Wer sich schon einen Namen gemacht hat, kommt auch mal auf die Idee, aus diesem noch mehr zu machen. Gault-Millau zum Beispiel. Den Druck jeder neuen Ausgabe mögen ambitionierte Gastronomen wie einen besonders hochnäsigen Gast empfinden, der dummerweise Jahr für Jahr vorbeischaut und es lustig findet, jedes Mal zum Abschied noch rasch dem Chef persönlich ein Messer an den Hals zu setzen.
Feinschmecker hingegen folgen dem grossen, mächtigen Restaurantführer blind. Das hat sich halt bewährt.
Wie einst Napoleon hat Gault-Millau vor nicht allzu langer Zeit seine Ausweitung des Machtworts in Paris begonnen. Seither setzt sich der Restaurant-Führer auch auf die Holzstühle der Beizen, Bistros und Brasserien dieser Welt, er stellt sich an Bars, hockt sich in Cafés, verdrückt Sandwiches oder Glaces, und wenn er sich dabei nicht verschluckt und den Ort «einen Besuch wert» findet, sagt er «Pop», bevor er geht, und schon dürfen sich die kleinen Gastgeberinnen und Gastgeber mit dem grossen Namen schmücken.
Mit den begehrten Punkten hat die Auszeichnung «Gault-Millau Pop» nichts zu tun. Es ist nur «ein szeniger Trendguide», wie «Gault-Millau Schweiz»-Chefredaktor Urs Heller in einem PR-Interview auf der eigenen Website sagt. 55 solcher «Trendadressen» hat sein Team in einem ersten Anlauf in der Schweiz ausfindig machen können – in Zürich, Bern, Luzern, St. Gallen und selbstverständlich auch in Basel. Hier dürfen zehn Gastgeber jubeln. Zum Beispiel so:
Nicht alle ausgezeichneten Adressen haben von ihrem Glück bereits etwas mitbekommen. Oder sie posaunen ihre Freude einfach nicht auf Facebook heraus. Wie dem auch sei, von diesen Trendlokalen zeigt sich der Feinschmecker-Führer jedenfalls beeindruckt:
1. Vom «Za Zaa» am Petersgraben 15, weil es sogenannte «Sharing Dishes» auftischt, die im urbanen Umfeld so angesagt seien. Ausserdem bekomme man da die besten Falafel ausserhalb des Libanons.
2. Vom «Consum» an der Rheingasse 19, weil Weinliebhaber mit durchschnittlichem Budget Neues entdecken und dazu erst noch Käse und Salami verputzen können.
3. Vom «Zum Kuss» an der Elisabethenstrasse 59, weil an diesem ohnehin beliebten Ort die servierten kalten Speisen klingende Namen tragen wie «Simone-de-Beauvoir-Plättli für Verliebte».
4. Von den «Boo»-Restaurants am Riehenring 77 und an der Klybeckstrasse 86, weil hier auch «weniger geübte Thai-Foodies» gemütlich und authentisch Currys und Co. erhalten, und zwar im für sie bekömmlichen Schärfegrad.
5. Von der «Bodega zum Strauss» am Barfüsserplatz 16, weil es an «Basels Lieblingsbeiz» einfach kein Vorbeikommen zu geben scheint und quasi passend zum Dreiländereck alle Nationen vertreten seien: Frankreich, Spanien und Schottland.
6. Vom «Sapori del Sud» in der Spalenvorstadt 34, weil auch der grosse Gault-Millau mitbekommen hat, dass im kleinen Take-Away-Lädeli sowohl die sizilianischen Spezialitäten ans Herz gehen, als auch die Geschichte des Wirts Antonio Russo.
7. Vom «Werk 8» auf dem Gundeldingerfeld, weil der schlichte «Metall-Chic» mindestens so gut gefällt wie die Zanderknusperli – und die mit Kräutern aus dem eigenen Garten garnierten Drinks so reinhauen, dass man sitzen bleiben sollte.
8. Vom «Conto 4056» an der Gasstrasse 1, weil man in der ehemaligen Bankfiliale am Voltaplatz noch immer viel Geld liegen lassen kann, heute eben für fachkundig gemixte Cocktails.
9. Von der «Mägd» in der St.-Johanns-Vorstadt 29,weil Wirt Adriano Giordano ohne Firlefanz und mit sicherem Sinn für guten Geschmack Italianità zaubert.
10. Vom «Frühling» an der Klybeckstrasse 69, weil die Barista ihr Fach so gut beherrschen, dass manche sogar an Meisterschaften teilnehmen. Das reicht für Gault-Millau zum Titel: «Basels erste Adresse für Kaffee».
All diese Adressen können jetzt also die Korken knallen lassen. Ob es nicht auch andere verdient hätten, darüber lässt sich gewiss streiten. Das «Viertel-Kreis» im Gundeli, das Café «Cappuccino» in der Innenstadt, das Restaurant «La» wären auch noch eine Pop-Erwähnung wert.
Doch nicht nur wegen drohenden Neides ist es vermutlich gesünder für die geehrten Lokale, wenn sie ihren Stolz nicht gleich in alle Öffentlichkeit tragen. «Bei uns gibt es Pop nur online», sagt Chefredaktor Heller in jenem Interview nämlich auch. «So bleiben wir blitzschnell und aktuell.» Das kann man als ambitionierter Szene-Gastronom eigentlich nur so verstehen: Der unangenehm hochnäsige Gast, der bei Spitzenrestaurants nur einmal im Jahr auftaucht, wird in den «Pop»-Lokalen jederzeit wieder einkehren. Und wehe, er ist dann unzufrieden.
Hier finden Sie alle Schweizer Gault-Millau-Lokale in der Kategorie «Pop».