Das Kreuz des Südens und ein schillernder Präsident

Der FC Porto hat sich zur führenden Kraft im portguiesischen Fussball mit einer modernen Organisation entwickelt. Geführt wird der Club seit 1982 von einem immer wieder mal skandalumwitterten Präsidenten. Teil 6 unserer Serie zum Gegner des FC Basel am kommenden Mittwoch in der Champions League.

Schillernder Chef: Jorge Nuno Pinto da Costa im Oktober 2014 an einer Gala des Vereins mit seiner Frau Fernanda Miranda. (Bild: Imago)

Der FC Porto hat sich zur führenden Kraft im portguiesischen Fussball mit einer modernen Organisation entwickelt. Geführt wird der Club seit 1982 von einem immer wieder mal skandalumwitterten Präsidenten. Teil 6 unserer Serie zum Gegner des FC Basel am kommenden Mittwoch in der Champions League.

Es war Anfang der 1990er Jahre. Artur Jorge öffnete die Tür und bat mich in sein schlichtes Büro. Lässig wirkte der Erfolgstrainer. Von 1995 bis nach der EM 1996 betreute er das Schweizer Nationalteam, zur Zeit ist der inzwischen 69-jährige Jorge Clubtrainer in Algerien.

Das Gespräch im Verwaltungstrakt des längst abgerissenen Antas-Stadions gestaltete sich entspannt. Es ging um brasilianische Fussballer in Portugal und ihren Stellenwert in Porto. 1987 hatte der eingewechselte Brasilianer Juary das Siegtor gegen die Bayern geschossen und Porto die erste Meistercup-Trophäe gesichert. Fortan wurde fast jedes Jahr ein neues Gesicht aus den Tropen präsentiert.

Brasilianische Helden des FC Porto – Juary trifft zum 2:0 gegen Bayern München im Landesmeister-Final von 1987:

Verspielt traten die Südamerikaner auf, einige mit Künstlernamen. Ihren Hang zur Disziplinlosigkeit, die Kehrseite der Kreativität, wollte Artur Jorge nicht überbewerten. Sie müssten sich eben wohlfühlen, um gute Leistungen zu bringen. Die Führungsriege des Clubs verströmte Lockerheit, oft wurde gelacht.

Paranoia und Feindbilder

Auch Jorges Nachfolger Octavio Machado und sein Assistent Augusto Inacio, beide Südportugiesen, legten keinen Wert auf Etikette. Hemdsärmelig war der Umgang, leicht verrückt die Atmosphäre. Das krasse Gegenteil zur Verschlossenheit, die sich allmählich Bahn brach und mit den Installationen im futuristischen Antas-Turm verstärkte.

Porto verkürzt
Mit einem Tor des algerischen Nationalspielers Yacine Brahimi (31.) hat der in stärkster Besetzung angetretene FC Porto am späten Freitagabend sein Heimspiel gegen Vitória Guimarães gewonnen und den Abstand auf Tabellenführer Benfica, der erst am Sonntag im Einsatz ist, auf einen Punkt verkürzt.
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Hintergrund des Paradigmenwechsels waren die wachsenden Spannungen mit Sporting und vor allem mit Benfica. Unliebsame Personen mussten sich zeitweise auf der Tribüne bedroht fühlen. Das ist passé, konserviert wurde aber das hermetische Bewusstsein einer Gesellschaft mit Anflügen von Paranoia. Feinde könnten überall lauern, besonders in den rot (Benfica) unterwanderten Verbandsinstanzen.

Die obligatorischen Pressekonferenzen im Drachen-Stadion, 2004 unmittelbar neben dem alten Antas erbaut, werden von drei Nachrichtensendern stets live ausgestrahlt und verbreiten Langeweile. Wird das Trainingszentrum Olival in einer grünen Oase ausserhalb der Stadt geöffnet, sind meist Niederlagen und Fehlentscheide von Schiedsrichtern der Anlass. Vor den Medien kommentiert der Präsident zwar nicht mehr ganz so wunderbar ironisch wie einst die Sabotageakte; mit 77 Jahren und Herzproblemen ist Pinto da Costas Energie begrenzt. Die List, Dolchstosslegenden zu erfinden, ist aber intakt. Ohne Feindbild geht es offenbar nicht.

Der Familiensinn des Nordens

Im recht kühlen, katholisch geprägten Norden schottet man sich mehr ab als im Süden Portugals. Hierarchien spielen eine wichtige Rolle, die Familie steht im Vordergrund und wird gern beschworen, obwohl oder gerade weil es hinter den Fassaden bröckelt. Die Beziehungen sind immer noch verhältnismässig stabil, die Wurzeln tiefer als im Süden, der eine liberale und eine kommunistische Traditionslinie hervorgebracht hat.

Trotz seiner modernen Organisation begreift sich auch der FC Porto als Familie. Sie soll die ganze Nordregion umfassen, wovon man weiter nördlich aber nicht viel wissen will. Im Minho überwiegen die Benfica-Anhänger, Sporting hat ebenfalls einige Hochburgen.

Pinto da Costa – das Familienoberhaupt

Jorge Nuno de Lima Pinto da Costa – seit 1982 am Ruder beim FC Porto.

Jorge Nuno de Lima Pinto da Costa – seit 1982 am Ruder beim FC Porto.

Jorge Nuno de Lima Pinto da Costa, der seit 1982 mehr als 50 Titel mit Porto gewonnen hat, wird als eine Art Familienoberhaupt respektiert. Mit ihm an der Spitze wären die Lissabonner Clubs viel weiter, glauben ihre Anhänger nördlich von Coimbra. Karikaturen des Präsidenten findet man in der Nordhälfte kaum, im Alentejo und an der Algarve um so häufiger. Auf einen Körper im weissen, klerikalen Gewand haben Spassvögel Pinto da Costas Kopf montiert. «Papa» nennen sie ihn, Papst.

Ähnlich wie der richtige Papst an Ostern die Gläubigen auf dem Petersplatz grüsste Pinto da Costa an Karneval die Portistas aus einem Fenster. Allerdings im dunklen Anzug mit Krawatte und in Begleitung einer jungen Brasilianerin. Im Bekanntenkreis brach Heiterkeit aus, die Sensationspresse durfte sich die Hände reiben. Schon in der Vergangenheit hatte ihr der Präsident reichlich Stoff geliefert.

Ein Portrait über Pinto da Costa (portugiesisch):

Ausgewalzt wurden drei gescheiterte Ehen, zwei mit derselben Frau. Noch mehr gab die Story einer jungen Südportugiesin zu reden, die sich vom Nachtclub-Personal in eine First Lady verwandelte und längere Zeit an der Seite des Präsidenten auf der Tribüne zu sehen war. Nach der polemischen Trennung publizierte sie einen Bestseller, erzählte, wie ihr Ex über Mittelsmänner Schiedsrichter bestochen habe.

Der Präsident im Knast – und dennoch gefeiert

Obwohl kurz in Untersuchungshaft – und nach der Freilassung im Stadion von den Anhängern triumphal empfangen –, ist Pinto da Costa nie rechtskräftig verurteilt worden. Die Beweislage war zu schwach, für die Disziplinarkommission des Verbandes aber ausreichend, ihn als Präsident zu suspendieren. Im Hintergrund zog er jedoch weiter die Fäden und griff nach der Sperre mit frischem Elan die Gegner an. Das Beste an Lissabon seien Autobahnschilder, die den Weg nach Norden weisen, sagte er einmal.

Mittlerweile hört man solche Invektiven nur noch selten. Die Erfolge haben Porto auch im Süden Sympathien gebracht, vor allem bei jüngeren Leuten. Damit ist das frühere Etikett eines Provinzclubs längst abgestreift.

Der neue Focus auf die alten Kolonien

Mehr noch als auf Südportugal wird allerdings auf die ehemaligen Kolonien in Afrika fokussiert. Vergangenes Jahr weilte Pinto da Costa als Ehrengast des Staatschefs in Angola und war begeistert, wie viele Anhänger es dort gibt. So wie es die Präsidenten der Lissabonner Clubs bei ihren Reisen auch waren.

Der tiefe Ölpreis, der die angolanische Wirtschaft empfindlich schwächt und zahlreichen Partner-Unternehmen aus Portugal zusetzt, wird den Boom jedoch in nächster Zeit dämpfen.

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