Das Desaster von Valencia und warum es für den FC Basel nicht wieder so weit kommen muss

Die These lautet: In Sevilla stemmt sich eine andere, eine stabilere Mannschaft des FC Basel gegen einen mächtigen Gegner und das Ausscheiden im Europacup. Das war vor zwei Jahren in Valencia eine ganz andere Ausgangslage. Beteiligte an jener schwarzen Nacht im Mestalla blicken zurück und versprühen gleichzeitig ein wenig Zuversicht für die Prüfung in Sevilla.

FC Basel's disappointed players Basel's Fabian Frei, left, and Basel's Taulant Xhaka, right, leave the pitch after the UEFA Europa League quarter final second leg soccer match between Spain's Valencia CF and Switzerland's FC Basel 1893 at the Mestalla stadium in Valencia, Spain, on Thursday, April 10, 2014. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Die These lautet: In Sevilla stemmt sich eine andere, eine stabilere Mannschaft des FC Basel gegen einen mächtigen Gegner und das Ausscheiden im Europacup. Das war vor zwei Jahren in Valencia eine ganz andere Ausgangslage. Beteiligte an jener schwarzen Nacht im Mestalla blicken zurück und versprühen gleichzeitig ein wenig Zuversicht für die Prüfung in Sevilla.

Die wenigen im Stadion samt dem Grossteil der Fangemeinde vor den TV-Geräten reiben sich am 3. April 2014 verwundert die Augen. Der mit reichlich Vorschusslorbeeren angereiste Valencia Club de Fútbol liefert einen so stumpfen Auftritt in Basel ab, wie der des FCB gleichermassen verblüffend ist. 3:0 heisst es am Ende, und Rotblau weiss gar nicht, wie ihm geschieht. Und gleichzeitig geht der Abend als Erweckungserlebnis für IHN ein.

Matias Delgado, hinter dem einige Anlaufschwierigkeiten lagen seit seiner Rückkehr in die Schweiz, erzielt zwei Tore und nährt damit die Hofnung, zum zweiten Mal innert Jahresfrist in die Halbfinals der Europa League einzuziehen.

Wie die Geschichte endete, ist noch in wacher Erinnerung. Mit 0:5 geht Basel an der Costa del Azahar unter. In der Verlängerung kassiert der Schweizer Meister in doppelter Unterzahl die entscheidenden Treffer.

Auf der Reise nach Sevilla haben wir mit Beteiligten an der «schwarzen Nacht von Valencia» (TagesWoche seinerzeit) gesprochen, und die Quintessenz lautet: An diesem Donnerstag, 23 Monate später, stemmt sich eine andere Mannschaft gegen ein weiteres Scheitern und die Bilanz in Spanien mit sechs Niederlagen und zwei Remis. Es ist im Frühjahr 2016 ein stabiler wirkendes Team, als es damals aufgeboten werden konnte. Allerdings trifft dieser FCB 2016 nach Einschätzung der Protagonisten auch auf ein Sevilla, das noch stärker, stilsicherer und selbstbewusster auftreten wird als die Valencianos.

Streller verletzt, Suchy gesperrt – und dann fällt auch noch Stocker aus

Markus Hoffmann sass 2014 im Stadion Mestalla als Co-Trainer neben Chefcoach Murat Yakin. Dem ist Hoffmann im selben Jahr noch nach Moskau gefolgt, eher der Österreicher auf diese Saison hin zurückkehrte nach Basel, um nun Urs Fischer zu assistieren.

Vor zwei Jahren stellte Hoffmann mit etwas Abstand zu den Ereignissen in Valencia nüchtern fest, dass mit dem zur Verfügung stehenden Personal damals nicht mehr möglich gewesen sei. Was er meint: Zu dünn besetzt das Kader, um in Europa gegen die Grossen mithalten zu können und gleichzeitig seine Hausaufgaben in der Meisterschaft zu erledigen.

Die Startelf liess sich am 10. April 2014 noch durchaus sehen:

Bei der Liste der Absenzen kommt allerdings der Verdacht auf, dass etwas fehlt, um als FC Basel im Europacup unter die besten vier vorzudringen. Captain Marco Streller fehlt, Ivan Ivanov, Kay Voser, Philipp Degen und Arlind Ajeti sind ebenfalls verletzt, Marek Suchy ist gesperrt, Davide Callà nicht spielberechtigt, und zu allem Überfluss fällt auch noch Valentin Stocker aus, der Schütze des 3:0 in der Schlussminute des Hinspiels.

Eine Ersatzbank voller Greenhörner

Matias Delgado wird deshalb mangels Alternative in Valencia als Sturmspitze aufgeboten, und Marcelo Diaz, der seine Stärken eindeutig ein, zwei Linien weiter hinten hat, fungiert als einer Art «Zehner».

Nachgerade spektakulär ist die Besetzung der Ersatzbank. Neben der Nummer 2 im Tor, dem ewigen Germano Vailati, sowie Giovanni Sio sitzen dort Teenager, die noch nie in der ersten Mannschaft gespielt, sondern höchstens mal ein paar Minuten Luft geschnuppert haben und von denen man teilweise gar nicht auf Anhieb sagen kann, wo sie gelandet sind. Simon Dünki etwa (heute: FC Schaffhausen) oder Admir Seferagic (FC Wohlen). Ausserdem: Naser Aliji, Albian Ajeti und der gerade 17 Jahre alt gewordene Breel Embolo.

Die Dinge nehmen ihren unvermeidlichen Lauf

Bei dieser Aufzählung zieht Behrang Safari kurz vor dem Aufbruch nach Sevilla ungläubig die Augenbrauen hoch: «Tatsächlich!?»

Es ist quasi das letzte Aufgebot des FCB, und damit kann er im Mestalla vor 35’000 Zuschauern über eine halbe Stunde lang das Gleichgewicht halten. «Der Start war perfekt», erinnert sich Safari, «wir hatten sogar Chancen, und das Publikum wurde unruhig.» Dann leitet ein Ballverlust von Marcelo Diaz das 1:0 ein (38.), und kurz vor der Pause können Fabian Schär sowie Taulant Xhaka im Luftduell das 2:0 nicht verhindern.

Valencia und seine Fans haben Blut geleckt. Nach Seitenwechsel ist das dritte Tor nur noch eine Frage der Zeit. Die Atmosphäre schlägt ins Frenetische um, Goalie Yann Sommer hext, der Torpfosten hilft, aber in der 70. Minute ist der Gleichstand hergestellt. Die Dinge nehmen ihren schier unvermeidlichen Lauf.

Die falschen Erwartungen

Die Geschichte dieses Ausscheidens führt Markus Hoffmann auch auf das Hinspiel zurück, auf jenes aufsehenerregende 3:0: «Das war zu einfach. Wir wussten ja gar nicht, warum wir so hoch gewonnen hatten. Das hat falsche Erwartungen geweckt.» Nicht nur bei den Fans, auch innerhalb der Mannschaft.

Im Rückspiel schwant dem Assistenztrainer schon nach dem ersten Gegentor: «Das wird verdammt schwer.» Nun, mit dem ebenso kritischen wie begeisterungsfähigen Publikum im Rücken, habe Valencia eine andere Körpersprache auf den Platz gebracht. Hoffmann: «Und wenn bei so einer Mannschaft dann mal der Zug ins Rollen kommt…»

Die dummen roten Karten

Dass ein Unglück selten allein kommt, erfahren die Basler in der Verlängerung. Erst fliegt Marcelo Diaz für eine Unbeherrschtheit vom Platz, dann kassiert Gaston Sauro innert einer Zeigerumdrehung zweimal Gelb. Der FCB ist zwei Mann weniger. «Zwei dumme rote Karten», sagt Safari im Rückblick.

Sio hat inzwischen Delgado abgelöst, Aliji ist für David Degen gekommen und zum Schluss kommt Embolo für Safari, der zwei Jahre später sagt: «Die Bank – das macht am Ende den Unterschied.»

Es steht noch 3:0, als sich Geoffrey Serey Die in doppelter Unterzahl ein Herz fasst, solo bis an die Strafraumgrenze stürmt, doch sein Schuss wird nicht zum Lucky Punch und verfehlt das Ziel um Haaresbreite.

Das Desaster im SRF-Zusammenschnitt:

«Wenn wir das 0:0 ein paar Minuten länger halten können…», sinniert Matias Delgado, «das Schimmste war das 2:0 kurz vor der Pause.» Und am Ende, findet der heutige Captain des Teams, «am Ende war es ein Desaster.»

Auf dem letzten Tropfen Sprit

Georg Heitz hat keine eigenen Eindrücke von jenem schwarzen Abend. Er weilt seinerzeit in Japan, um den Transfer von Yoichiro Kakitani unter Dach und Fach zu bringen. Es ist tiefe Nacht im Fernen Osten, und der Sportdirektor wird vom Präsidenten auf dem Laufenden gehalten.

Bernhard Heusler sitzt mit zwiespältigen Gefühlen im Mestalla, begleitet von «der ewigen Sorge, ob es in der Meisterschaft zum Titel reicht». Der FCB liegt gerade einmal einen Punkt vor den hartnäckigen Grasshoppers und läuft in Valencia auf dem «letzten Tropfen Sprit», wie Heusler das ausdrückt.

Im Nachhinein betrachtet meisterte die Mannschaft nur drei Tage nach der Kanterniederlage in Valencia mit dem 1:0-Sieg in Sion eine anspruchsvolle Aufgabe der anderen Art. Und an diesem Sonntag führt nach dem Europacup-Trip nach Sevilla der Weg wieder ins Wallis. Dieses Mal allerdings mit einem Vorsprung in der Tabelle, der die präsidiale Beunruhigung in Grenzen halten sollte.

Hoffmann sieht «eine andere Basler Mannschaft»

Was das alles für diesen 17. März 2016 bedeutet? Nichts, wahrscheinlich. Ausser vielleicht, «dass wir aus dem Spiel in Valencia viel gelernt haben», wie Delgado sagt. Er, Safari, Xhaka zumindest und Embolo mit seinen vier Minuten von Valencia.

Diesmal tritt der FCB ohne jedes Polster an nach dem 0:0 im Hinspiel. Und er sieht sich einem Kontrahenten gegenüber, «der über Valencia zu stellen ist», wie Markus Hoffmann urteilt.

Fischers Assistent ist jedoch auch mit einer Portion Zuversicht nach Andalusien gereist. «Es steht eine andere Basler Mannschaft auf dem Platz, eine, die unglaublich diszipliniert spielen kann, die weniger von Einzelnen lebt und die im Hinspiel viele Sachen sehr gut gemacht hat.»

Den Respekt, den Sevilla dem FCB entgegenbringt, leitet Hoffmann unter anderem vom taktischen Verhalten ab: «Waren wir in Ballbesitz, haben sie sofort versucht, mit allen Mann hinter den Ball zu kommen. Auch Sevilla ist sich bewusst, dass es gefährlich werden kann gegen uns, wenn nicht alle mitmachen.» Hoffmann ahnt aber auch: «Sie werden im Heimspiel anders auftreten.»

__
Vor dem Rückspiel Sevilla–Basel:

» Michael Langs rechter Fuss, Unai Emerys Warnung und Bernhard Heuslers Vorfreude

» Die Bilder vom FCB-Training im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán von Sevilla

» Fussball in Sevilla – eine Pulsmessung

Nächster Artikel