Die Götterdämmerung

Ein aufwühlender Tag im St.-Jakob-Park – und wie es nun weitergeht beim FC Basel, nachdem mit dem Abgang der Clubleitung der grösste personelle Umbruch der vergangenen Jahre bevorsteht.

Der Basler Praesident Bernhard Heusler fiebert mit im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Lausanne-Sport, im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 19. Februar 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Ein aufwühlender Tag im St.-Jakob-Park – und wie es nun weitergeht beim FC Basel, nachdem mit dem Abgang der Clubleitung der grösste personelle Umbruch der vergangenen Jahre bevorsteht.

Am Ende eines aufwühlenden Nachmittags, nach einem aufregenden Fussballspiel und einer nicht minder aufsehenerregenden Neuigkeit, stand Bernhard Heusler in der späten Februarsonne vor dem St.-Jakob-Park mit einem Bier in der Hand. FCB-Fans, den frischen Bluthochdruck noch ins Gesicht geschrieben, gesellten sich zum Präsidenten des FC Basel, und einer wollte es noch immer nicht glauben: «Das ist ein Witz, oder, Berni?»

Der konnte, mit einem freundlichen Lächeln und völlig entspannt wirkend, indes nur das entgegnen, was er drei Stunden zuvor dem Publikum im St.-Jakob-Park via Stadion-TV gesagt hatte: Doch, das ist so. Im Sommer wird es den grössten personellen Umbruch geben, den der FC Basel in den letzten Jahren erlebt hat. «Der Verwaltungsrat wird», das muss Heusler an diesem Tag mehrfach verdeutlichen, «gemeinsam und ausnahmslos seine Funktionen zur Verfügung stellen.»

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Heusler als Präsident und Holding-Mehrheitsaktionär (44,2 Prozent) sowie Sportdirektor Georg Heitz mit seinem 25-Prozent-Paket werden abtreten und mit ihnen Vizepräsident Adrian Knup (10 Prozent) sowie die beiden Verwaltungsräte Stephan Werthmüller (Finanzen) und René Kamm (Marketing), die jeweils 5 Prozent halten. Dieses Quintett bildet bislang den Verwaltungsrat sowohl der FC Basel Holding AG wie auch der FC Basel 1893 AG, und diese fünf massgeblichen Köpfe gehören auch dem Vorstand des Vereins an.

Mit dem Latein am Ende

Der Abschied hat sich abgezeichnet, einzig der Zeitpunkt war nicht abzusehen. Mit jedem Meistertitel mehr, die der FCB seit 2010 ununterbrochen gewonnen hat, mit jedem Coup auf europäischem Parkett wuchs in der Clubführung das Gefühl, dass die Erwartungen kaum noch zu erfüllen sind, die an die rotblaue Spektakelmaschine gestellt werden.

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Und mit jedem Coup, der in der Champions League ausblieb, mit jedem in der heimischen Liga den Gegnern mehr oder weniger hart abgerungenen Punkt, der die seit Jahren ungebrochene Dominanz weiter zementierte, mit der damit einhergehenden Debatte über fehlende Emotionen verfestigte sich der Eindruck bei den Protagonisten, mit ihrem Latein am Ende zu sein. Und dass es Platz braucht für neue Ideen und Personen. Unabhängig davon, dass ihre Arbeit in einem prosperierenden Fussball-Unternehmen geschätzt wird, was etwa die jeweils überwältigende Rückendeckung bei den Mitgliederversammlungen unterstreicht.

«Ich fresse Gras, damit wir diesen Titel holen»

Heusler und seine Mitstreiter hätten noch die kommende Saison und eine weitere Champions League mitnehmen, 2018 das 125-Jahr-Jubiläum des FCB gestalten und feiern und sich auf dem Ruhm und den erwirtschafteten Millionen ausruhen können. Sie haben einen anderen Weg gewählt, sie bieten ihren Nachfolgern mit einem bestellten Feld beste Startbedingungen. Und die Götterdämmerung haben sie selbst eingeleitet.

ARCHIV --- ZU DEN ANSTEHENDEN UMWAELZUNGEN BEIM FC BASEL STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Former captain Marco Streller, left, and sport director Georg Heitz, right, of Switzerland's FC Basel 1893 on their departure at the EuroAirport in Basel, Switzerland, on Tuesday, November 22, 2016. Switzerland's FC Basel 1893 is scheduled to play an UEFA Champions League Group stage Group A matchday 5 soccer match against Bulgaria's PFC Ludogorets Razgrad on Wednesday, November 23, 2016. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Alter und neuer Sportchef: Georg Heitz (rechts) und Marco Streller. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Dass dieser Prozess eine Eigendynamik annehmen wird, darüber war sich Heusler im Klaren. Erwischt hat ihn der Tsunami dann am Samstag, als er in St. Moritz an der Ski-Weltmeisterschaft eingeladen war. Vom Siegeslauf der Mikaela Shiffrin hat er nicht viel mitbekommen, als er von «20 Minuten» und «Blick» mit der Veröffentlichung der Namen Bernhard Burgener als neuen Präsidenten und Marco Streller als Sportchef konfrontiert war.

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Jetzt ist die Katze aus dem Sack, «und vielleicht ist es nicht mal das Schlimmste, dass es die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle nun wissen», sagte Heusler am Sonntag, und er schien tatsächlich erleichtert. Und wie er, so war auch Georg Heitz in erster Linie einmal froh, dass die Mannschaft einen spektakulären Match gewonnen hatte.

«Ich stecke so tief drin», sagt Heusler, «am Samstag habe ich, als es bei YB-St. Gallen 2:2 stand, in den letzten Minuten das Gefühl, man müsste mich beatmen. Und einen Tag später darf ich im St.-Jakob-Park sitzen und erleben, wie die Mannschaft ein 1:3 dreht. Ich stecke so tief drin, und wenn es nötig ist, fresse ich Gras, damit wir diesen Titel holen.» Es wird der letzte einer Crew sein, die eine unvergleichliche Erfolgsära geprägt hat.



20.08.2013; Sofia; Fussball Champions League Play-off; PFC Ludogorez Razgrad - FC Basel; Training FC Basel; Georg Heitz, Adrian Knup, Ruedi Zbinden und Praesident Bernhard Heusler (Andy Mueller/freshfocus)

Erfolgscrew: Georg Heitz, Adrian Knup, Chefscout Ruedi Zbinden und Bernhard Heusler (von links) im August 2013 am Vorabend eines Champions-League-Spiels in Sofia. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Wie es nun weitergeht

Schon in den nächsten Tagen wird der FC Basel seine wichtigsten Geschäftszahlen präsentieren. Und die werden ein weiteres Mal belegen, wie im Hochhaus neben dem St.-Jakob-Park gearbeitet wird: Rund 130 Millionen Franken Umsatz bedeuten neue Rekordhöhe und der Gewinn 2016 erreicht für Schweizer Verhältnisse schwindelerregende 30 Millionen Franken.

Damit äufnet der FC Basel seine Rücklagen. In der Holding liegen rund 20 Millionen Franken, und in der FCB AG sind Mittel von gegen 50 Millionen Franken verfügbar. Das ist eine schöne Morgengabe für eine neue Clubleitung. Und die alte wird mit dem Verkauf ihrer Anteile für einen nicht bekannten, schätzungsweise tiefen siebenstelligen Betrag eine Entlohnung dafür erhalten, was sie aufgebaut hat.

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Wie sieht der Zeitplan aus?

Sehr zeitnah, noch im März, so skizziert es Heusler, soll ein Gremium das Konzept Burgener/Streller beurteilen. Es ist eine von Heusler als unabhängig beschriebene Gruppe, die sich aus Mitgliedern des Vereins, Fans, der Belegschaft, Sponsoren sowie der Stiftung Nachwuchs-Campus zusammensetzt. Namen nennt Heusler keine. So hält er es auch mit potenziellen neuen Verwaltungsräten: «Wie sie sich aufstellen, das müssen die neuen Leute entscheiden. Sonst hätten wir genauso gut bleiben können.»

Überzeugt das neue Konstrukt, soll es im April einer ausserordentlichen Generalversammlung vorgelegt werden. Dort werden sich Heusler und Co. mit ihrem 75-Prozent-Anteil an der FC Basel AG dem 25-Prozent-Anteil, den die Vereinsmitglieder vertreten, mehr oder weniger unterordnen. So hat es Heusler im Juni 2016 bei der 122. Generalversammlung versprochen.

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In einer Übergangsphase würde die bisherige Clubführung mit der neuen zusammenarbeiten, um die neue Saison vorzubereiten. Für den 9. Juni ist die 123. ordentliche Generalversammlung anberaumt, bei der dann die Stabübergabe offiziell vollzogen werden kann.

Was passiert in der Trainerfrage?

In der zweifellos wichtigsten Personalentscheidung werden sich Heusler und Co. ebenfalls nicht mehr einmischen. Nun lässt sich auch besser verstehen, warum die Verantwortlichen sich bisher gewunden haben, was den bis Sommer 2017 laufenden Vertrag mit Urs Fischer betrifft und eine Bedingung, unter der sich dieser Vertrag verlängert.

Der Basler Trainer Urs Fischer vor dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Lausanne-Sport, im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 19. Februar 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Urs Fischer am Sonntag vor dem Anpfiff der Partie gegen Lausanne. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Unzweifelhaft ist, dass ein grosses Vertrauensverhältnis zwischen Clubleitung und Cheftrainer herrscht. Aus dieser Clubleitung äusserte sich unlängst ein Mitglied mit der Einschätzung, der FCB habe in den vergangenen Jahren keinen Trainer gehabt, der so «erwachsen» im Umgang sei wie Urs Fischer. Und der hatte vor Weihnachten zu seiner Zukunft nach dieser Saison noch gesagt: «Es könnte ja sein, dass wir zum Schluss kommen, dass es eine Veränderung braucht.»

Im Anschluss an die Partie am Sonntag, nach der Fischer mit seinem Team zum 56. Mal in Folge an der Tabellenspitze der Super League steht, sagte der Trainer zu den Neuigkeiten: «Für mich ist das alles nicht überraschend. Ich bin längstens informiert gewesen von Heusler und Heitz.»

Spurlos könne die neue Entwicklung nicht an der Mannschaft vorbeigehen, so Fischer, «aber ich beschäftige mich nicht mit Dingen, die in drei, vier Monaten passieren. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Wir wollen die achte Meisterschaft holen und in zwei Wochen im Cup gegen den FCZ eine Runde weiterkommen.»

Was machen die bisherigen Verwaltungsräte künftig?

Heusler wird mit der neuen Clubleitung unter anderem klären, was mit der Vielzahl von Funktionen passiert, die der scheidende Präsident im Schweizerischen Fussballverband SFV, in der Swiss Football League SFL, in der europäischen Clubvereinigung ECA, in der Uefa und in der Fifa begleitet. Daneben hat Heusler etliche Verwaltungsratsmandate, unter anderem bei der Valora Holding AG.

«Natürlich habe ich Ideen, aber ich will damit nicht öffentlich hausieren gehen», sagt Heusler zu seinen Zukunftplänen, und: «Es gibt schon ein paar Sachen aus den letzten 12, 13 Jahren, von denen ich weiss, dass ich sie nicht mehr möchte.»



Die 2012 neu zusammengestellte Clubspitze des FCB (von links): Vizepräsident Adrian Knup, Sportdirektor Georg Heitz, die Verwaltungsräte René Kamm (Marketing) und Stephan Werthmüller (Finanzen) sowie Präsident Bernhard Heusler.

Die 2012 neu zusammengestellte Clubspitze des FCB (von links): Vizepräsident Adrian Knup, Sportdirektor Georg Heitz, die Verwaltungsräte René Kamm (Marketing) und Stephan Werthmüller (Finanzen) sowie Präsident Bernhard Heusler. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Heuslers engster Vertrauter, Sportdirektor Georg Heitz, war im Herbst vergangenen Jahres vom Hamburger SV für den Posten als Sportchef angefragt worden, sagte dem Bundesligisten aber ab, ehe die Verhandlungen konkreter werden konnten. Man darf davon ausgehen, dass Heitz – der acht Jahre für den Club tätig ist und nie etwas anderes erlebt hat, als Meister zu werden – sich nicht sogleich in ein neues Abenteuer stürzen wird.

Adrian Knup, als Vize-Präsident zuständig für die Ausbildungsarbeit, hat zum 1. Januar dieses Jahres die Geschäftsführung in der Stiftung Nachwuchs-Campus übernommen, bleibt also eng seinem Thema und dem Club verbunden. Stephan Werthmüller, der das Finanzwesen beim FCB noch einmal auf eine neue Stufe gehoben hat und mit seinen steuermindernden Abschreibungsmodellen dafür gesorgt hat, dass der FCB neben seinem Kapital gehörige stille Reserven aufweist, wird sich um eine weitere Leidenschaft, die Baloise Session kümmern. Und René Kamm ist als CEO mit der MCH Messe Schweiz ohnehin gut beschäftigt.

Was sagen die neuen Player?

Eine Stellungnahme von Bernhard Burgener gibt es noch nicht. Marco Streller bat am Sonntag um Verständnis, dass er sich im Moment nicht äussern will.

Wie wird es für Heusler sein, beim FCB abzutreten?

«Es wird ein komisches Gefühl sein. Aber man muss sich lösen davon», sagt der 53-jährige Bernhard Heusler, «ich bin 40 Jahre lang in dieses Stadion gegangen, bevor ich Präsident des Clubs geworden bin und ich werde anschliessend auch hingehen. Ich sehe den FCB immer wieder aus anderer Perspektive und in anderen Rollen, aber es ist zum Glück nicht so, dass ich am Ende der Präsidentschaft das Buch schliessen werde. Das wird mich bis zu meinem Lebensende begleiten.»



Der Basler Praesident Bernhard Heusler fiebert mit im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Lausanne-Sport, im Stadion St. Jakob-Park in Basel, am Sonntag, 19. Februar 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Der mitleidende, zum Grasfressen bereite Präsident: Bernhard Heusler am Sonntag während der Partie des FCB gegen Lausanne. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

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