Felix-Platter-Areal: Vage Visionen für einen neuen Stadtteil

Im Iselin-Quartier soll Wohnraum für etwa Tausend Leute entstehen. Beim damit beauftragten Genossenschaftsverbund «Wohnen und mehr» mangelt es nicht an Ideen dafür.

Platz für Ideen gibt es genug. Sobald die Frage nach dem alten Spitalgebäude geklärt ist, können diese auch umgesetzt werden.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Utopische Wohnformen für etwa Tausend Leute: Ideen für das Felix-Platter-Areal gibt es beim Genossenschaftsverbund «Wohnen und mehr» bereits. Diese sind allerdings noch wenig konkret. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Verbleib des alten Spital-Gebäudes noch ungewiss ist.

Das Iselin-Quartier dürfte in ein paar Jahren erheblich anwachsen: Mit dem Neubau des Felix-Platter-Spitals werden rund 36’000 Quadratmeter Fläche für genossenschaftlichen Wohnungsbau frei. Ab 2019 sollen dort bis zu 550 Wohnungen entstehen. Den Zuschlag für das Areal erhielt der Verbund «Wohnen und mehr». Dabei handelt es sich um eine «Genossenschaft der Genossenschaften», die im Juni im Hinblick auf dieses Projekt gegründet wurde. Nebst Firmen, Stiftungen und Privatpersonen haben sich ihr über zwanzig Wohngenossenschaften aus der Region Basel angeschlossen.

Bei diesem Mammutprojekt könnte der Stadtteil somit um bis zu Tausend Bewohner reicher werden. Was genau in ein paar Jahren auf dem besagten Areal stehen wird, ist aber noch schwammig. Andreas Courvoisier, der zusammen mit Richard Schlägel «Wohnen und mehr» mitgegründet hat, zeigt sich punkto Informationen zögerlich: «Die Startgespräche mit den Behörden und interessierten Wohngenossenschaften im Umfeld des Felix-Platter-Areals haben erst gerade stattgefunden», sagt Courvoisier.

Das Iselin-Quartier soll ein Zentrum erhalten

Dass die Infos über das Vorhaben noch spärlich gesät oder zumindest nicht publik sind, hat seine Gründe: Gegen den Entscheid der Regierung, das Felix-Platter-Spital abzureissen, hat der Basler Heimatschutz im Juni dieses Jahres beim Verwaltungsgericht Rekurs eingelegt. Wie Courvoisier festhält, gelte es nun einerseits, das laufende Verfahren abzuwarten, andererseits müsse man sich noch bis im Frühling gedulden, wenn der Bebauungsplan vorliegen wird. Positiv ist in seinen Augen, dass dieser voraussichtlich verschiedene städtebauliche Varianten offen lassen wird. «Nächsten Frühling werden wir dann breiter kommunizieren können», versichert Courvoisier.

Nebst der Schaffung des in Basel dringend benötigten Wohnraums, sieht sich der Genossenschaftsverbund in der Pflicht, dem Iselin-Quartier «mehr Halt» zu geben: «Prägender öffentlicher Raum mit Aufenthaltsqualität fehlt hier noch», sagt Andreas Courvoisier. So soll etwa eine Art Quartierzentrum mit einem Platz und «lebendige Parterrenutzungen» zur neuen Überbauung gehören.

Vorbild Kalkbreite: Neue Wohnmodelle sollen in Basel Einzug halten

Bei ihren Ideen orientieren sich die Leute hinter «Wohnen und mehr» an Wohnbaugenossenschaften wie der Kalkbreite in Zürich, der Giesserei in Winterthur und des Warmbächli in Bern. Auch die Genossenschaftsinitiative «Mehr als wohnen» vom Zürcher Hunziker-Areal, welche allein schon vom ähnlichen Namen her auf Parallelen schliessen lässt, gilt als Anhaltspunkt. «Wir möchten aber diese Projekte nicht einfach kopieren», betont Courvoisier.

Ideen für das Areal kommen auch von «LeNa» («Lebenswerten Nachbarschaften»), einer Bau- und Wohngenossenschaft, die sich im März gegründet hat und bei «Wohnen und mehr» vertreten ist. Sie setzt sich für den Erhalt des Felix-Platter-Spitals ein und plädiert für eine Umnutzung des Hauptgebäudes und der Schwesternhäuser. So soll eine «multifunktionale Nachbarschaft» mit einem «Mikrozentrum» entstehen. Dies funktioniert nach dem Prinzip, dass gewisse Wohnbereiche gemeinschaftlich genutzt werden können. Konkrete Beispiele sind etwa eine Grossküche, eine Backstube, Werkstätte und eventuell sogar ein grosses Bad. Die Bewohner können so eine gemeinsame Infrastruktur betreiben. «Wenn wir uns schon verdichten, dann wenigstens mit den Annehmlichkeiten eines nachbarschaftlichen Zusammenlebens », erklärt Domenica Ott, Vorstandsmitglied bei «LeNa».

Bienen und Gemeinschaftsräume statt Autos

Ein solches Bauprojekt in dieser Grössenordnung wäre für Basel ein Novum. Dabei soll etwa das Modell der Clusterwohnung zum Zug kommen. Bei dieser Mischform zwischen WG und Privatwohnung bleiben etwa Sanitärinstallationen privat, während andere Bereiche wie die Küche gemeinsam genutzt werden können. «Es sind Wohnungen, die weniger Fläche beanspruchen, ohne deswegen kleiner zu sein», sagt Domenica Ott.

Garagen wird man in einer solchen Genossenschaft kaum finden: Die künftigen Genossenschafter werden wohl auf ein Privatauto am Wohnort verzichten müssen. «Bevorzugt werden Lösungen wie Carsharing, Anbindung an den öffentlichen Verkehr und attraktive Angebote in der unmittelbaren Nachbarschaft», erklärt Ott.

Denkbar sind auch Grünzonen mit Gärten und Kleintieren wie Bienen, die gemeinsam gepflegt werden. Die Ideen beruhen auf dem Kultwerk «bolo’ bolo» von Hans Widmer alias PM von 1983, wo Visionen zu alternativen Wohnformen beschrieben werden.

Was für den Spitalbau-Erhalt spricht

Die Architektin Barbara Buser, die durch Projekte wie das Gundeldinger Feld und die neue Markthalle bekannt ist, beteiligt sich ebenfalls an der Ideensuche für das Felix-Platter-Areal. Sie ist im Vorstand von «Wohnen und mehr», gleichzeitig aber auch Mitglied bei «LeNa». «Ich bin überzeugt, dass sich der Genossenschaftsgedanke in das Spitalgebäude verpacken lässt», sagt Buser. Der Rekurs des Heimatschutzes kommt ihr daher entgegen: «Deswegen findet überhaupt eine Diskussion darüber statt». Aus ihrer Sicht sprechen zwei Hauptgründe dafür, das Gebäude stehen zu lassen: Auf der einen Seite würde ein Abriss eine Menge «graue Energie» kosten, auf der anderen Seite könne mit einer Erhaltung mehr Zeit gewonnen werden.

Auch Domenica Ott sieht im alten Spitalbau reichlich Potenzial: «Es könnte ein Prestigeprojekt werden – etwas, das es in Basel noch nicht gibt». Die Chancen, dass sich die «LeNa»-Ideen bei «Wohnen und mehr» durchsetzen können, stehen ihrer Ansicht nach gut: «Wir sind im Moment die Einzigen, die eine konkrete Vision für die Umnutzung des Spitalgebäudes haben».  

Die Karten, welche der Heimatschutz ausspielen kann

Die Ideen von «LeNa» für das alte Spital stossen bei «Wohnen und mehr» auf offene Ohren: «Schlussendlich haben wir es nicht in der Hand, welche Art von Areal wir übernehmen, stehen aber einer Erhaltung offen gegenüber», sagt Andreas Courvoisier. Aus seiner Sicht wäre eine Konsenslösung ideal: «Wir prüfen im Moment verschiedene Varianten – die Umnutzung des Spitals in ein Wohngebäude ist aber für uns die bevorzugte Lösung».

Dazu finden auch zwischen «Wohnen und mehr» und den Spitalgebäude-Rekurrenten schon seit einiger Zeit Gespräche statt, wie Christof Wamister, Obmann des Basler Heimatschutzes, bestätigt. Dabei ist er zuversichtlich: «Die Baugenossenschaft ist durchaus offen für eine Erhaltung des Spitalgebäudes», sagt Wamister. Das letzte Wort muss aber aus dem Rathaus kommen: «Es reicht nicht, dass die Genossenschaft einen Erhaltungsplan vorlegt – es braucht ein Signal der Regierung». Es ist aber denkbar, dass der Heimatschutz den Rekurs zurückzieht, sofern eine befriedigende Lösung zur Erhaltung des Hauptgebäudes gefunden wird – über den Verbleib der beiden Personalhäuser könne etwa diskutiert werden. Der Vorstand des Basler Heimatschutzes hat diesem Vorgehen an seiner letzten Sitzung zugestimmt.

Die Frage der sozialen Durchmischung

Ob mit oder ohne Erhaltung des alten Spitals: Wer soll denn genau künftig in diesem neuen Wohnbezirk im Iselin wohnen? «Wir möchten eine soziale Durchmischung und einen vielfältigen Wohnungsmix auf dem Areal», sagt Andreas Courvoisier. Dabei werden drei Wohntypen besonders ins Auge gefasst: Erstens sollen Familien, die in der Stadt eine erschwingliche grössere Wohnung suchen, kinderfreundlichen Wohnraum vorfinden. Zweitens soll das «Wohnen im Alter» ein Thema werden – nicht zuletzt durch die Nähe zum neuen Felix-Platter-Spital. Zum Dritten sollen auch – wie auch von «LeNa» vorgeschlagen – neuere Konzepte wie die Kombination von Wohnen und Arbeiten oder Clusterwohnungen gefördert werden. «Bezahlbarer Wohnraum ist das erklärte Ziel», sagt Courvoisier. «Natürlich ist das ein dehnbarer Begriff, doch eine Genossenschaft kann im Neubausegment nur Preise leicht unter dem Marktniveau anbieten.»

Die Schwierigkeit dieses Unterfangens ist auch den Leuten von «LeNa» bewusst. So hat etwa das Zürcher Vorbild Kalkbreite in den Medien auch für Polemik gesorgt: Kritisiert wurde vor allem die Tendenz, dass Genossenschaften dieser Art schnell in erster Linie von Schweizer Mittelstandsfamilien mit gutem Bildungsrucksack bevölkert werden. «Wir möchten das vermeiden», sagt Domencia Ott. Dazu sollen Mehrgenerationenprojekte und Migrantenfamilien eingebunden werden. «Wir haben gute Ideen auf Lager, wie wir das bewerkstelligen können», verspricht sie.

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