Die alte Post weicht neuen Luxus-Wohnungen

Wo es letztes Wochenende anlässlich einer «Sauvage» zu Auseinandersetzungen und Verwüstungen kam, werden bald teure Eigentumswohnungen entstehen. Die Bauarbeiten sollen noch dieses Jahr beginnen.

So soll es künftig an der St. Johanns-Vorstadt 80 aussehen: Noch im Laufe dieses Jahres werden die Bauarbeiten beginnen.

(Bild: © Kuhlbrodt & Peters Architekten)

Wo es letztes Wochenende anlässlich einer «Sauvage» zu Auseinandersetzungen und Verwüstungen kam, werden bald teure Eigentumswohnungen entstehen. Die Bauarbeiten sollen noch dieses Jahr beginnen.

Was als Besetzung und anschliessende illegale Party begann, endete nach einem Feuer auf der Strasse in Auseinandersetzungen mit der Polizei: Die Geschehnisse nach der «Sauvage» vom letzten Wochenende drehten sich um das markante Gebäude an der St. Johanns-Vorstadt 80. Dieses hat in den letzten Jahren mehrere Umnutzungen erfahren und wird bald komplett einem Neubau weichen.

Die dortige Poststelle Basel 4 wurde vor drei Jahren geschlossen. Später wurde auch – zum Ärger vieler Quartierbewohner – der Postomat entfernt. Ein befristeter Mietvertrag zur Zwischennutzung liess das Parterre des Hauses nochmals kurz aufleben: Von 2013 bis 2015 betrieb Jeanny Messerli dort die «Post-Bar».

Ein Luxus-Neubau mit Rheinblick

Dass das Gebäude kurzzeitig ins Visier der Besetzer geriet, hängt mit dessen bevorstehendem Abriss zusammen: Eric Stiefel, Inhaber der St. Johann 4 Immobilien AG, hat das Gebäude im Jahr 2009 erworben. Dafür hat er 3,23 Millionen Franken bezahlt. Er plant nun einen kompletten Neubau mit fünf Eigentumswohnungen im höheren Preissegment. «Man kann durchaus von Luxuswohnungen sprechen», sagt Eric Stiefel. Diese Bezeichnung für das Projekt ist somit keine Erfindung der Besetzer, sondern wird auch vom Hauseigentümer so verwendet.



Geplant sind Eigentumswohnungen mit Blick auf den Rhein. 

Geplant sind Eigentumswohnungen mit Blick auf den Rhein.  (Bild: © Kuhlbrodt & Peters Architekten)

Das geplante fünfgeschossige Gebäude wurde vom Architekturbüro «Kuhlbrodt & Peters» entworfen. Die Bauarbeiten sollen voraussichtlich spätestens im zweiten Quartal dieses Jahres beginnen. Auf der Immobilienseite Homegate wird es als Mehrfamilienhaus in einem «aufstrebenden Wohnquartier» beschrieben: Es biete «ein städtisches Wohnen mit zugleich unverbaubarem Blick auf den Rhein». Das Kundensegment ist also klar umrissen: urbanes Feeling für höhere Ansprüche und grössere Budgets – eine Tendenz, wie sie im St. Johann in den letzten Jahren zu beobachten ist.

«Ausgetrocknetes» Santihans

Aus der Sicht der Besetzer ist dieses Projekt ein weiterer Schritt in der bereits eingeleiteten Quartieraufwertung: Auf dem Blog Radar, wo am Samstag zur Besetzung des «räumungsbedrohten» Hauses aufgerufen wurde, kommentierten die Besetzer am Montag ihre Aktion. Damit sei «der letzte Schrei im St. Johann» schon wieder vorbei und das Haus «wieder in seinen tristen, leeren Privateigentumsstatus überführt» worden. «Da damit eine längerfristige Nutzung des Hauses unwahrscheinlich erschien, entschieden wir uns dafür, am Abend mit einer Sauvage das Haus zu öffnen und der Piraterie freizugeben», steht dort geschrieben. Gleichzeitig freuen sich die Besetzer darüber, dass das «ausgetrocknete St. Johann seit der Besetzung des Voltaplatzes im Jahre 2011 wieder etwas von der politischen Spannung gespürt» habe.



Die Tage des alten Postgebäudes sind gezählt. Am 2. Januar wurde das Haus kurzzeitig besetzt.

Die Tage des alten Postgebäudes sind gezählt. Am 2. Januar wurde das Haus kurzzeitig besetzt. (Bild: Michel Schultheiss)

Eine Zwischennutzerin als Leidtragende der Sauvage

Was die Besetzer jedoch nicht thematisieren, ist die Tatsache, dass das Haus am Tag der Sauvage nicht etwa leer stand: Seit November ist Daniela Sprecher mit der Eventagentur «Die Anlasser GmbH» in der ehemaligen Poststelle eingemietet. Nach den Ereignissen vom letzten Wochenende wurde die Zwischennutzerin arg in Mitleidenschaft gezogen. Diverses Eventmaterial wurde nach Angaben von Sprecher beschädigt oder entwendet – so etwa ein Flipperkasten. Die Betreiberin bringt ihre Enttäuschung deutlich zum Ausdruck: «Danke fürs Verwüsten unserer gemieteten Event- und Geschäftslocation und Danke für die Infomail der Kapo und das anschliessende Warten bis zum Eingreifen, das löst doch richtige Sicherheitsgefühle aus», schrieb sie auf der Facebook-Seite ihrer Agentur.

Wie der Polizeisprecher Martin Schütz erklärt, werde im Falle von Besetzungen stets der Kontakt mit dem Eigentümer gesucht: «Ohne deren Einverständnis sind unmittelbare polizeiliche Handlungen nur möglich, wenn Personen oder die öffentliche Sicherheit gefährdet sind», sagt Schütz. Im Fall der alten Post waren die Grundlagen dafür nicht gegeben: «Bei einer bereits erfolgten Besetzung muss die Besitzerin oder der Besitzer eine Strafanzeige erstatten und ein Räumungsbegehren als rechtliche Grundlage für ein polizeiliches Handeln in der Liegenschaft stellen», hält Martin Schütz fest.

Auch die vorherige Zwischennutzerin Jeanny Messerli meldete sich zu Wort – mit einem freundlichen, aber klaren Kommentar bei Radar: «In der Post Bar sind noch Sachen von uns, die ihr gerne brauchen dürft, jedoch nicht beschädigen oder wegnehmen sollt.» Nach Angaben von Eric Stiefel war zudem eine Wohnung am Tag der Besetzung noch immer bewohnt. «Der Mieter konnte das Haus nicht mehr betreten und hat sich bei mir gemeldet», sagt Stiefel. Zwar habe er keine persönlichen Sachen mehr dort gehabt, doch Möbel, die zum Haus gehörten, befanden sich noch immer in der Wohnung. Alle anderen Mieter zogen bereits Ende 2015 aus. 

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