Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels (SP) lacht viel und gern – und lädt Fotos von Buvetten auf Facebook hoch. Das kommt nicht immer gut an.
Einen zugänglicheren Regierungsrat als Hans-Peter Wessels (SP) muss man erst einmal finden. Seine Lockerheit ist fast legendär. Wenn man ein, zwei Mal mit ihm gesprochen hat, bietet er das «Du» an.
Trifft man ihn am Samstag im Neubader Coop, erzählt er freudig auf St.-Galler-Deutsch, dass sich soeben sein erwachsener Sohn für einen Besuch angemeldet hat. Und auf die Anfrage der TagesWoche, ob man das Gespräch für dieses Porträt auch auf einem sommerlichen Spaziergang führen könne, mailt er zurück: «Supergute Idee».
Im weissen Hemd – ohne Krawatte und Jackett – führt der seit 2009 amtierende Bau- und Verkehrsdirektor uns als erstes zur Münsterfähre, bevor wir rheinabwärts spazieren, vorbei an einer Putzequipe der Stadtreinigung. Die Männer in Leuchtwesten grüssen ihren Chef fröhlich, und der grüsst ebenso fröhlich zurück. Noch begeisterter trällert er «Hallo», als seine Wahlkampfkollegin und BastA!-Regierungsratskandidatin Heidi Mück vorbeiradelt.
Hans-Peter Wessels spricht gerne über die schönen Seiten Basels, erst recht, wenn er etwas damit zu schaffen hatte, wie beim aufgewerteten Rheinbord. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Meistens gute Laune
Nun kann man das Hans-Peter Wessels als Volksnähe anrechnen. Magistrales Gebaren ist ihm fremd, kritische Fragen von Journalisten nimmt er gelassen und anders als seine Parteigenossen und Regierungskollegen Eva Herzog und Christoph Brutschin bekommt er keinen Wutanfall, wenn sich Parteimitglieder gegen ihn stellen.
Genau deswegen wird Hans-Peter Wessels aber auch immer wieder vorgeworfen, man könne ihn nicht ganz ernst nehmen. Politfuchs und SP-Genosse Ruedi Rechsteiner hat ihm sogar einmal öffentlich geraten, mehr Zurückhaltung zu üben: «Manchmal wirkt er wie ein Kumpel, dabei ist er Regierungsrat», sagte Rechsteiner der TagesWoche.
Wessels reagiert, auch auf diese Kritik, verständnisvoll. «Andere Politiker leiden mehr an der Politik, spüren viel mehr Weltschmerz», sagt Wessels. Das entspreche nicht seiner Persönlichkeit. «Ich habe halt meistens gute Laune, deswegen bin ich aber nicht weniger ernsthaft – ich bin mir meiner Verantwortung als Regierungsrat bewusst.»
Ein Schulterzucken für einen Seitenhieb
Sogar in Krisensituationen behält Wessels seine Fassung. Etwa während des Skandals um den BVB-Direktor, der anzügliche Bilder an Mitarbeiterinnen verschickte. Mehrere politische Gegner forderten Wessels Rücktritt, ebenso wie ein ehemaliger BVB-Verwaltungsrat.
Wessels sagte: «Kommt nicht infrage», setzte zusammen mit dem Grossen Rat einen neuen Verwaltungsrat zusammen und verschärfte die gesetzliche Kontrolle der BVB – das Volk nahm das entsprechende Gesetz im Juni dieses Jahres an. Um die BVB ist es seither ruhiger geworden, und Wessels verbucht das als Erfolg und schaut den Wahlen zuversichtlich entgegen. «Ich bin sicher, dass das Stimmvolk zur Kenntnis genommen hat, dass wir die Situation gelöst haben.»
Die Zuversicht scheint echt, Wessels den Eklat verdaut zu haben. Nehmen ihn Genossen an Parteiversammlungen vor allen Mitgliedern wegen dem BVB-Skandal hoch, dann zuckt er mit den Schultern.
Der ideale Stapi
Diese Lockerheit hätte den Politiker ideal für ein Amt qualifiziert, das er nach einiger Bedenkzeit aber nicht haben wollte: das Amt des Regierungspräsidenten, für das nun Elisabeth Ackermann von den Grünen kandidiert. Seit bekannt wurde, dass der jetzige «Stapi» Guy Morin nicht mehr antritt, haben SP-Parteimitglieder Wessels bearbeitet, sich als Nachfolger aufstellen zu lassen.
Doch in Basel hat der Stadtpräsident einen schlechten Ruf als «Grüssaugust», der in erster Linie an Veranstaltungen auftritt. Aber Wessels will das nicht als Grund für seine Absage gelten lassen: «Ich finde das Präsidialdepartement durchaus reizvoll, aber nicht so spannend wie das Bau- und Verkehrsdepartement.» Er wolle weiterhin konkrete Projekte verwirklichen, die man sehe, sagt er, und zeigt mit der Hand auf die Rhyschänzli-Buvette. Es ist unter anderem seinem Departement zu verdanken, dass der Rhein im Sommer zu einem Apéro-Mekka geworden ist.
Doch dann, zum Schluss des Gesprächs, wird Wessels doch noch lauter, aber nur ein kleines bisschen. «Oh, die SVP habe ich ja ganz vergessen», sagt er zuerst lachend und kritisiert dann, dass LDP, CVP und FDP für die Wahlen eine Listenverbindung mit der SVP eingegangen sind. Diese Kritik gehört zum SP-Wahlkampfprogramm, auch Regierungsrat Christoph Brutschin wird nicht müde zu betonen, dass sich die Bürgerlichen mit der «wirtschaftsfeindlichen» SVP ins Bett legen, trotz Masseneinwanderungsinitiative.
Dass es überhaupt zur bürgerlichen Zusammenarbeit gekommen ist, liegt für Wessels an der «Basler Zeitung»: «Die Bürgerlichen höselen der SVP nur nach, weil sie Angst haben vor der BaZ.» Chefredaktor Markus Somm hat mehrere Male geschrieben, dass die bürgerlichen Parteien nur Chancen hätten, wenn sie mit der SVP zusammenspannten. Was Wessels aber wirklich aufregt: «Die Parteien lassen sich von einer Zeitung einschüchtern, die Christoph Blocher gehört und lügt wie gedruckt.»
Mit «lügen» meint Wessels einen Skandal um seine Person, der gar kein richtiger war; die Berichterstattung über das sogenannte «Schwedenreisli». Die BaZ hatte dem Bau- und Verkehrsdepartement vorgeworfen, Geld für einen Betriebsausflug inklusive Partner zu verschleudern. Es stellte sich heraus, dass die Fakten nicht stimmten. Der Presserat rügte die Zeitung deshalb für einen Verstoss gegen die «Wahrheitspflicht» aufgrund mangelhafter Quellen.
Wessels hat auch diesen Wirbel überstanden.
Die Wohnraumknappheit und die hohen Mietpreise. In den letzten zehn Jahren sind in Basel 20’000 neue Arbeitsplätze entstanden, doch der Wohnungsbau ist nicht nachgekommen. Deshalb ist mein Departement dabei, die Arealentwicklung voranzutreiben, um mehr Wohnungen und Arbeitsplätze zu schaffen, beispielsweise auf dem Lysbüchelareal, dem Dreispitz, auf dem Wolf und im Klybeckareal.
Wieso sollte man ausgerechnet Sie wählen?
Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Regierungsrat habe ich viel erreicht. Vor zehn Jahren hat Basel wirtschaftlich stagniert, die Staatskasse wies ein riesiges Loch auf und die Leute sind abgewandert. Die rot-grüne Regierung hat den Wirtschaftsstandort gestärkt, die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut, die Finanzen saniert und die Stadt grüner gemacht und verkehrsberuhigt. Jetzt floriert die Stadt und zieht neue Leute an.
Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
Zwei Krimis, damit kann ich mich am besten entspannen. Erstens der neuste Brunetti (Donna Leon: «Ewige Jugend. Commissario Brunettis fünfundzwanzigster Fall», Anm. der Redaktion) und zweitens «Nullzeit» von Juli Zeh, das ist der Hammer.
Steckbrief:
Geboren: 1962.
Politische Laufbahn: 1981: Eintritt in die SP Basel-Stadt. Mitglied des Grossen Rates (1991 bis 2000 und 2005/06). Von 1993 bis 1995 und 2003 bis 2005: Vizepräsident der SP Basel-Stadt. Seit 2009 Regierungsrat, Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements.
Beruflicher Werdegang: Studium der Biochemie an der ETH Zürich und Doktorarbeit am Biozentrum der Universität Basel. Danach Praxiserfahrung in verschiedenen Firmen in der Privatwirtschaft. 2000 bis 2005: Geschäftsführer des Pharmazentrums Basel-Zürich an der Universität Basel, danach Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft BaselArea.
Familiäres: Lebt mit seiner Ehefrau im Neubad. Ihre Tochter (1996) und ihr Sohn (1993) sind bereits ausgeflogen.
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Die TagesWoche porträtiert während dem Wahlkampf alle bisherigen Regierungsräte und neuen Kandidaten. Bereits erschienen: Eva Herzog, Conradin Cramer, Lukas Engelberger, Christoph Brutschin, Lorenz Nägelin, Heidi Mück, Christian Mueller.
Demnächst im Porträt: Elisabeth Ackermann (Grüne).