An der Türkheimerstrasse 16 kostete eine 2-Zimmerwohnung 660 Franken im Monat. Bis das Haus 2011 abgerissen wurde. An dessen Stelle baute die Swiss Immo Trust AG einen Neubau mit 21 Eigentumswohnungen. Das sind etliche Wohnungen mehr als vorher. Allerdings sind sie nur für finanzkräftige Kunden bezahlbar.
Dieser Fall ist typisch für Basel. Denn Stockwerkeigentum ist beliebt. Die Preise steigen seit dem Jahr 2000 kontinuierlich – in Basel stärker als in der Restschweiz.
Manche neue Wohnungen entstehen auf einer Brache – wie zum Beispiel auf dem Erlenmattareal. Andere werden dort gebaut, wo sich bereits vorher Wohnungen befanden – wie an der eingangs erwähnten Türkheimerstrasse.
Unsere Leser wollten in der Rubrik «Stadtgespräch» von uns wissen, ob mit dem Verkauf von Stockwerkeigentum auch ein Verlust von günstigem Wohnraum einhergeht. Zu vermuten ist das dann, wenn ein Mietshaus aufgelöst und die Wohnungen einzeln verkauft werden.
Abschliessend lässt sich die Frage aber nicht beantworten, weil entscheidende Daten wie Mietpreise nicht öffentlich bekannt sind. Aussagen sind aber zum gehandelten Volumen möglich.
Anhand einer Datenauswertung haben wir recherchiert, wo in den letzten Jahren viele Eigentumswohnungen verkauft wurden. Und zwar nur dort, wo vorher auch Wohnraum war. Zudem haben wir die Recherche auf Immobilienfirmen beschränkt, weil dort der Verdrängungseffekt mutmasslich am grössten ist.
Die Auswertung zeigt: Der Verkauf von Stockwerkeigentum funktioniert nach zwei Vorgehensweisen.
- Eine Firma kauft ein Wohnhaus, saniert dieses und verkauft die darin befindlichen Wohnungen als Stockwerkeigentum weiter. Beispielhaft für dieses Vorgehen ist ein Fall im Gundeli, über den die TagesWoche unlängst berichtete.
- Eine Firma kauft ein Wohnhaus, reisst dieses ab und baut ein neues Wohnhaus – meist mit mehr und teureren Wohnungen als zuvor – und verkauft die darin befindlichen Wohnungen als Stockwerkeigentum.
Für Beat Leuthardt vom Basler Mieterverband zeigt die Auflistung der TagesWoche eindeutig, wo günstiger Wohnraum verloren ging. Den Boom an Eigentumswohnungen sieht er als «hochproblematisch». Aus Erfahrung wisse er, dass dadurch «systematisch Mieter aus bezahlbaren Wohnungen verdrängt werden».
Auch Andreas Biedermann vom Schweizerischen Verband für Immobilienwirtschaft (Svit) meint, es sei möglich, dass mit dem Verkauf von Stockwerkeigentum günstiger Wohnraum entzogen werde. Man müsse jedoch jeden Fall einzeln anschauen und könne dies nicht verallgemeinern.
Laut Biedermann verkauft nicht jeder Immobilienbesitzer eine Wohnung zu einem höheren Preis weiter, als er sie gekauft habe. «Der Verkauf einer Immobilie geht nicht immer mit hohen Gewinnen einher. Eine Firma verkauft Wohnungen vielleicht auch, um ihr Portfolio zu bereinigen.» Vor allem aber würden Eigentumswohnungen in der Regel nicht als Renditeobjekte gehalten.
Die Datenauswertung der TagesWoche zeigt: In ganz wenigen Fällen haben Firmen Stockwerkeigentum gekauft und wiederverkauft. In den allermeisten der angeschauten Fälle kaufen Firmen ganze Häuser und veräussern die darin befindlichen Wohnungen einzeln an Privatpersonen weiter.
Dieses Modell komme heute weniger häufig vor als noch vor 10 oder 15 Jahren, erklärt Biedermann. Heute finde man auf dem Immobilienmarkt keine Schnäppchen mehr. Früher sei das bei den tieferen Immobilienpreisen noch eher möglich gewesen. Ergo hätten auch mehr Immobilienfirmen günstige Häuser gekauft, die Wohnungen saniert und zu hohen Preisen weiterverkauft.
Wie es zu dieser Geschichte kam
Die Datenanalyse basiert auf einer Grundbuch-Recherche. Die TagesWoche konnte alle Handänderungen aus dem Grundbuch seit Oktober 2008 in eine durchsuchbare Form bringen. Mit diesen Daten konfrontiert haben wir unsere Leser gefragt, welches Thema wir weiterrecherchieren sollen. Die Mehrheit der Leser wollte wissen, ob dem Immobilienmarkt in den letzten Jahren systematisch günstiger Wohnraum entzogen wurde. Mit diesem Beitrag versuchen wir, diese Frage zu beantworten
Es lässt sich also sagen: Im Basler Immobilienmarkt werden fleissig Wohnungen in Stockwerkeigentum verwandelt und an zahlkräftige Privatpersonen verkauft. Dabei geht auch günstiger Wohnraum verloren. Das System dahinter ist das Zusammenspiel von Hausverkäufen, steigenden Immobilienpreisen und Firmen, die mit dem Handel von Immobilien Geld verdienen.