In Basel fehlen die Wohnungen: Darüber wurde beim «Quartierpalaver» äusserst kontrovers diskutiert. Zumindest in einem Punkt waren sich aber sogar der Liberale Conradin Cramer und der Gassenarbeiter Michel Steiner einig.
Die Stadt wächst, günstiger Wohnraum ist knapp. Um geeignete Rezepte dagegen wird in der Politik schon seit Jahren gestritten. Unter dem Titel «Quo vadis Wohnpolitik Basel?» organisierte daher das Stadtteilsekretariat Basel-West am Donnerstag eine Podiumsdiskussion im Quartierzentrum Bachletten.
Bei diesem «Quartierpalaver» unterstrich Michel Steiner zunächst die Brisanz des Themas: Als Geschäftsleiter des Vereins für Gassenarbeit Schwarzer Peter ist er tagtäglich mit dem Problem konfrontiert: Im April habe die Anzahl Wohnungsloser in Basel mit 400 Leuten einen «Peak» erreicht. Momentan liege die Zahl wieder leicht darunter, doch die Tendenz sei über die letzten Jahre hinweg steigend gewesen. Dabei handle es sich bei den Betroffenen längst nicht nur um die bekannten Gesichter vom Claraplatz: «Vielen davon würde man es auf den ersten Blick gar nicht ansehen», sagte Steiner.
Die Sache mit der staatlichen Regulierung
Betrachtet man nur die Zahlen, so könnten diese Wohnungslosen gut irgendwo unterkommen: Regula Küng, Leiterin Fachstelle Wohnraumentwicklung, spricht von etwa 350 leeren Wohnungen. Davon wäre aber nur ein Fünftel mit dem Sozialhilfeansatz bezahlbar. Dazu kämen noch andere Probleme bei der Suche nach den eigenen vier Wänden: Viele Betroffene – nicht selten mit Betreibungen am Hals und oft nicht besonders fit – seien beim Ansturm auf die Wohnungen im Hintertreffen. Zudem seien viele schlecht informiert: So wüssten viele Familien zum Beispiel gar nicht, dass sie eigentlich Anspruch auf Mietzinsbeiträge hätten.
Ob Förderung von Genossenschaften, sozialverträgliche Neubauten wie das Projekt Volta Ost oder mehr Verdichtung – bei der Diskussion wurde eine Palette an Strategien angeschnitten. Dabei kam auch die Initiative «Recht auf Wohnen» zur Sprache, für die derzeit Unterschriften gesammelt werden. Conradin Cramer, Präsident der Raumplanungskommission, seufzte bei deren Erwähnung: «Das ist Symbolpolitik, die auf einen Missstand hinweist», sagte der LDP-Regierungsratskandidat. Dabei nutzte er die Gelegenheit, um sich gegen staatliche Regulierung auszusprechen: Künstlich in den Wohnmarkt einzugreifen, indem man Mieten drücke, sei der falsche Ansatz. Das Problem müsse nicht mit der Wohnbaupolitik, sondern mit Unterstützung der Leute angepackt werden.
Und gerade bei diesem Thema machte Michel Steiner auf Widersprüche aufmerksam: Massnahmen wie Mietzuschusserhöhungen würden wohl in der Basler Politik kaum durchkommen. Zudem gingen damit auch die Mieten in die Höhe.
Unterschiedliche Meinungen zu den Genossenschaften
Der Moderator Bernhard Senn warf die Frage auf, weshalb denn Investoren nicht bereit seien, Quersubventionen von billigen mit teuren Wohnungen zu forcieren. Cramer bemerkte, dass ein Privater wohl kaum auf die Rendite verzichten werde – das sei halt die Marktwirtschaft. Chancen sehe er jedoch beim gemeinnützigen Wohnungsbau – so etwa bei der geplanten Genossenschaft im alten Felix-Platter-Spital. Mit teuren Dachwohnungen sollen dort die kostengünstigen Angebote kompensiert werden.
Zum Thema Genossenschaften fand hingegen Silvan Bohnet kritische Worte: Genossenschaften seien nach seiner Erfahrung nicht so stark durchmischt, wie sie vorgäben, sagte der Projektleiter der Immobilienfirma Halter AG. Oft fehlten Ausländer und Vertreter der Unterschicht in der Mieterschaft. «Wie gemeinnützig ist das denn?», fragte Bohnet und plädierte für mehr Durchmischung.
Büroflächen als Potenzial
Als weiterer schwieriger Punkt wurde das Thema Verdichtung angeschnitten: Nach dem Nein zur Stadtrandentwicklung vor zwei Jahren ergeben sich nun erneut Fragen, wo die Stadt denn noch wachsen kann. Conradin Cramer stellte fest, dass viele eine Verdichtung aus übergeordneten und abstrakten Überlegungen eigentlich unterstützen würden. Doch sobald es konkret werde, hapere es – dann etwa, wenn es um ein Hochhaus oder gefällte Bäume gleich in der Nähe gehe.
Nicht nur das Potenzial ganzer Industrieareale wie etwa im Projekt «Klybeckplus», sondern auch kleinere Brötchen kamen zur Sprache: Michel Steiner plädierte dafür, mögliche Um- und Zwischennutzungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Da gebe es leerstehenden Wohnraum, der in den Statistiken gar nicht auftauche. Als Beispiele nannte er Häuser, die wegen Erbstreitigkeiten in Brache liegen, oder die vielen leeren Büros, die als Reserve behalten werden. Darin zu wohnen, sei nicht zonenkonform, heisse es stets. Dazu sagt Steiner: «Man versteckt sich gerne hinter Ausreden.»
Trotz ansonsten eher konträrer Ansichten waren sich Michel Steiner und der Conradin Cramer in diesem Punkt einig: Punkto Vorschriften müsse man flexibler sein. «Bei den Büroflächen etwa könnte man schon mal zwei Augen zudrücken», meinte Cramer. Regula Küng hielt fest, dass die Umnutzungen von Büros jedoch alles andere als einfach sei. Diese würden normalerweise rund 2000 Franken pro Quadratmeter kosten. Zudem könnten die Besitzer nicht zur Umnutzung gezwungen werden.
Vereinzelung als Faktor
Die Hoffnung, dass auch in der Immobilienwirtschaft ein Umdenken erfolgen könnte, nährte schliesslich Silvan Bohnet. Als wichtigen Faktor für die Wohnpolitik nannte er gesellschaftliche Veränderungen wie etwa die Vereinzelung: Einpersonenhaushalte werden immer häufiger. Seine Firma sei daher generell davon abgekommen, Grosswohnungen zu entwerfen und setze vermehrt auf flächeneffiziente Einheiten. Gleichzeitig machte er klar, dass der Run auf Wohnungen auch beim grösser werdenden Kuchen wie in Basel weiterhin ein Thema bleiben werde: «Der Druck auf preisgünstige Wohnungen wird immer bleiben», sagte Bohnet.