Die Chronik: Die Sternstunde des Taulant Xhaka
Es lief die 76. Minute, und es passierte doch noch: Der ZSKA kam zu einer Torchance. Eine, die aus einem Missverständnis zwischen Tomas Vaclik und Marek Suchy geboren wurde, aber Fernandes’ Kopfball verfehlte das leere Tor.
Mehr war jedoch nicht an Gefährlichkeit, die der russische Vizemeister zu erzeugen vermochte. Das war die eine erstaunliche Feststellung an diesem Abend in Moskau, der einen offensiv saftlosen ZSKA erlebte und einen FCB, der mit grosser Abgeklärtheit auftrat. Wenn man einmal von der Schlussphase absieht, in der Dimitri Oberlin geradezu slapstickartig Chance um Chance versiebte, um in der Schlussminute dann doch noch mit seinem dritten Champions-League-Treffer alles klar zu machen.
Vor allem in der ersten Halbzeit präsentierte sich der FCB – mit einer auf zwei Positionen geänderten Startelf im Vergleich zur Gala gegen Benfica – verblüffend stilsicher. Das ist die andere erstaunliche Erkenntnis. Die Basler liessen das nicht sonderlich furchterregende Pressing der Gastgeber verpuffen und fanden dahinter Räume, um sich mit 56 Prozent Ballbesitz zu entfalten.
Und der FCB nutzte nach knapp einer halben Stunde den ersten Fehler des Gegners. Renato Steffen erahnte einen schlechten Pass von Routinier Sergei Ignashevich, und ein Prellball landete im Lauf von Taulant Xhaka. Der durchmass mit bei ihm nicht gekannter Beschleunigung 30 Meter Raum und mit ebenso selten gesehener Entschlossenheit bezwang er mit einem harten, präzisen Flachschuss Igor Akinfeev, der damit auch im 42. Champions-League-Spiel in Folge hinter sich greifen musste.
Xhakas Premierentor im Jubiläumsspiel
Für Taulant Xhaka war es in seinem 50. Europacup-Spiel das erste Tor auf internationaler Ebene überhaupt, und dieser Treffer gab dem Schweizer Meister noch mehr Selbstsicherheit. Mohamed Elyounoussi sah in der 39. Minute seinen Schuss von Akinfeev pariert.
Nach dem Seitenwechsel überliess der FCB dem Gegner zwar mehrheitlich den Ball, er liess sich phasenweise sehr tief fallen, verteidigte jedoch weiter unaufgeregt und sehr konzentriert gegen allerdings auch reichlich einfallslose Moskauer.
Ein Tor von Albian Ajeti in der 52. Minute wurde aus unerfindlichen Gründen aberkannt: Ein Foul des Champions-League-Debütanten, wie es die Schiedsrichter bewerteten, konnte Ajeti in dieser Szene jedenfalls nicht zur Last gelegt werden.
Nicht zu fassen: Dimitri Oberlin
Und dann kam Dimitri Oberlin ins Spiel. Was er in der Schlussphase, als der ZSKA seine Abwehr entblöste, an Chancen liegen liess, geht auf keine Kuhhaut. Er scheiterte mit einem Anflug von Eigensinn an Akinfeev (72.), er verstolperte freistehend vor Akinfeev (87.), der anschliessend Kevin Bua den Ball vom Fuss fischte. Elyounoussi streute eine weitere fahrlässig vergebene Konterchance ein (89.), und eine Minute später schoss Oberlin eine Bua-Vorlage aus zehn Metern übers leere Tor. Es war kaum zu fassen.
Die 90. Minute war noch nicht vorüber, als Oberlin noch einmal bedient wurde, diesmal vom überragenden Taulant Xhaka. Diese Gelegenheit nutzte Oberlin doch noch zu seinem Treffer, mit dem der FC Basel das Tor zu den Achtelfinals weit aufstösst. Und Oberlin war hinterher sehr erleichtert darüber: «Ich habe bei den ersten Möglichkeiten zu viel nachgedacht, was ich machen soll. Ich hätte einfach schiessen sollen. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich doch noch getroffen habe.»
Der fünfte Auswärtssieg stösst Türen auf
Für den FCB war es nach dem 5:0 gegen Benfica ein weiterer grosser Europacup-Abend. Und es ist seit der Premiere 2002 erst der fünfte Auswärtssieg im 28. Auswärtsspiel in der Champions League (8 Remis, 15 Niederlagen). Bei Spartak Moskau (2002), in Rom (2010), gegen Otelul Galati (2011) und bei Chelsea (2013) waren die raren Momente Basler Glückseligkeit bislang gesät.
Und die nächste Gelegenheit winkt schon in 14 Tagen, wenn der ZSKA Moskau nach Basel kommt. Dann kann der FCB einen grossen Schritt Richtung Achtelfinals unternehmen.
Trainer-Monolg: «Sehr reifer Auftritt»
Raphael Wicky:
«Ich bin sehr stolz darauf, wie es die ganze Gruppe gemacht hat. Die Mannschaft hat sich in der ersten Halbzeit gut aus dem Pressing befreien können und hat wenig Chancen zugelassen. Das ist ein sehr reifer Auftritt gewesen.
Taulant Xhakas Tor ist ein sehr schönes gewesen, aber ich habe allen gesagt, dass sie mehr schiessen und nicht noch einen und noch einen Pass suchen sollen. In der Entstehung machen das sowohl Steffen als auch Xhaka gut. Und dann braucht es auch ein bisschen Glück, dass so ein Fifty-Fifty-Ball wieder zu dir springt.
Es ist schade, dass Albian Ajeti das Tor aberkannt wurde, denn dann wäre die letzte halbe Stunde etwas ruhiger gewesen. Die vergebenen Chancen von Dimitri Oberlin werden wir uns anschauen. Mir geht es dann darum, ob es mannschaftsdienlich war, ob einer klar besser postiert war.
Jeder Sieg gibt Selbstvertrauen, und wenn man solche Spiele gewinnt, weiss die Mannschaft, zu was sie fähig ist. Aber wir müssen auf dem Boden bleiben, denn als es nicht so gut lief, war nicht alles schlecht, und gegen Moskau war auch nicht alles perfekt.
Wir haben klare Ziele und müssen hart daran arbeiten. Ich bin schon wieder beim Samstag und dem Spiel gegen Thun. Wir können uns nicht ausruhen, wollen in der Tabelle weiter nach oben klettern.»
Die Aufstellung: Ajeti in der Startelf
Raphael Wicky vertraute wie schon gegen Benfica Lissabon einer 3-4-3-Grundordnung. Im Sturmzentrum agierte der Rückkehrer Albian Ajeti, flankiert wurde er von Mohamed Elyounoussi und Renato Steffen. Der Trainer verzichtete also zunächst auf Dimitri Oberlin, den Mann des Abends beim 5:0 gegen Lissabon.
Im Vergleich zur Elf, die gegen Lissabon brilliert hatte, veränderte Wicky die Mannschaft auf zwei Positionen: Elyounoussi spielte anstelle von Oberlin und Ajeti für den langzeitverletzten Ricky van Wolfswinkel. Im Vergleich zum 4:0-Sieg gegen Lugano vom Wochenende kehrte Eder Balanta in eine Dreierkette zurück und Taulant Xhaka ins zentrale Mittelfeld. Beide waren für die Super-League-Partie im Tessin gesperrt.
Innerhalb des Dreier-Abwehrblocks stellte Wicky ebenfalls um: Akanji rückt auf links und Suchy dafür wieder wie zu Saisonbeginn ins Zentrum.
FC Basel (3-4-3): Vaclik – Akanji, Suchy, Balanta – Lang, Xhaka, Zuffi, Petretta – Steffen (87. Bua), Ajeti (61. Oberlin), Elyounoussi (93. Fransson).
Bank: Salvi (ET), Fransson, Oberlin, Serey Dié, Riveros, Itten, Bua.
ZSKA Moskau (3-5-2): Akinfeev – Vasin, Ignashevich (46. Natcho), Berezutski – Fernandes, Golovin, Wernbloom, Milanov (70. Kuchaev), Schennikov – Zhamaletdinov (77. Chalov), Vitinho.