«Ich wehre mich gegen die Untergangsstimmung»

Unter enormem Druck versucht der FC Basel an diesem Mittwoch (20 Uhr) gegen Paok Saloniki ein 1:2 zu drehen und im Europacup eine Runde weiterzukommen. Interimscoach Alex Frei versprüht Zuversicht und ein Trainer-Urgestein ahnt, dass ein Trainerwechsel viel verändern kann.

«Es gilt jetzt nicht, den Fussball neu zu erfinden» – Alex Frei am Dienstag beim Training des FC Basel.

Etwas versteckt, ganz oben im A2-Sektor hat Mircea Lucescu am Dienstagabend im St.-Jakob-Park Platz genommen und mit verschränkten Armen das von seinem Sohn Razvan geleitete Abschlusstraining von Paok Saloniki verfolgt. Den gerade 73-jährigen Lucescu ein Trainer-Monument zu nennen, ist keine Übertreibung. Die zwölf Jahre bei Schachtar Donezk und die Champions League haben ihn weltberühmt gemacht.

Eine Episode mit dem FC Basel hat er auch vorzuweisen. 2008 fertigte das von ihm trainierte Schachtar den FCB unter Christian Gross mit einem Gesamtskore von 7:1 in der Königsklasse ab. Und Alex Frei, den Ex-Torjäger des FCB, kennt Lucescu natürlich gleichfalls: «Ich habe mit Schachtar oft genug in der Vorbereitung gegen den FC Basel gespielt.»

Lucescu lächelt verschmitzt, lässt seinen ruhigen Blick über den Rasen des Joggeli schweifen und sagt mit all der Erfahrung in seinen Knochen über die letzten, unruhigen Tage beim FCB: «Ein Trainerwechsel kann mental viel verändern in einer Mannschaft. Denn nun sind die Spieler in der Pflicht.»

«Die Zuversicht war nie grösser»

Im und rund um den FC Basel gibt es nicht wenige, die das gerne hören. Und um es vorweg zu nehmen: Schenkt man dem Glauben, was Alex Frei und Luca Zuffi vor dem Spiel sagen, dann wird es am Mittwoch ein wundersames Comeback des FC Basel geben. «Der Druck wird zwar immer grösser», räumt Mittelfeldspieler Zuffi ein, «aber ich bin zuversichtlich, dass wir eine Runde weiterkommen.» Frei setzt noch einen drauf, als er zum x-ten Mal gefragt wird: «Die Zuversicht war nie grösser.»

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Frei weiss zwar um den «mathematischen Vorteil» der Griechen nach dem 2:1-Sieg im Hinspiel, das «extrem wichtige» (Zuffi) Auswärtstor sorgt jedoch dafür, dass der FCB kein Harakiri spielen muss. Der Interimstrainer schöpft Hoffnung aus den ersten 25 («sehr guten») Minuten am Samstag in Neuenburg, und setzt auf die Fans: «Sie stehen in guten wie in schlechten Zeiten zum FCB.»

Nur 11’000 Tickets abgesetzt

Dass da vom Rasen etwas auf die Ränge und umgekehrt übertragen wird, wie Zuffi hofft und weit voraus denkt («Dann ist noch einiges möglich in dieser Saison»), dass die Stimmung im Stadion Flügel verleihen kann, das ist angesichts des Interesses fraglich: Nur knapp 11’000 Tickets waren am Tag vor dem Spiel verkauft, wovon rund 2000 an Paok-Fans gegangen sind.

Um das Spiel selbst und das, was der FC Basel zur Zeit anbietet, ging es auch am Dienstag. Frei, seit Freitag ad interim der Cheftrainer und das laut Reglement für maximal 20 Tage, versucht auf dem Trainingsplatz in der knappen Zeit an ein paar Automatismen zu feilen. «An defensiven und offensiven Abläufen, nicht zu viel und nicht zu wenig», wie der nominelle U18-Trainer sagt. Und er weist dezent darauf hin: «Es gilt jetzt nicht, den Fussball neu zu erfinden.»

«The show must go on» – Alex Frei bei seiner ersten Medienkonferenz als Trainer vor einem Europacup-Spiel.

Ansonsten ging es natürlich viel um die grosse Unruhe beim FCB, die Verunsicherung, die sich durch alle Etagen zieht. Frei, beim FCB für das Strategische zuständig, seit er vor einem Jahr auch Einsitz im Verwaltungsrat nahm, hielt also auch ein Plädoyer in eigener Sache, als er sagte: «Der Klub ist dabei zu lernen, welche Fehler gemacht wurden. Einige Dinge waren richtig, einige weniger. Einen gewissen Lerneffekt muss man zulassen, und ich wehre mich gegen die absolute Weltuntergangsstimmung. The show must go on.»

«Der Druck für den FC Basel ist höher»

War Freis erster Auftritt als Trainer in einer Medienkonferenz vor einem Europacup-Spiel durchaus von einer gewissen Lockerheit und dem ihm eigenen Schalk geprägt, so stand ihm Razvan Lucescu nicht nach.

Der 48-jährige Rumäne macht einen souveränen Eindruck und weiss, wie nahe er mit dem griechischen Pokalsieger dem Sprung in die nächste Runde ist: «Wir respektieren den Gegner, seine Geschichte, seine Qualität und seine Erfahrung. Aber wir werden alles dafür tun, um unseren Weg in der Champions League fortzusetzen. Und der Druck für den FC Basel ist höher, weil es für ihn quasi eine Verpflichtung ist, sich zu qualifizieren.»

Mircea und Razvan Lucescu: Der Vater ist bereits ein grosser Trainer, der Sohn möchte es werden.

Vater Mircea hat sich das angehört und merkt mit all seiner Weisheit an: «Am Mittwoch ist alles möglich.» Seinem Sohn hat er einst, daheim in Bukarest, eigentlich untersagen wollen, Fussball zu spielen. Aber dessen Leidenschaft war zu gross. «Ich habe ihm dann empfohlen, ins Tor zu stehen.»

Das war dann so etwas wie das letzte Mal, dass der Vater, der mit seiner Karriere einen grossen Schatten wirft, dem Sohn einen Ratschlag erteilt hat. «Er hat viel gelernt, als er aufgewachsen ist. Jetzt hat er seinen eigenen Stil, eine grosse Persönlichkeit, und ich halte ihn für einen der besten Trainer in Europa. Mit Paok in die Champions League zu kommen, wäre fantastisch für ihn.»

Mircea Lucescu trainiert seit einem Jahr als Nachfolger von Fatih Terim die türkische Nationalmannschaft. Dieser Job hat es ihm auch erlaubt, einen dreitägigen Abstecher nach Basel zu machen. Und eines Tages, «wenn ich mit der Türkei fertig bin», will Lucescu wieder eine Vereinsmannschaft trainieren: «Ich ziehe es vor, jeden Tag auf dem Platz zu stehen und meinen Enthusiasmus zu transportieren.»

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