Es dürfte kaum verwunderlich gewesen sein, wie die Young Boys vergangene Woche ihre meisterlichen Emotionen ausgelebt haben. 32 Jahre Sehnsucht sind lang. Wie sie ihre Feierlaune dann ausgedehnt haben, mit einem zweitägigen Trip der Spieler nach Barcelona, irritierte dann aber doch. Ein Zeichen von Professionalität und Respekt gegenüber dem Rest der Liga, den Gegnern und den Entscheidungen, die da – auch mit Beteiligung der Berner – noch harren, war das nicht.
Immerhin hat die Spanien-Sause der Ernsthaftigkeit keinen Abbruch getan. Auch wenn YB in Sion mit einer Mannschaft antrat, die nichts mit den Meisterhelden zu tun hatte und in einem neuen System – sie gewannen die Partie, wenn auch etwas glückhaft, mit 1:0.
In einer ganz ähnlichen Ausgangslage wie die Berner,einer , in der es eigentlich um nichts mehr geht, stand der FC Basel am Sonntag beim St. Gallen, für den wiederum mit der Europacup-Teilnahme noch sehr viel auf dem Spiel steht. Und verwerfen lassen müssen sich auch die Basler nichts. Im Gegenteil: Der abgesetzte Serienmeister trug seinen Anteil zu 94 äusserst unterhaltsamen Minuten im Kybunpark bei.
Angeführt von den herausragenden Mohamed Elyounoussi, der an allen vier Basler Toren beteiligt war, sowie Samuele Campo liess sich der FCB weder vom frühen Rückstand durch den Ex-Basler Roman Buess beeindrucken (8. Minute), noch vom zwischenzeitlichen Ausgleich durch einen haltbar erscheinenden Weitschuss-Hammer von Runar Sigurjonsson (61.).
Der FCB: Zuerst fehlerhaft, dann beschwingt
Die 15’594 Zuschauer bekamen zunächst einen FCB zu sehen, der zwar mehrheitlichen Ballbesitz hatte, jedoch fehleranfällig im Abwehrverhalten war. Campo und Geoffroy Serey Dié liessen den als Aussenverteidiger aufgebotenen Tranquillo Barnetta vor dem 1:0 gewähren, und die Routiniers Fabian Frei (hob ein Abseits auf) und Michael Lang (spekulierte auf Abseits) ermöglichten Buess den Führungstreffer.
Drei weitere grobe Fehler – erst von Raoul Petretta, dann von Frei, schliesslich von Serey Dié – eröffneten den Gastgebern drei exzellente Möglichkeiten, die Führung zu erhöhen. «Wir haben viel investiert, haben aber das 2:0 verpasst. Dann haben wir gegen einen guten FC Basel das Heft aus der Hand gegeben», lautet Barnettas Urteil über diese Phase.
In einem steten Auf und Ab näherten sich die Basler dem St. Galler Tor Meter um Meter. Elyounoussi und Stocker scheiterten, ebenso zweimal Ricky van Wolfswinkel, der sich nach einer halben Stunde dazu entschloss, auch merkbar am Spiel teilzunehmen. Dann wurde Valentin Stockers Tor wegen einer knappen Abseitsposition abgepfiffen (40.), aber in der 43. Minute waren die St. Galler dem Basler Druck nicht mehr gewachsen.
Elyounoussi brachte im Nachsetzen den Ball aus spitzem Winkel parallel zur Torlinie zurück in die Gefahrenzone, und Luca Zuffi drückte die Kugel ins Netz. Die Fernsehbilder schufen Aufklärung: Zuffi startete bei Ballabgabe aus regelkonformer Position; die Aufregung im St. Galler Lager war unbegründet.
Basler Offensivspektaktel
Was sich da beim FC Basel in den letzten Wochen wieder zusammengefügt hat, war dann nach dem Seitenwechsel ein eindrückliches Offensivspektakel. Quasi im Minutentakt tauchten die Gäste vor dem St. Galler Tor auf. Elyounoussi krönte seinen Vortrag mit dem Führungstreffer in der 57. Minute nach einem herrlichen Diagonalball von Marek Suchy und einem klasse Pass von Campo.
Dem Ausgleich der St. Galler durch einen haltbar erscheinenden, aber eben doch sehr wuchtigen und präzisen Weitschuss von Runar Sigurjonsson schloss sich ein Aufbäumen der Gastgeber an. Doch es blieb ein Strohfeuer. Mit Lust und Laune bewegten sich die Basler zwischen den Linien der Espen und stiessen Mal um Mal und mit hohem Tempo in die Lücken.
Dem erneuten Führungstreffer – in der 70. Minute von Elyounoussi vorbereitet und von Campo technisch anspruchsvoll vollendet – schloss sich ein ganzer Strauss von Kontergelegenheiten an. Der Sieg der Basler, die mit diesem Resultat die Saisonbilanz gegen die St. Galler nach zwei empfindlichen Niederlagen ausgeglichen haben, hätte auch noch höher ausfallen können.
Ajeti schnuppert an der Torjägerkrone
So blieb es beim vierten Tor durch den eingewechselten und mit Pfiffen an ehemaliger Wirkungsstätte begrüssten Albian Ajeti. In Manier eines unwiderstehlichen Torjägers, der er ja werden soll, staubte er in der 87. Minute ab. Weil er in der Nachspielzeit aus bester Position einen weiteren Treffer verpasste, bleibt er mit seinen 13 Toren (drei davon im Trikot des FC St. Gallen) im Torschützenranking der Super League noch eine Länge hinter dem Berner Guillaume Hoarau zurück.
Zehn Spiele ist der FC Basel nun ungeschlagen geblieben, hat er 24 von 30 möglichen Punkten geholt. Und hält er die Pace in den verbleibenden Spielen weiter so hoch – am Donnerstag gegen Meister YB, in Zürich und zum Schluss gegen Luzern –, kann die Mannschaft von Raphael Wicky noch ein bisschen etwas für das eigene Seelenheil und jenes ihres aufstrebenden Goalgetters tun.
Die Aufstellungen: Aussenverteidiger Barnetta
Raphael Wicky schickte seine Mannschaft mit nur einer Veränderung zum 6:1-Heimsieg vor Wochenfrist aufs Feld: Der gegen Thun gesperrte Michael Lang kam für Neftali Manzambi.
Nach der Auswechslung des Gelb-Rot-gefährdeten Geoffrey Serey Dié gegen Blas Riveros rückte Raoul Petretta in die defensive Rolle im zentralen Mittelfeld.
FC Basel (4-2-1-3): Vaclik – Lang, Frei, Suchy, Petretta – Serey Dié (83. Riveros), Zuffi – Campo – Stocker, van Wolfswinkel (72. Ajeti), Elyounoussi (90. Bua).
Bank: Antonio (Tor), Balanta, Riveros, Manzambi, Bua, Ajeti, Oberlin.
Beim FC St. Gallen kehrte Tranquillo Barnetta nach längerer Absenz zurück ins Team – und Interimscoach Boro Kuzmanovic bot den Ex-Nationalspieler überraschend als rechten Aussenverteidiger auf.
FC St. Gallen (4-1-4-1): Stojanovic – Barnetta (75. Tschernegg), Hefti, Musavu-King, Wittwer – Wiss (68. Aleksic) – Tafer (80. Itten), Toko, Sigurjonsson, Aratore – Buess.
Bank: Lopar (Tor), Haggui, Gönitzer, Tschernegg, Aleksic, Ben Khalifa, Itten.
Die Trainermonologe: «Es hätte auch anders kommen können»
Raphael Wicky, Trainer FC Basel:
«Wir haben ein unterhaltsames Spiel gesehen. Beide Teams spielten nach vorne, beide wollten gewinnen, entsprechend interessant war die Partie für die Zuschauer. Wir sind schlechter gestartet als die St. Galler, die in den ersten 20 Minuten hungriger waren. Nachdem wir in Führung gegangen waren, haben wir das Spiel dominiert.
Insgesamt hatten wir aber auch Glück, dass St. Gallen seine Chancen nach zwei Eigenfehlern von uns nicht nutzte. Es hätte anders kommen können, wenn die St. Galler nach dem 1:0 ein zweites Tor gemacht hätte. Ich bin zufrieden mit der Leistung und zufrieden mit dem Resultat. Alles in allem haben wir angesichts unserer Torchancen schlussendlich verdient 4:2 gewonnen.»
Boro Kuzmanovic, Trainer FC St. Gallen:
«Aus der Perspektive des Verlierers sieht man die eine oder andere Situation, in der das Spiel auch für uns hätte laufen können. Ich bin zufrieden mit der Leistung und der Bereitschaft, die meine Mannschaft gezeigt hat. Die Einstellung stimmte, aber wir haben den Gegner kommen lassen und uns sicherlich auch etwas ungestüm verhalten. In gewissen Momenten hat man zudem die individuelle Qualität der Basler gesehen. Da muss man auch akzeptieren, dass sie die Tore machen und am Schluss als Sieger vom Platz gehen.»