Eine Chance bloss besitzt der FC Basel im Achtelfinal-Hinspiel – und die reicht Derlis Gonzales vor 34’500 Zuschauern im Joggeli zum Führungstor gegen einen imponierend aufspielenden FC Porto, der erst spät in der 79. Minute mit einem Handspenalty ausgleichen kann. Die Portugiesen werden jedoch im Rückspiel in drei Wochen eine hohe Hürde für die Basler darstellen.
Was bleibt nach diesen 98, 99 Minuten, in denen der FC Basel so durchgeschüttelt wurde wie selten in den vergangenen Jahren in seinem eigenen Stadion, wie seit Oktober 2008 nicht mehr, als es der FC Barcelona mit einem 0:5 bewenden liess? Die Hoffnung, dass es am 10. März ein ganz anderer Abend wird, ein ganz anderes Rückspiel? Dass der FC Porto nicht so gut Fussball spielt, wie er ihn den 34’464 Zuschauern in Basel demonstriert hat?
So wie der FC Basel dominiert wurde von den Portugiesen, kann er nach der ersten Hälfte dieses Achtelfinals das Resultat als das Beste für sich verbuchen. Er kann froh sein, dass ein ausgezeichnetes Schiedsrichtergespann den vermeintlichen Ausgleich kurz nach der Pause nachträglich annullierte. Und er kann erleichtert sein, dass die Gäste einen langen Anlauf benötigten, um das 1:1 in der 79. Minute zu erzwingen.
In der Schlussphase spielte Porto nicht mehr dezidiert auf den Siegtreffer, was Basel in den drei Wochen bis zum Rückspiel immerhin Raum zum Träumen gibt. Und Zeit, um auszuhecken, was man dannzumal im Dragao diesem FC Porto entgegensetzen will.
Sousa: «Unser schlechtestes Spiel»
Ungewöhnlich hart geht Paulo Sousa mit seiner Mannschaft ins Gericht. «Es war unser schlechtestes Spiel bisher. Ich bin froh, dass wir es überstanden haben», sagt der FCB-Trainer, der Angst gespürt hat bei seinem Team.
«Porto hat das Ergebnis verdient – wenn nicht sogar mehr» – Paulo Sousa, ein hadernder FCB-Trainer. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)
Wenn nicht Angst verbreitend, so hatte der Gegner bereits in den ersten Minuten zumindest respekteinflössend den Ball schnell und präzis durch seine Reihen laufen lassen. Wer diesen FC Porto als dankbaren Gegner in den Achtelfinals betrachtet hatte, gar als Sprungbrett in die nächste Runde, muss sich getäuscht sehen.
Daran änderte auch das frühe Führungstor des FCB nichts. Ein Treffer aus dem Nichts, eingeleitet mit einem Pass von Schär-Ersatz Walter Samuel, vorbereitet mit einem wunderbaren 40-Meter-Ball von Fabian Frei in den Lauf von Derlis Gonzalez. Im Rücken von Marco Streller, der geschickt den Raum öffnete, entwischte der flinke Paraguayaner seinem Gegenspieler Alex Sandro, Marcano kam zu spät und Torhüter Fabiano übermotiviert aus seinem Tor.
Gonzales’ Tor – wunderschön, aber auch ein einsamer Höhepunkt
Es war in der Entstehung fast eine Kopie von Gonzales‘ Treffer beim 4:0 gegen Razgrad. Ein blitzsauberes Tor wie mit einer Schablone gezeichnet. Es war in der elften Minute aber auch der einsame offensive Höhepunkt des FCB-Spiels. Mehr Chancen besass das Heimteam nicht, nicht einmal im Ansatz.
Das Tor und der folgenschwere Zusammenstoss: Derlis Gonzalez eingeklemmt zwischen Porto-Goalie Fabiano und Alex Sandro. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Mit letztem Einsatz, im Fallen spitzelte Gonzales den Ball mit dem rechten Fuss am Porto-Keeper vorbei. Dabei kam es zu einem folgenschweren Zusammenprall, bei dem Gonzales vom Knie des Torhüters am Hinterkopf getroffen wurde. Nach zweimaliger Behandlung am Spielfeldrand war klar, dass der benommen wirkende Stürmer aufgeben muss.
Fakten zum Spiel FCB–FC Porto 1:1 | ||
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FCB | Porto | |
Ballbesitz (total) | 40 % | 60 % |
Ballbesitz Halbzeit | 39 % | 61 % |
Angriffe | 13 | 48 |
Schüsse | 1 | 15 |
Schüsse aufs Tor | 1 | 7 |
Paraden | 10 | 0 |
Aluminiumtreffer | 0 | 0 |
Eckbälle | 0 | 9 |
Abseits | 5 | 4 |
Fouls | 21 | 13 |
Gelbe Karten | 5 | 4 |
Rote Karten | 0 | 0 |
Pässe | 280 | 532 |
angekommene Pässe | 217 | 459 |
Passquote | 78 % | 86 % |
gelaufene Meter (Team) | 123’703 | 123’375 |
Für Gonzales kam Davide Calla – an der Physiognomie der Partie aber änderte sich nichts. Im Gegenteil. Porto zog sein Spiel schier nach Belieben auf, vor allem über die starke rechte Seite mit Tello, über Herrera, über die nachstossenden Casemiro und Aussenverteidiger Danilo.
In der Abwehr hielt der FCB dem Druck zwar stand, liess er nicht viele hochkarätige Chancen zu, aber in der Vorwärtsbewegung verlor er viel zu schnell den Ball, brachte er nichts Konstruktives zustande und war er ständig zum Reagieren gezwungen. Es wuselten Frei, Elneny und Co. ständig in Unterzahl hin und her zwischen den leichtfüssig kombinierenden Portugiesen, bei denen kein einziger Portugiese in der Startelf stand, dafür fünf Brasilianer, und die bald einmal fast 70 Prozent des Ballbesitzes für sich beanspruchten.
Der souveräne Schiedsrichter
Glück hatte der FCB, dass Schiedsrichter Mark Clattenburg den Griff von Walter Samuel an Jackson Martinez‘ Schulter als nicht elfmeterwürdig taxierte. Glück hatte Marcano, dass er kurz vor der Pause für ein derbes Foul an Taulant Xhaka straffrei davon kam, ebenso wie der offensichtlich enervierte Goalgetter Martinez, der in der Nachspielzeit Behrang Safari mit dem Ellenbogen traktierte.
Der englische Unparteiische löste die hitzige Szene mit einem Krisengipfel, zu dem er die beiden Captains zu sich zitierte. Ähnlich souverän löste Clattenburg auch unmittelbar nach dem Seitenwechsel den nächsten Aufreger. Casemiro hatte nach einem von Vaclik abgewehrten Maicon-Kopfball den Abpraller mit einem feinen Aussenriststoss zum vermeintlichen Ausgleich über die Linie gebracht.
Das aberkannte Tor: Casemiro trifft, aber Marcano und Jackson Martinez irritieren in Abseitsposition den FCB-Schlussmann Tomas Vaclik. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
In den Jubel der gut und gerne 5000 Porto-Fans im Joggeli hinein, mit einer Verzögerung von einigen Augenblicken korrigierte sich Clattenburg nach Beratung mit seinem Assistenten an der Linie: Zwei Porto-Spieler standen unmittelbar vor Vaclik in Abseitsposition und irritierten den FCB-Schlussmann. Die Annullierung des Treffers war für die Basler eine Erleichterung, aber es sollte eine verübergehende sein.
Der Elfmeter – Folge des Dauerdrucks
Denn dieser FC Porto liess nicht locker. «Wir müssen neidlos anerkennen, dass das eine überragende Mannschaft ist», sagt Marco Streller, der nach einer Stunde für Breel Embolo Platz machte, «ich habe selten einen Gegner gesehen, der im Joggeli so viel Ballbesitz hatte.»
- «Das war einfach schlecht» – die Reaktionen der Spieler
- Ein typischer Gonzalez und ein entscheidender Samuel – die Einzelkritik
Martinez verfehlte mit einem Heber das Ziel noch knapp (65.), dem Dauerdruck entsprangen zwar keine klaren Möglichkeiten, aber dem FCB gelang es vor seinem geduldigen, mitleidenden Publikum in keiner Form, für Entlastung zu sorgen. Fast zwangsläufig entstand der Ausgleich. Fein und in hohem Tempo herauskombiniert über den rechten Flügel bis auf die Grundlinie, wo Danilo den Rückpass spielte und Walter Samuel bei seiner Notgrätsche den Ball mit dem Arm blockierte. Ein klarer Fall.
Auch für Danilo, der sich den Ball schnappte, mit einem harten und platzierten Schuss unten links traf und Vaclik, der in die richtige Ecke unterwegs war, keine Chance liess.
«Porto hat sich dieses Ergebnis verdient – wenn nicht sogar mehr», anerkennt Paulo Sousa ohne Umschweife, wohingegen sein spanischer Kollege Julen Lopetegui achselzuckend und vermutlich im sicheren Gefühl, dass der nötige Schritt im Heimspiel gemacht werden kann, sagt: «Wir müssen mit diesem Ergebnis leben. Ich wäre trauriger gewesen, wenn wir die Partie verloren hätten.»
Paulo Sousa und die Illusion fürs Rückspiel
Was Lopetegui für sein Team reklamiert: «Wir waren überlegen gegen eine Mannschaft, die hier im eigenen Stadion überlegen gegen Real Madrid gespielt hat.» Das kann dem FCB im Moment nur bedingt Trost sein. Er wurde doch deutlicher an seine Grenzen herangeführt, als man das vermutet hatte, vor noch grössere Probleme gestellt, als sie Sousa vorhergesagt hatte. Gegen einen FC Porto, der zum 19. Mal an der Champions League teilnimmt und diese auch schon gewonnen hat.
Der FCB, der sich erst zum sechsten Mal mit den Besten Europas misst, wird, so Sousa, «in Porto ein ganz anderes Gesicht zeigen». Nicht dabei sein wird Marek Suchy. Er sah eine von fünf gelben Karten für den FCB und wird in Porto gesperrt sein. Vor allem aber wird sich der Trainer eine taktische Lösung einfallen lassen müssen. Dass ihn der Mittwochabend ins Grübeln gebracht hat, veranschaulicht sein Schlusswort: «Wir reisen mit einer gewissen Illusion nach Porto, aber auch mit der Hoffnung, dass es besser wird.»
Aus unserem Vorschau-Programm:
» Was die Trainer, Paulo Sousa, und Julen Lopetegui zu sagen haben
» Der Geniesser mit der weissen Weste – das Interview mit Luca Zuffi
» Buchers Porto – unsere Serie zum Gegner
» Immer weiter – ein Kommentar zum FCB