Elisabeth Ackermann: Zielstrebig zur obersten Sitzungsleiterin

Die Grüne Elisabeth Ackermann will ihre lange politische Karriere mit der Wahl ins Regierungspräsidium krönen. Ob der grosse Auftritt zu ihr passt, ist zweifelhaft. Das Porträt einer knorrigen Politikerin.

Über die Friedensbewegung und den Widerstand gegen das AKW Gösgen in die Politik gekommen: Elisabeth Ackermann will das Erbe von Regierungspräsident Guy Morin antreten.

(Bild: Nils Fisch)

Die Grüne Elisabeth Ackermann will ihre lange politische Karriere mit der Wahl ins Regierungspräsidium krönen. Ob der grosse Auftritt zu ihr passt, ist zweifelhaft. Das Porträt einer knorrigen Politikerin.

Elisabeth Ackermann mag den Wahlkampf nicht. Jede Faser in ihr sagt das. Und sie selber auch: «Ich engagiere mich gern für grüne und soziale Anliegen. Aber es stimmt, für mich selber zu werben fällt mir ein bisschen schwer.» Ackermann, grüne Kandidatin für das Regierungspräsidium, steht im Menschenstrom am Kleinbasler Rheinbord und versucht nach dem grossen Rheinschwimmen ihre Flyer loszuwerden.

Es ist eine sympathische, clevere Aktion des Grünen Bündnisses. Den ermatteten Rheinschwimmern drücken sie ein Stück Wassermelone (grün die Schale, rot das Fleisch) in die eine Hand und in die andere die Wahlwerbung.

Nur die Melone

Ein paar Schritte hinter Ackermann hat sich Heidi Mück, BastA!-Kandidatin für den Regierungsrat, aufgestellt. Die alte Strassenkämpferin lässt niemanden passieren ohne einen Flyer. «Rot-grüne Liste einwerfen, dran denken!», ruft sie ein paar Teenagern nach, die pflichtschuldig nicken. Bei Ackermann nehmen die meisten nur die Melone.

Irgendwann tritt ein älterer Mann an die grüne Spitzenkandidatin heran, sagt freudig, er kenne sie doch aus dem Fernsehen. «Ackermann», sagt Ackermann. Und weiter nichts. Der Mann bleibt noch eine Weile vor ihr stehen, sucht in seiner Erinnerung, findet nichts und trottet dann weiter.

Knorrig folgt auf kauzig

Noch knapp zwei Monate sind es bis zur Wahl fürs Regierungspräsidium. Der Wahlkampf hat so richtig eben erst begonnen, aber man fragt sich als Beobachter, ob es vom linken Lager wirklich der Weisheit letzter Schluss war, ins Repräsentationsamt jemanden zu schicken, dem das Talent Menschen für sich zu gewinnen derart abgeht.

Ackermann müsste, wird sie gewählt, eine Entwicklung durchmachen, ganz ähnlich wie der Mann, den sie beerben will. Der abtretende Regierungspräsident Guy Morin fremdelte lange, bevor er in den letzten Jahren nach und nach Freude am Amt zeigte. Die knorrige Ackermann auf den Spuren des kauzigen Morin.

Doch mit Morin verbindet sie weniger, als es den Anschein macht. Sie gilt als deutlich politischer, mit einem ausgeprägten Interesse für soziale Themen. Spricht man mit ihr, dringt das schon durch. Sie sagt, grüne Politik müsse alle mitnehmen. «Es wäre falsch und würde der Umwelt wenig nützen, wenn nur eine Elite grün leben könnte.»

Weniger weltstädtisch

Ackermann will auch ein wenig von Morins glanzvoll gescheiterter Idee abrücken, über Partnerschaften mit Schanghai oder Moskau Basel weltstädtischer zu machen, als es ist. Als Regierungspräsidentin würde sie eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in einem Krisengebiet eingehen, erzählt sie: «Wir sollten mit den Partnerschaften nicht nur Standortmarketing betreiben, sondern auch Unterstützung leisten.»

Ansonsten sind es vor allem klassisch grüne Themen, die sie in die Regierung einbringen will. Sie würde ein ökologisches Vorzeigequartier nach Vorbild des (als spiessig verschrienen) Freiburger Vauban schaffen wollen: autofrei, solargetrieben, mit Vakuumtoiletten und gemeinsamen Gästezimmern.

Das ist neben der Städtepartnerschaft der einzige Wandel, den Ackermann ankündigt. Sie verspricht Kontinuität, will Morins Arbeit weiterführen, vor allem in der Kulturpolitik, wo in den letzten Jahren die grossen Institutionen viel Geld und teure neue Häuser erhalten haben.

«Es wäre falsch, wenn nur eine Elite grün leben kann.» Elisabeth Ackermann, Öko-Kandidatin mit sozialem Einschlag.

«Es wäre falsch, wenn nur eine Elite grün leben könnte.» Elisabeth Ackermann, Öko-Kandidatin mit sozialem Einschlag. (Bild: Nils Fisch)

«Weiter so» ist oft die Devise der Gitarrenlehrerin vom Gymi Liestal. Würde sie als Regierungspräsidentin stärker auf die Abschaltung des französischen Schrottmeilers Fessenheim drängen? «Das ist für mich ein wichtiges Thema. Die Regierung arbeitet schon dran und es sieht zum Glück danach aus, als ob Fessenheim bald abgestellt wird.»

Würde sie dem handzahmen Regierungspräsidium mehr Freiheiten erstreiten? «Die Kompetenzen sind da, vielleicht ist zu prüfen, ob sie allenfalls durch neue Aufgaben ergänzt werden können. Und man muss nach acht Jahren die Schnittstellen zu den anderen Departementen überprüfen.»

«Ich war nicht zornig, ich war besorgt.»
Elisabeth Ackermann über ihren Einstieg in die Politik 

Elisabeth Ackermann aus der Reserve zu locken ist nicht einfach. Person und Persönlichkeit hinter der erfahrenen Parlamentarierin freizulegen auch nicht. Ein Versuch: War es wie bei Heidi Mück die Wut, die Sie in die Politik trieb? – «Ich war nicht zornig», erzählt sie, «ich war besorgt.»

Also trat sie mit 13 Jahren in die Bürgerbewegung Therwil ein, marschierte mit an der Demo gegen das AKW Gösgen. Schloss sich der Friedensbewegung an und führte die beiden Strömungen schliesslich als Gründungsmitglied der Basler Grünen zusammen. Ihre politische Karriere schritt voran, führte sie ins Präsidium ihrer Partei und schliesslich als Parlamentspräsidentin an die Spitze des Grossen Rats.

Wo bleibt die Wut?

Das nennt man Engagement. Aber die Wut, Frau Ackermann? Sie arbeitet sich während des Gesprächs an ihre Emotionen heran. Tastet die Themen ab, wie um sich selber zu vergewissern, dass da etwas ist. «Ja, Fessenheim macht wütend. Und dass so oft über Parkplätze und nicht über relevantere Themen diskutiert wird in dieser Stadt. Vieles ärgert mich auch, etwa dass die Velowege oft dort zu Ende sind, wenn es sie am dringendsten braucht, nämlich vor Kreuzungen.»

Sieht man sich einer gestandenen Politikerin gegenüber, die an die Spitze will, ganz nach oben, die die Strippen in die Hand nehmen will, an denen die Stadt zappelt – dann will man wissen, an welchem Seil sie ziehen würde, will wissen, weshalb man ausgerechnet ihr dieses Seil anvertrauen soll. Dazu muss man die Brüche in der Persönlichkeit kennen, die Reizpunkte, muss man ihren Willen spüren, nach oben zu kommen, muss man wissen, worin dieser Wille gründet.

Alles nicht so einfach bei Elisabeth Ackermann.

«Sie muss forscher werden.»
LDP-Chefin Patricia von Falkenstein 

Nachfrage bei zwei Frauen, die die 53-Jährige aus der politischen Arbeit in der Finanzkommission kennen. LDP-Chefin Patricia von Falkenstein wählt erst nette Worte: Gute Arbeit leiste Ackermann, sie habe keine Mühen, ihre Positionen zu begründen, bringe sich oft ein. Sagt dann aber, an ihrem Auftreten müsse Ackermann arbeiten: «Sie ist eher zurückhaltend, selten entschieden – sie muss forscher werden.»

SP-Grossrätin Tanja Soland räumt ein, sie habe Ackermann erst unterschätzt. Dann aber bald gemerkt, dass sie «sehr kompetent wirkt, gerne Verantwortung übernimmt, sich schnell in schwierige Themen einarbeiten kann». Und sie habe oft bewiesen, was für eine formidable Sitzungsleiterin sie sei.

Nüchtern an die Spitze

Die oberste Sitzungsleiterin des Parlaments will jetzt ins Regierungspräsidium und dort oberste Sitzungsleiterin der Regierung werden. Das passt eigentlich: Ein Werdegang, der dort sein Ende findet, wo er zielstrebig hinführte.

Ein letzter Versuch, die Nüchternheit bei Ackermann aufzukratzen: Was passiert mit Ihnen, falls Sie nicht gewählt werden? «Ich wäre enttäuscht. Aber ich habe ja noch meinen Beruf, meine Familie und mein Mandat im Grossen Rat … Ich würde es überleben, glaube ich.»

Was beschäftigt die Basler Bevölkerung aus Ihrer Sicht am meisten?

Die Unsicherheit in den verschiedensten Bereichen um uns herum, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Wobei die einen mehr wegen Brexit und Trump, die andern mehr wegen islamistischer Terrorakte besorgt sind; wieder andere treibt eher die Sorge um bezahlbaren Wohnraum um.

Wieso sollte man ausgerechnet Sie wählen?

Weil ich mit meiner politischen Führungserfahrung und meiner ausgleichenden Art zur Weiterentwicklung der hohen Lebensqualität von Basel-Stadt beitragen kann. Weil das grüne Element weiterhin in der Basler Regierung vertreten sein muss, damit Rot-Grün seine erfolgreiche Politik fortsetzen kann. Und weil es nach 50 Jahren Frauenstimmrecht an der Zeit ist, dass mehr als eine Frau in der Regierung sitzt.

Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?

Monique Schwitter, Eins im Andern (Schweizer Buchpreis 2015), und zur Entspannung immer ein Krimi, zurzeit: Martin Walker, Bruno, Chef de Police
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Steckbrief

Geboren: 1963.
Politik: Gründungsmitglied der Grünen Partei Basel-Stadt. Über zehn Jahre in der Inspektion der Kleinklassen, danach im Schulrat des Gymnasiums am Münsterplatz. Seit 2006 im Grossen Rat, dort Schwerpunkt auf wirtschafts- und finanzpolitischen Themen: bis 2012 in der Wirtschafts- und Abgabekommission, seit 2012 in der Finanzkommission, in beiden Kommissionen zur Vizepräsidentin gewählt. 2009 – 2011 Fraktionspräsidentin des Grünen Bündnisses. Seit 2012 Co-Präsidentin der Grünen Partei Basel-Stadt. Im Amtsjahr 2015 Präsidentin des Grossen Rats.
Beruf: Matura naturwissenschaftlichen Typs, Studium an der Musikhochschule Basel, arbeitet als Gitarrenlehrerin, seit 1997 am Gymnasium Liestal.
Familiäres: Seit 26 Jahren verheiratet mit Werner Baumann, Historiker, ehemaliger Rektor des Gymnasiums Oberwil; zwei erwachsene Kinder.

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Die TagesWoche porträtiert während dem Wahlkampf alle bisherigen Regierungsräte und neuen Kandidaten. Bereits erschienen: Eva HerzogConradin CramerLukas EngelbergerChristoph BrutschinLorenz NägelinHeidi MückChristian Mueller, Hans-Peter Wessels.
Demnächst im Porträt: Martina Bernasconi (GLP).

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