Bei den Grünen steht Provokateur Hans «P.M.» Widmer im Wald

Wie sieht die ökologische Stadt der Zukunft aus? Die Podiumsdiskussion der Grünen Partei liess sich von den Sticheleien des Zürcher Stadtvisionärs Hans «P.M.» Widmer nicht aus der Reserve locken.

Braucht es Quoten für die Durchmischung, Öko-Sanierungen, Velo-Einstellhallen und möglichst grosse oder doch lieber kleine Wohnungen? Über die Frage, wie in der Stadt der Zukunft gelebt werden soll, wurde an der Veranstaltung der Grünen diskutiert.

(Bild: Nils Fisch)

Wie sieht die ökologische Stadt der Zukunft aus? Die Podiumsdiskussion der Grünen Partei liess sich von den Sticheleien des Zürcher Stadtvisionärs Hans «P.M.» Widmer nicht aus der Reserve locken.

Der Titel der Veranstaltung klang vielversprechend: «Wohnen und Leben in Basel 2031». Um die Frage, wie eine ökologische und durchmischte Stadt aussehen könnte, drehte sich die Podiumsdiskussion der Grünen Partei, die am Dienstag im Felix-Platter-Spital über die Bühne ging.

Dazu wurde jemand eingeladen, der sich mit Modellen für alternative Siedlungsformen auskennt: Kultautor Hans Widmer, der seit über 30 Jahren unter dem Pseudonym P.M. Ideen für multifunktionale Nachbarschaften schmiedet und selbst bei mehreren Genossenschaftsprojekten in Zürich mitgewirkt hat.

Widmer erinnerte sich zurück an die Hausbesetzungen in den Achtzigerjahren. Wie gewohnt argumentierte er auf seine pointierte, nicht selten augenzwinkernde Art: «Wir müssen die Häuser besitzen, damit wir sie besetzen können.» Dieses Prinzip versuche er den Leuten aus der ratlos gewordenen autonomen Szene schmackhaft zu machen.

Die Genossenschaften vom Spiesser-Image befreien

Auch heute beobachte er manchmal ein Gähnen, wenn das Thema Genossenschaften aufkomme. Das werde bei jüngeren Leuten noch immer als etwas Spiessiges angesehen. Daher plädiert Widmer dafür, eine Stadtkultur zu entwickeln: So soll es in seinen Nachbarschaften nicht einfach Anwohner geben, sondern Menschen, die in «Geschichten» leben. So etwa mit Gästezimmern, Gewerbe und Gastronomie.

Andreas Courvoisier, Arealentwickler bei der Baugenossenschaft «Wohnen und mehr», stimmte hier zu. Von den Ideen Widmers könne er viel mitnehmen im Hinblick auf das Projekt seiner Genossenschaft für das Felix-Platter-Areal – insbesondere dass die Bevölkerung daran teilhaben könne und die Stadtentwicklung nicht nur Grossinvestoren und Pensionskassen überlassen werde.

Auch Klaus Hubmann, Geschäftsführer der Stiftung Habitat, sprach sich dafür aus, als Gegenpol zu den normalen Investoren Land für solche Projekte zu sichern. Gleichzeitig räumte er ein, dass Genossenschaften hier zu wenig finanzstark seien, um grosse Areale wie das Lysbüchel zu erwerben – nur Immobilien Basel-Stadt könne das.

Trotz vieler Übereinstimmungen gab es aber auch Differenzen zwischen Hans Widmer und den beiden Mitdiskutierenden, auch wenn diese nicht direkt ausgetragen wurden. Eine Knacknuss war das Thema soziale Durchmischung: Hubmann bemerkte, dass man dies bis zu einem gewissen Grad steuern könne. So wolle etwa Habitat bei der geplanten Überbauung bei der Hüningerstrasse Wohnungen für Familien mit mindestens drei Kindern schaffen.

Widmer vertrat hingegen die Haltung, möglichst kleine Wohneinheiten zu fördern. Die Familie sei oft nicht mehr eine Lebensweise, sondern eine Phase. Mit anderen Worten: Ziehen die Kinder aus, bleiben ältere Paare in den grossen Wohnungen allein zurück.

Günstige Wohnungen und Ökologie als Widerspruch?

Andreas Courvoisier plädierte dafür, gerade Häuser in den dicht bebauten Gründerzeitvierteln nicht mit überbordenden energetischen Massnahmen oder Aufstockungen zu überfrachten: «Dies weckt schnell einmal die Lust auf eine Gesamtsanierung des Gebäudes – womit die Mieten stark steigen und die Durchmischung verloren geht.»

Daraufhin brachte der Moderator Raphael Fuhrer eine knifflige Frage ein: Ob es denn ein Widerspruch sei, günstigen und gleichzeitig ökologischen Wohnraum zu schaffen?

Hans Widmer hielt fest, dass nicht die Ökologie, sondern Rendite-Erwartungen Preise in die Höhe trieben. Klaus Hubmann kritisierte zudem, dass viele Investoren nach wie vor kostspielige Einstellhallen für Autos bauten, die nicht genutzt werden. Er plädierte dafür, diese für Velos zu nutzen. So habe es das Habitat bei der Erlenmatt gemacht: Für alle geschätzten 1200 Velos wurden Abstellplätze geschaffen, ein Drittel davon in der Einstellhalle.

Anti-Velo-Sticheleien bei den Grünen

Anderer Meinung war hier Hans Widmer: «Alle Autos aus der Stadt nehmen – und dann die Velos», warf Hans Widmer provokativ in die Runde. Auch wenn das Statement nicht todernst gemeint war, hatte ihm niemand etwas entgegenzusetzen.

Elisabeth Ackermann, Kandidatin für den Regierungsrat und das Regierungspräsidium, zeigte sich aufgeschlossen gegenüber Widmers Modellen. Sie lobte, dass er ohne «Verzichtspropaganda» auskomme, sondern ganz im Gegenteil einen Genussgewinn anstrebe. Die Stirn gerunzelt habe sie aber schon über dessen Ansichten zu Velos und Gentrifizierungskritiker, wie er sie etwa im Interview mit der TagesWoche äusserte.

Gerade hier wäre die Debatte interessant gewesen, doch leider provozierte Hans Widmer nur wenige entsprechende Antworten im Saal. Es hätte die Diskussion über eine durchmischte und gleichzeitig ökologische Stadt bereichert.

 

Nächster Artikel