Die Super League hat auch ihre Wahl getroffen: Am FC Basel kommt weiterhin keiner vorbei. Der Meister gewinnt beim FC Sion 2:0 (1:0), führt weiter mit sieben Punkten vor GC und baut den Vorsprung auf die Young Boys auf neun Zähler aus. Marc Janko entscheidet mit seinen Ligatoren 8 und 9 eine hochstehende und bis zur 89. Minute hochspannende Auseinandersetzung im Wallis.
Es ist mal Zeit, diesen Trainer des FC Basel zu loben und zu preisen. Nicht allein dafür, wie er den Übergang von Paulo Sousa souverän gemeistert hat, auch nicht für die nackte Bilanz von 20 Pflichtspielen mit lediglich einer Niederlage und den daraus resultierenden komfortablen Vorsprung in der Tabelle.
Wie Urs Fischer seine Mannschaft aus der Länderspielpause in diesen kapitalen Auswärtsmatch gecoacht hat, wie er sie auf das schwierige Terrain in Sion eingestellt hat und wie auf das frühe Ausscheiden von Walter Samuel reagiert wurde, zeugt von der grossen Umsicht, mit der er das Team führt.
Darf sich freuen über das, was er von seiner Mannschaft im Sittener Tourbillon zu sehen bekam, und hat selbst ein gerüttelt Mass Anteil daran: FCB-Trainer Urs Fischer. (Bild: Keystone/VALENTIN FLAURAUD)
Die Worte Fischers an die Mannschaft haben jedenfalls verfangen. Am Freitag hatte er mit einer verklausulierten Formulierung angedeutet, dass beim Tabellenführer ein paar Sachen auf den Tisch gekommen sind, die dem Cheftrainer zuletzt nicht gefallen haben. In der Öffentlichkeit ging er nicht ins Detail, aber was Fischer an Kompaktheit – ein Wort, das man seit Christian Gross nur noch selten vernommen hat in Basel – eingefordert hat, demonstrierte die Mannschaft im Tourbillon: Es war ein geschlossener Auftritt einer Einheit.
Und dieser FCB war gefordert von einem starken Sion, das stürmisch begann, das sich durch Marc Jankos frühes Führungstor für den FCB in der 5. Minute nicht beeindrucken liess, das einen Pfostenschuss von Edmilson Fernandes verzeichnete (13.), das die beste Chance für Moussa Konaté an einer grossen Parade von Tomas Vaclik enden sah und das in Ebenezer Assifuah einen Rechtsaussen hatte, der den anstelle von Philipp Degen in die FCB-Startelf gerückten Naser Aliji ein paar Mal schwindlig spielte.
Der erstaunliche Manuel Akanji
Die erstaunlichste Erkenntnis des Nachmittags aber war, mit welcher Selbstverständlichkeit Manuel Akanji den Platz von Walter Samuel einnahm. Der Argentinier laboriert an chronischen Achillessehnenbeschwerden, die sich beim Warmlaufen im Tourbillon akzentuierten. Weil der Routinier den Staff darauf aufmerksam gemacht hatte, hielt sich Akanji vom Anpfiff weg an der Seitenlienie parat. «Entweder es hält, oder es geht nicht weiter», erklärte Fischer den Einsatz Samuels.
17 Jahre Unterschied: Der angeschlagene Walter Samuel (rechts, daneben Teamarzt Felix Marti) geht, Manuel Akanji, die Verteidigerhoffnung beim FC Basel, kommt. (Bild: Urs Lindt/freshfocus)
Es reichte dem Innenverteidiger dann nach fünf Minuten nicht einmal mehr rechtzeitig zur Jubeltraube um Marc Janko. Schweren Schrittes schlich der 37-Jährige dem Torschützen entgegen, klatschte sich mit ihm ab und musste kurz darauf passen. So standen dem FCB ab der siebten Minute quasi 17 Jahre Verteidigererfahrung weniger zur Verfügung. Wie der 20-jährige Manuel Akanji die Aufgabe löste, war jedoch beeindruckend. Und das gegen Moussa Konaté, einen der gefürchteten Goalgetter der Liga.
Fischer: «Akanji hat die Chance genutzt»
Fehlerfrei stand Akanji neben Marek Suchy im Zentrum und zeitweilig im Auge des Sturms, den Sion vor allem nach dem Seitenwechsel noch einmal für 20 Minuten entfachte. Mit Ruhe am Ball, beherzt im Bodenkampf wie bei den Kopfbällen agierte der vom FC Winterthur geholte U21-Nationalspieler, und das mit gutem Timing.
Urs Fischer verhehlte nicht seine Freude über den gelungenen ersten, längeren Auftritt Akanjis, der zweimal im Cup zum Einsatz gekommen war und Ende September in Lugano für ein paar Minuten debütiert hatte. «Er hat hart für diese Chance arbeiten müssen, es gab auch Phasen, in denen er ungeduldig war», schildert Fischer, «aber er besitzt wie alle anderen Spieler auch mein vollstes Vertrauen – und er hat die Chance genutzt.»
Ein Kampf auf Biegen und Brechen: Breel Embolo im Kopfballduell gegen den Sittener Elsad Zverotic. (Bild: Keystone/VALENTIN FLAURAUD)
Fischer erinnerte an sein eigenes Debüt als Profi, auch in Sion, das vor vielen, vielen Jahren mit einer 1:6-Packung für den Zürcher geendet hatte. Umso mehr freute er sich für das neue Verteidigertalent: «Dass er Potential hat, wissen wir, sonst wäre er nicht beim FC Basel.»
Ein Spiel mit Klasse und Rasse
Die Physis, die Akanji mitbringt, konnte der FCB im Tourbillon gut gebrauchen. Denn es entwickelte sich eine sehr intensive Auseinandersetzung, ein Spiel mit Rasse und Klasse, mit vielen engen Zweikämpfen, mit entsprechend vielen kleinen und ein paar gröberen Fouls, die vom guten Schiedsrichter Sandro Schärer mehrheitlich richtig taxiert wurden. Und die spielerische Note kam dabei nicht zu kurz: Basel trat stilsicher auf, und Sion suchte die Lösung, um den Rückstand wettzumachen, mit fussballerischen Mitteln.
Der FCB geriet immer wieder unter Druck, hier und da hätte sich Fischer eine einfachere Lösung gewünscht («Den Ball auch mal aus dem Stadion hauen»), aber seine Mannschaft konnte sich auch postwendend stets wieder aus der Umklammerung befreien. Die wenigen, ganz grossen Hochkaräter an Chancen musste sich der FC Sion schwer erarbeiten.
Die beste vergab Veroljub Salatic in der 54. Minute nach einer starken Aktion von Assifuah. Fernandes scheiterte nach toller Vorarbeit von Carlitos 20 Minuten später an Vaclik und traf den FCB-Keeper mit gestrecktem Bein an der Brust. Ähnlich endete eine Rettungstat Vacliks in der 90. Minute, diesmal schmerzhaft getroffen von Assifuah.
Es war dies schon eine von Frust geprägte Aktion, denn Sekunden zuvor hatte Marc Janko die Partie mit seinem zweiten Treffer entschieden. Mit einer Vorlage von Breel Embolo umkurvte der Österreicher Sion-Schlussmann Andris Vanins und traf souverän aus spitzem Winkel. Zehn Minuten zuvor hatte Janko in einer fast identischen Situation noch akzeptieren müssen, wie Reto Ziegler den Ball von der Linie kratzte.
Bjarnasons grösste anzunehmende Torchance
«Meiner Ansicht nach gab es eigentlich über die gesamte Distanz nie Zweifel, wer als Sieger vom Platz geht», sagt Janko. Das Zittern bis zur 89. Minute hätte sich der FCB allerdings ersparen können. Aus der ersten Halbzeit datiert ein Freistoss von Matias Delgado an die Querlatte, und Embolo versiebte nach feiner Vorarbeit Alijis eine Kopfballchance sondergleichen.
Das Zeug in der Kategorie «die grössten vergebenen Torchancen der Saison» noch weiter oben zu landen hat jedoch Birkir Bjarnason. Nachdem Vanins seine Hände noch an einen gewaltigen Volleyschuss des eingewechselten Shkelzen Gashi bekommen hatte, lag der im Fünfmeterraum trudelnde Ball für Bjarnason bereit zum Einzuschieben. Stattdessen pfefferte der Isländer die Kugel meterhoch übers Tor.
Janko: «Ohne Mitspieler wäre ich nichts»
Bleibt neben dem Trainer und neben Akanji eigentlich nur noch, Marc Janko herauszuheben. Nicht allein wegen seiner beiden Treffer, Nummer 8 und 9 in der Liga, die er mit der ihm eigenen Kaltblütigkeit erzielte. Er war ansonsten so oft gefordert wie selten zuvor im FCB-Dress als Speerspitze und lieferte sich viele schmerzhafte Duelle mit dem ebenso kantigen Sion-Innenverteidiger Léo Lacroix.
«Er weiss, wo das Tor steht» – grosser Worte von Urs Fischer bedarf es nicht, seinen Torjäger Marc Janko zu loben. (Bild: Keystone/VALENTIN FLAURAUD)
Der 32-jährige Österreicher erweist sich immer mehr als einer der Schlüsseltransfers des vergangenen Sommers, und er fühlt sich auch noch nicht so müde wie Walter Samuel, der am Samstag im Interview mit der «NZZ» seinen Rücktritt vom Profisport zum Ende der Saison angekündigt hat. «Mit 32 ist man noch nicht im Dinosaurier-Alter», sagt Janko zu seinen eigenen Regenerationsbedürfnissen.
Mit seinen insgesamt 14 Scorerpunkten (10 Treffer, 4 Assists) liegt Janko hinter Luca Zuffi (16) clubintern gleichauf mit Delgado, und in der Super-League-Torschützenliste hat er zu Dario Lezcano aufgeschlossen. Aber die, sagt Janko, interessiert ihn nicht. Er beharrt auf dem Kollektivgedanken: «Ich weiss, dass es eine abgedroschene Floskel ist, aber ohne die Zuspiele meiner Mitspieler funktioniert es nicht. Deshalb kann ich diesen Ball immer nur zurückspielen und darauf verweisen, dass ich ohne Mannschaft nichts wäre.»
Ziegler: «Hört endlich auf mit dem Finale»
Und während im Wallis die Leute ihre Erwartungen weiterhin am Cupfinal-Triumph gegen den FCB messen und Reto Ziegler den Journalisten entgegen schleuderte: «Hört endlich auf mit diesem Finale!», bleibt der FC Basel das Mass der Dinge. Inzwischen 16 Punkte vor Sion, das seit viereinhalb Jahren (!) in 18 Meisterschaftsspielen nicht mehr gegen Basel gewinnen konnte.
«Gegen dieses Sion auswärts zu gewinnen, das ist ein guter Moment – dafür verdient meine Mannschaft ein grosses Kompliment», sagt FCB-Trainer Fischer. Er hat offenbar zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ton getroffen, um die Sinne seiner Spieler zu schärfen.
Die Chancen gegen Belenenses und YB
Noch ist die Super-League-Tabelle für den Trainer nur eine Momentaufnahme, aber als nächstes bieten sich den Rotblauen zwei Gelegenheiten, um dem Gemälde dieser Saison schon einmal die Grundierung zu verleihen: Am Donnerstag, daheim Belenenses, kann der FCB einen grossen Schritt machen, um in der Europa League zu überwintern. Und am Sonntag kommen die Young Boys, die mit einem Heimsieg um zwölf Punkte distanziert wären.
Da muss der Trainer unter der Woche wahrscheinlich gar nicht viel erzählen.
Unser Aufwärmprogramm:
» Ein Trainer schärft seinen Spielern die Sinne – FCB-Coach Urs Fischer und sein Team nach der Länderspielpause
» Der FC Sion zahlt den Preis für den Cupsieg – Trainer Didier Tholot hinkt mit seinem Team den Erwartungen im Wallis hinterher
» Die Verletzungs-Bilanz des FC Basel – Wie es um die Gesundheit der FCB-Spieler im Vergleich einer Uefa-Studie mit europäischen Spitzenclubs steht
Walter Samuel kündigt Rücktritt an
Und dann ist das noch das Interview in der «NZZ», in dem Walter Samuel zum Saisonende seinen Rücktritt vom Profifusball ankündigt. Er sei müde, sagt er. Heute muss er aber in Sion noch mal an die Säcke.