doumbia, in der 73. Minute für Sporar gekommen, schnappte sich in Abwesenheit von Delgado den Ball und verwandelte genauso souverän, wie man es vom FCB-Captain gewohnt ist.
Der Startrekord von 2003 ist eingestellt
Treibt seine Mannschaft von Dreier zu Dreier: Urs Fischer, mit Christian Gross nun Basels Neun-Siege-in-Serie-Rekordtrainer. (Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)
Nach diesem 3:1 geht der FCB mit einer weissen Weste aus dem ersten Saisonquartal. Eine Bilanz, die den Baslern in der ersten Super-League-Ausgabe 2003/04 unter Christian Gross gelungen war. Damals reihte der FCB sogar 13 Siege aneinander.
Urs Fischer wollte sich Samstagnacht jedoch nicht lange mit der aktuellen makellosen Serie aufhalten, die dem FCB – je nach dem wie YB und Lugano am Sonntag spielen – mindestens elf Punkte Vorsprung garantiert und im besten Fall sogar 13 Zähler.
Grösser war der Abstand nach dem ersten Viertel noch nie, die Meisterschaft, das kann man jetzt bereits behaupten ohne gross Gefahr zu laufen, eines Besseren belehrt zu werden, ist so gut wie entschieden. Denn selbst einem keineswegs brillanten, aber überaus soliden FC Basel scheint niemand auch nur annähernd das Wasser reichen zu können.
Fischer aber wird bei dieser Bestandsaufnahme wahrscheinlich gedanklich längst beim nächsten Schritt sein: dem Mittwoch in der Champions League bei Arsenal London, das das Derby gegen Chelsea beeindruckend klar mit 3:0 für sich entschied.
Vor dem Spiel:
» Kleiner Taktik-Exkurs mit Urs Fischer – System hin oder her: «Der Auftritt muss stimmen». – Unsere Vorschau zum Spiel
» Der FC St. Gallen baut Altlasten ab – das «Tagblatt» zur Situation der Grünweissen
» Erst lustvoll, dann gnadenlos – das 7:0 des FCB in St. Gallen vom April 2016