Es sind turbulente Zeiten für die Alma Mater. Nach dem Kompromiss zum Leistungsauftrag der beiden Trägerkantone muss sie in den nächsten vier Jahren rund 44 Millionen Franken einsparen. Bekannt ist bereits, dass die Mediävistik bluten muss.
Gleichzeitig tobte in den letzten Wochen eine Schlammschlacht gegen die Genderforscherin Franziska Schutzbach. Schweizer Professoren schlagen die Alarmglocken und starten einen Appell im Namen der Forschungsfreiheit. Studierende gehen gegen den Abbau auf die Strasse. Wie aber geht die Uni selbst in solchen Zeiten mit dem Druck aus Politik und Medien um, ohne in eine Selbstzensur zu verfallen?
«Freiheit der Wissenschaft unter Wettbewerbsdruck» – die Podiumsdiskussion unter diesem Titel am Donnerstag war als Abschluss einer Ringvorlesung geplant, erhielt aber durch die jüngsten Geschehnisse zusätzliche Brisanz.
Drohungen mit dem zugedrehten Geldhahn
Am deutlichsten waren dabei die Worte von Andrea Maihofer, Professorin für Geschlechterforschung: «Die Wissenschaften werden angegriffen.» Geisteswissenschaften, insbesondere Gender Studies, aber auch Klimaforschung und Völkerrecht seien dabei besonders dem Druck aus Politik und Medien ausgesetzt.
Uni-Rektorin Andrea Schenker-Wicki hingen will sich von den Polemiken aus dem rechtsbürgerlichen Lager nicht aus der Ruhe bringen lassen: «Das sind ein paar Stimmen, aber nicht die Mehrheit.» Das Interesse an einem Bildungsbürgertum überwiege nach wie vor.
Offensichtlich war Andrea Maihofer nicht zufrieden mit dieser Antwort. Ohne Schutzbach und eine SVP-Interpellation dazu explizit zu nennen, aber in klarer Anspielung darauf, plädierte sie dafür, diesen Druck nicht zu unterschätzen: «Bestimmte gesellschaftliche Kräfte schlagen zwischen der Androhung von Sparmassnahmen und der Freiheit der Wissenschaft eine Verbindung.»
Das engagierte Votum erntete viel Applaus im Publikum. Maihofer weiss, wovon sie spricht: Ihr Konterfei prangte vor ein paar Jahren auf dem Titelblatt der «Weltwoche». Unter anderem zusammen mit dem Historiker Philipp Sarasin stand sie als angebliche «Irrlehren-Professorin» am Pranger.
Gegengift zu Fake News
Walter Leimgruber, Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät, teilte die Einschätzung nicht, dass die Geisteswissenschaften derzeit generell auf Ablehnung stossen würden. Aber auch er äusserte Bedenken: «Wir haben nicht immer die Antworten parat, doch wir können Kletterseile aufziehen und so mögliche Wege skizzieren», fasste er zusammen. «Wenn das nun a priori abgelehnt wird, haben wir ein Problem.»
Dabei kommen nicht nur die Geistes-, sondern auch die Naturwissenschaften in die Bredouille. Das bestätigte Edwin Constable, Professor für Chemie und Vizerektor Forschung. Er nannte dabei den Umgang der Forscher mit den kursierenden «Fake News», zum Beispiel rund um den Klimawandel. «Wir müssen eine bessere Kommunikationspolitik haben und verständlicher werden.» Dabei könnten Natur- und Geisteswissenschaften durchaus gegenseitig voneinander lernen.
Fehlende Solidarisierung in der Kritik
Nebst alledem muss die Uni wie erwähnt auch noch den Gürtel enger schnallen. Andrea Schenker-Wicki muss als erste Rektorin seit vielen Jahren eine derartige Sparübung anpacken. «Ich habe mich dafür eingesetzt, die Fakultäten möglichst zu verschonen», sagte sie. Die Fakultäten müssen einen Fünftel der Einsparungen vornehmen.
Im Falle der Geisteswissenschaften ist Walter Leimgruber mit dieser undankbaren Aufgabe konfrontiert. Da etwa im Gegensatz zu Medizin kaum Materialkosten anfallen, treffe es dort vor allem die Personalbudgets. Dabei warnte Leimgruber vor voreiligen Entscheidungen. So seien etwa Islamwissenschaften bis vor 15 Jahren ein Orchideenfach gewesen, heute sei deren Bedeutung unbestritten. «Wenn mal etwas weg ist, kann man es nicht einfach so wieder aus dem Boden stampfen.»
Aus dem Publikum kamen immer wieder engagierte Voten. Auch hier spielte wohl die Causa Schutzbach eine Rolle. Eine junge Frau wünschte sich von der Uni-Leitung, dass die sich entschiedener hinter ihre Mitarbeitenden stellen würde. Walter Leimgruber bemühte sich anschliessend um eine Auslegeordnung. Die Uni habe die Freiheit der Forschung zu schützen, die Forderung nach Solidarisierung mit Angestellten bei privaten politischen Statements sei hingegen heikel. «Sonst laufen wir Gefahr, als Institution hier die Wahrheit für uns pachten zu wollen.»