Ob Tobsucht und Tote bei «Fitzcarraldo» oder Herzinfarkt und Tropenstürme bei «Apocalypse Now» – wer im Dschungel dreht, muss mit Ungemach rechnen. Vor allem mit längerer Drehzeit. Das erfuhr dieses Frühjahr auch die Schweizer Crew, die im Süden Borneos für den ersten Spielfilm über Engagement und Leben von Bruno Manser Aufnahmen machte.
Dabei gab man sich im Vorfeld gut gerüstet: Man drehte im indonesischen Teil der Insel, um sich die Schergen der ehemaligen malaysischen Machthaber vom Leib zu halten, die den Basler Umweltaktivisten lieber tot oder ausser Landes haben wollten. Auch wählte man die offizielle Regenzeit, weil es die letzten Jahre genau dann am trockensten blieb.
Nur spielte die globale Klimaerwärmung heuer gegen die Schweizer Präzisionsplanung: Der Monsun blockierte den Beginn der Dreharbeiten im Dschungel. Gemäss «bz basel» wurden aus 50 geplanten 70 effektive Drehtage, ein fallender Baum zerstörte Equipment und das Budget wuchs von 4,6 auf 5,7 Millionen Franken. Nun fehlt eine halbe Million Franken.
Von Falkensteins Kehrtwende binnen zweier Jahre
Darum reichte LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein am Montag eine Interpellation ein. Darin fragt sie den Regierungsrat an, ob der Kanton Basel-Stadt nicht weitere finanzielle Unterstützung leisten könnte für den Film, der über die Filmförderung beider Kantone bereits 380’000 Franken bekommen hat. «Paradise War» war der erste Film, der 2016 den Höchstbetrag erhielt von der neugeschaffenen Filmförderung beider Basel für ambitionierte Kinofilmproduktionen. Bezahlt werden die Unterstützungsbeiträge aus Swisslos-Geldern.
«Eine nachträgliche Erhöhung des Beitrags ist aufgrund der Förderbestimmungen nicht möglich.»Katrin Grögel, Co-Leiterin Abteilung Kultur
Katrin Grögel, heute Co-Leiterin Abteilung Kultur, leitete damals die Geschäftsstelle Film und Medienkunst BS/BL. In dieser Funktion musste sie den Jury-Entscheid gegen die Kritik verteidigen, dass das Thema zwar baslerisch sei, die Produktionsfirma hinter dem Film jedoch aus Zürich stamme. «Die Filmemacher müssen 120 Prozent der von uns gesprochenen Fördersumme im film- und kreativwirtschaftlichen Sektor in der Region Basel ausgeben», sagte sie im Interview mit der TagesWoche.
Über von Falkensteins Interpellation müsste sich Grögel als ehemalige Filmfördererin eigentlich freuen. Doch die heutige Co-Leiterin Kultur Basel-Stadt zeigt sich irritiert und verweist auf die geltenden Förderbestimmungen: «Damit wird der Geschäftsstelle Film und Medienkunst BS/BL ein Rahmen gesetzt.» Filmschaffende, Politik und Öffentlichkeit dürften erwarten, dass die Bestimmungen auch Gültigkeit haben. Und dieses Reglement besagt klar: «Eine nachträgliche Erhöhung des Beitrags ist aufgrund der Bestimmungen innerhalb der Filmförderung nicht möglich.»
Eine Interpellation, die auf einen einzelnen Förderentscheid Bezug nimmt, habe Grögel noch nicht erlebt. Die Erfolgsaussichten der Interpellation von Falkensteins will sie als Co-Leiterin Kultur Basel-Stadt nicht kommentieren: «Ich kann keine Einschätzung zum Anliegen der Interpellation äussern. Über die Vergabe von Swisslos-Gelder entscheidet der Regierungsrat, ebenso wie über die Vergabe von Beiträgen aus dem Kompetenzkonto.
«Staatsstellen müssen ermöglichen und sollen nicht beleidigt sein wegen Ideen aus dem Parlament.»Patricia von Falkenstein, LDP-Präsidentin
Darin immerhin ist sich Grögel einig mit von Falkenstein, die diesen Swisslos-Topf erklärt: «Das Kompetenzkonto steht dem Regierungsrat zur Verfügung. Er kann daraus maximal 300’000 Franken sprechen für unvorhergesehene Aufgaben, die nicht budgetiert werden können.»
Weil es «um Befugnisse des Regierungsrates geht», hält die LDP-Präsidentin den Weg der Interpellation für den einzig richtigen: «Er ist vielleicht unkonventionell, aber Manser war eine unkonventionelle Persönlichkeit.» Auf den Einwand, dass ihr Vorgehen bei angefragten Kulturschaffenden für Irritation sorgte, erwidert von Falkenstein: «Ich kann mir nicht erklären, weshalb jemand betupft sein sollte. Staatsstellen müssen ermöglichen und sollen nicht beleidigt sein wegen Ideen aus dem Parlament.»
Ausserdem sei es nicht üblich, «vor einer Interpellation alle Betroffenen oder Beteiligten anzufragen». Das Parlament habe das Recht zu fragen, vorzuschlagen, anzuregen und zu korrigieren. «Das zeigt ein Blick auf andere Interpellationen anderer Parteien», sagt von Falkenstein.
Produktionsfirma wusste von nichts
Dass die Produktionsfirma von «Paradise War» (A Film Company GmbH aus Zürich) erst durch die Anfrage der TagesWoche von der Interpellation erfährt, ist dann doch eine Überraschung. Immerhin schlägt von Falkenstein im Papier durchaus konkrete Gegenleistungen für den finanziellen Zustupf vor. Etwa, dass die Filmpremiere in Basel stattfinden könnte.
«Vom Inhalt der Interpellation habe ich keine Ahnung, da wir nicht angefragt wurden. Eine Premiere in Basel ist aber auf jeden Fall eine Option», kommentiert Produzent Valentin Greutert die für ihn durchaus willkommene Überraschung. «Es freut uns, dass nun viele helfen wollen. In unserem Unterstützer-Netzwerk hat sich wohl eine Eigendynamik entwickelt.»
Greutert hat auch eine konkrete Vermutung, wie es zu von Falkensteins Interpellation kam: «Das hat wahrscheinlich Christoph Eymann in die Wege geleitet. Er ist impulsiv und geht auch ungewöhnliche Wege. Das finde ich super.»
Persönliche Verbindungen
Tatsächlich bestätigt Patricia von Falkenstein, dass der LDP-Nationalrat als Strippenzieher hinter ihrer Interpellation steckt: «Christoph Eymann, der mit Bruno Manser befreundet war, wurde bereits vor einiger Zeit von den Produzenten um Mithilfe bei der Finanzierung gebeten.» Verantwortlich für die Finanzierung ist der ebenfalls mit Manser befreundete Kaspar Müller. Und dieser «hat ihn (Eymann, d. Red.) kürzlich in dieser Angelegenheit kontaktiert und gebeten, bei der Suche nach privaten und öffentlichen Geldern zu helfen».
Sie selber habe Manser nicht gut gekannt, sagt von Falkenstein: «Es geht um das Resultat und um die Positionierung der Heimatstadt von Bruno Manser.»
Doch erklären die persönlichen Verbindungen wohl am besten, weshalb sie sich plötzlich mit unkonventioneller Filmförderung profiliert. Denn bei der zukunftsweisenden Abstimmung über die substanzielle Erhöhung der Filmförderung im April 2015 gehörte von Falkenstein im Grossen Rat zu den Gegnerinnen.
Zu ihrem heutigen Glück war sie damals in der Minderheit. Denn ohne den Grundsatzbeschluss beider Basel, mehr in die Filmbranche zu investieren, hätte es «Paradise War» wohl nicht in den Dschungel geschafft. Zumindest nicht mit substantieller Basler Unterstützung.
Trockene Richtlinien oder persönliche Kriterien
Darum ist auch Philipp Cueni eher skeptisch gegenüber von Falkensteins Engagement. Als Präsident von Balimage, dem Verein Basler Filmschaffender, hat er sich sehr um die neuen Förderregeln bemüht. Nun vertraut er wie Grögel lieber auf Reglemente denn auf kreatives Querdenken: «Ein Einsatz für den Basler Film ist uns natürlich sympathisch. Für die konkreten Projektgesuche selbst hat der Grosse Rat Jurys und Reglemente bestimmt. Der politische Weg über den Grossen Rat und den Regierungsrat ist da eigentlich nicht vorgesehen.»
Doch die Politik hat es in der Hand, ob der Aufschwung im Basler Film weitergeht. Kommenden Winter stimmt der Grosse Rat über eine Verlängerung des Vierjahres-Vertrages ab: Es geht darum, ob weiterhin trockene Richtlinien allgemeingültige Rahmenbedingungen für einen zaghaften Aufschwung der Filmszene schaffen. Oder ob es dank Beziehungen individuelle Filmförderung und finanzielle Rettungsschirme gibt, wo persönliche Kriterien den Ausschlag geben.