In der Schockstarre

Elisabeth Ackermann steckt fest. Die grüne Regierungspräsidentin verschleppt wichtige Entscheide, ihre öffentlichen Auftritte sind ängstlich. Selbst ihr Parteipräsident übt Kritik.

Angst, Fehler zu machen: Die grüne Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann hat sich eingekapselt. (Bild: Hans Jörg Walter)

Jetzt also eine hastig einberufene Medienkonferenz. Für Freitag hat Elisabeth Ackermann die Journalisten einbestellt. Sie wird ihnen erzählen, man sei fündig geworden und habe die Direktion des Naturhistorischen Museums nun beisammen.

Gute Nachrichten aus dem Präsidialdepartement. Endlich.

Dabei ist auch diese Nachricht eigentlich eine schlechte: Ackermann führt das Museum mit der bisherigen Interimslösung weiter. Wenn die grüne Regierungsrätin und die neue Direktion vorne am Tisch sitzen, fehlt der Wunschkandidat, den man unbedingt holen wollte – der als Einziger dem komplexen Profil entsprach, sowohl anerkannter Wissenschaftler wie auch bewährter Museumsmacher zu sein. Der Wunschkandidat ist abgesprungen, er soll beunruhigt gewesen sein über die Unsicherheiten in der Basler Kulturpolitik.

Toxische Hinterlassenschaften

Anlass, besorgt zu sein, gibt es genug. Der Neubau des Naturhistorischen Museums beim Bahnhof St. Johann ist bis auf Weiteres vom Grossen Rat blockiert. Dazu machen Meldungen vom Chaos im Präsidialdepartement die Runde. Besonders der Artikel «Basel in der Krise» in der «NZZ am Sonntag» hat übers lokale Publikum hinaus für Irritationen gesorgt. Der renommierte Kunstkritiker Gerhard Mack schrieb von einem «verstörenden Beben, das die Basler Museumswelt in aller Öffentlichkeit» erfasst habe. Im Epizentrum dieses Bebens: Elisabeth Ackermann.

Ackermann ist neun Monate nach ihrem Amtsantritt am Anschlag. Die ehemalige Musiklehrerin hat sich in ihrem Büro im Rathaus eingekapselt. Für ihre Mitarbeiter ist sie im Departement nicht wahrnehmbar, nur wer ihr im Organigramm direkt unterstellt ist, erhält Zugang. Medienanfragen empfinden Ackermann und ihre Kommunikationschefin Melanie Imhof per se als Bedrohung. Die Erwartungen an ihre Person scheinen die 54-Jährige zu lähmen, die neugewonnene Macht scheint sich nach kürzester Zeit als Bürde zu erweisen.

Probleme geerbt: Die Versäumnisse von Ackermanns Vorgänger Guy Morin kommen nach und nach an die Oberfläche.

Was ist los mit Ackermann, die vor einem Jahr glanzvoll in den Regierungsrat gewählt wurde? Die Regierungspräsidentin befremdet mit ihren öffentlichen Auftritten und ihrer Art, Probleme zu bewältigen. Zweifel werden laut, ob sie dem Amt wirklich gewachsen ist. Von links bis rechts heisst es: «Es ist noch schlimmer als bei Guy Morin» – ein vernichtendes Urteil, über Morin wurde zeit seines Wirkens die Nase gerümpft. Selbst in der Regierung ist man wegen Ackermanns Entscheidungsschwäche besorgt.

Die toxischen Hinterlassenschaften ihres Vorgängers und Parteikollegen Guy Morin machen ihr sichtlich zu schaffen. Beispielhaft dafür ist das Gezerre um die Gesamtstrategie für die fünf kantonalen Museen. Jahrelang hatten Morin und sein Kulturchef Philippe Bischof die vom Grossen Rat verlangte Museumsstrategie verschleppt. Ackermann muss nun die Versäumnisse innert kurzer Zeit aus der Welt schaffen. Doch sie tut das nur sehr zögerlich, agiert verunsichert, hat offensichtlich Angst, Fehler zu machen.

Die Museumsstrategie liegt eigentlich seit den Herbstferien vor, doch Ackermann zog sie in letzter Minute zur neuerlichen Bearbeitung zurück. In der Regierung reagierte man konsterniert auf den Rückzieher. Denn ohne die Strategie bleiben andere drängende Probleme ungelöst.

Kündigungen und Krankheitsfälle

Etwa die Krise im Kunstmuseum, dem Vorzeigehaus der Stadt. Dort fehlt viel Geld in der Kasse: Es ist die Rede von zusätzlichen 2,5 Millionen Franken, die für die Betriebskosten des Neubaus nötig wären. Würde nun in der Strategie die herausragende Rolle des Kunstmuseums hervorgehoben, liessen sich leichter frische Mittel beschaffen.

Für das fehlende Geld kann Ackermann nichts: Die dreiste Berechnung wurde von Morin und der damaligen Museumsleitung angestellt und vom Grossen Rat leichtfertig verabschiedet. Für das Verschleppen einer Lösung dagegen ist Ackermann verantwortlich.

Und das fehlende Geld ist nicht das einzige Problem im Kunstmuseum. Seit Annette Schönholzer Anfang Jahr als Kaufmännische Direktorin im Haus angefangen hat, häufen sich Kündigungen und Krankheitsfälle. Schönholzer, die lange bei der Art Basel gearbeitet hat, wurde noch von Bischof mit dem Auftrag geholt, den verstaubten Betrieb effizienter zu gestalten.

Es gehe, heisst es im Kunstmuseum, wer mit der neuen Chefin menschlich nicht zurechtkomme.

Doch Schönholzer kehrt gründlicher, als es für das Haus verkraftbar ist. Zwölf Personen haben seit ihrem Antritt im Januar dieses Jahres gekündigt, sieben liessen sich krankschreiben, davon zwei Mitarbeiter mit Leitungsaufgaben. Längst geht nicht nur, wer vom neuen Tempo überfordert ist. Es gehe auch, heisst es im Museum, wer mit der neuen Chefin menschlich nicht zurechtkomme.

Die Unzufriedenen haben beim Präsidialdepartement Zeugnis abgelegt über ihre Beweggründe, schliesslich waren sie beim Kanton angestellt. Was tut nun Ackermann in der diffizilen Angelegenheit? Sie lässt mitteilen, alles sei in bester Ordnung: «Im Rahmen von Change-Prozessen gibt es in Institutionen immer eine gewisse Fluktuation.» Es sei nicht aussergewöhnlich, dass sich «einige Mitarbeiter nicht mehr in den Zielen und der neuen Führungskultur» wiederfänden.

Kurz: Sie lässt es laufen.

Eigentlich hätte sie einen Leiter Kultur an ihrer Seite, der sich um solche Themen kümmern müsste. Doch nach dem gut getimten Abgang von Philippe Bischof zur schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia, der in Zeiten höchster Unruhe erfolgte, steht sie immer noch ohne einen solchen da.

Der grosse Befreiungsschlag

Jedenfalls offiziell. Tatsächlich ist von der langen Liste der Bewerber nur noch einer übrig, der den Anforderungen des Departements gerecht wird. Bereits nach den Sommerferien informierte Ackermann die Regierung, dass sie fündig geworden sei. Als sie von den Kollegen in der Exekutive dazu gedrängt wurde, die Anstellung zu finalisieren, um die Unruhe und das Gerede zu stoppen, zögerte Ackermann. Sie wolle noch ein letztes Assessment abhalten. Ihre Maxime: lieber abwarten, als etwas falsch machen.

Im engsten Kreis ist nun der Plan, im November den grossen Befreiungsschlag zu lancieren und Museumsstrategie und Leiter Kultur gemeinsam zu präsentieren. Doch die Probleme werden bis dann nicht kleiner, der Druck auf Ackermann nimmt nicht ab.

Mehrheitsbeschafferin der SP-Regierungsräte: Ackermann am Wahltag mit Christoph Brutschin und Eva Herzog.

«Ich möchte nicht mit ihr tauschen», sagt Heidi Mück, ehemalige Konkurrentin und heutige Verbündete von Ackermann. Mück ist Co-Präsidentin der Grünen-Partnerpartei BastA!. Das Präsidialdepartement habe sie nie angestrebt, weil der Gestaltungsspielraum klein, der Fallen viele seien. «Es gibt dort viele kleine Könige, die sich nicht reinreden lassen. Das aufzubrechen ist nicht einfach.» Sie hält Ackermann für politisch verlässlicher als Morin – und für zugänglicher. «Ich kann mit ihr sprechen, wenn irgendwo ein Problem auftaucht, mit Morin konnte ich das nicht», sagt Mück.

Dabei hätte sie Grund dazu, kritischer zu sein. Mück wollte wie Ackermann vergangenen Herbst in die Regierung einziehen. Schaffen kann das im linken Spektrum nur, wer die SP hinter sich hat. Deren Parteispitze aber hatte sich längst für die bewährte Grossratspräsidentin Ackermann entschieden. Darauf gedrängt hatten vor allem die Regierungsräte der Sozialdemokraten: Ackermann schien ihnen die zuverlässigere Mehrheitsbeschafferin als die kratzbürstige Mück.

«Wenn Ackermann vor Publikum spricht, wirkt es leider oft so, als wäre sie lieber woanders.»Heidi Mück

Mück plädiert dafür, Ackermann Zeit zu geben ins Amt zu wachsen. Dazu gehöre auch, ein besseres Auftreten in der Öffentlichkeit zu entwickeln: «Sie fühlt sich sichtlich unwohl auf einer Bühne. Wenn sie vor Publikum spricht, wirkt es leider oft so, als wäre sie lieber woanders.»

Die Auftritte, die Reden – kein schönes Thema für Ackermann. Es sind Reden ohne Witz, ohne Pointe, ohne Denkanstösse. Sie wirken so, als würden ihre Berater ihr schlicht nicht mehr zutrauen, als würden sie bereits einkalkulieren, dass Ackermann bei der kleinsten Hürde stolpert. Steht sie auf der Bühne, klebt Elisabeth Ackermann dann meist sklavisch am eigenen, mediokren Skript. Sie spricht unaufgeregt, vor allem aber unaufregend.

Dies als Marotte oder kleinere Schwäche abzutun, wird der Sache nicht gerecht. Zur Hälfte besteht der gut bezahlte Job als Regierungspräsidentin darin, Regierung und Kanton in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Wer sich in dieser Rolle nicht wohlfühlt, ist falsch besetzt.

Ein unzufriedener Parteipräsident

88 öffentliche Auftritte absolviert Elisabeth Ackermann in ihrem ersten Jahr, rund die Hälfte davon hat sie hinter sich gebracht. Zumeist spricht sie ein Grusswort, zwei bis drei Minuten Rede ab Manuskript. An einzelnen Tagen stehen gleich mehrere Auftritte in ihrem Terminkalender, etwa diesen Samstag.

Erst empfängt sie die Markthändler der Herbstmesse im Vorzimmer des Grossen Rates, dann eröffnet sie mit dem Läuten der Martinsglocke die Messe, nur um anschliessend nach Riehen zu eilen, wo die Grüne Partei der Schweiz ihre Delegiertenversammlung abhält. Am späteren Nachmittag wird Ackermann schliesslich im Antikenmuseum zur Vernissage der Ausstellung «Scanning Sethos» erwartet. Überall muss sie die richtigen Worte finden – zu den unterschiedlichsten Themen, vor immer anderem, immer erwartungsvollem Publikum.

Das kann einschnüren, darf es aber nicht. Das sieht selbst ihr grüner Parteipräsident Harald Friedl so: «Sie muss noch in diese Rolle reinwachsen, muss überzeugender und selbstsicherer auftreten. Sie muss sich da verbessern.» Friedl wird überraschend deutlich, auch wenn er die Kritik an Ackermann teilweise für ungerecht hält. Sie habe viele Probleme geerbt, sei es die leidige Museumsstrategie oder die Personalgeschichten.

«Ich muss in der ganzen Breite noch in das Amt hineinwachsen und vorwärtskommen.»Elisabeth Ackermann

Mindestens einmal die Woche telefoniert Friedl mit ihr, sie tauschen sich aus, er gibt ihr Feedback und schont sie dabei nicht. Friedls Analyse: «Sie ist in einer neuen Situation, steht mehr im Rampenlicht als zuvor. Das merkt man ihr an. Sie agiert zu zögerlich – aus Angst, Fehler zu machen.»

Der Druck steigt also auch parteiintern, und Ackermann läuft die Zeit davon. Hat sich einmal ein Bild eines Regierungsrats in der Öffentlichkeit festgesetzt, wird man es nie mehr los. Hans-Peter Wessels ist für ewig der Mann, der die Probleme einfach wegzulachen versucht. Ackermanns Vorgänger Guy Morin kennt diese Dynamik ebenfalls gut. Auch er galt nach einer Reihe von seltsamen Auftritten als Fehlbesetzung und Zauderer ohne Plan. Der Ruf blieb bis zum Schluss an ihm haften, auch wenn er über die Zeit ins Amt fand.

Elisabeth Ackermann, so zumindest hat es den Anschein, ist reflektiert genug, um ihre Schwächen zu sehen. Sie sagt: «Ich muss in der ganzen Breite noch in das Amt hineinwachsen und vorwärtskommen.» Ein Satz, der kaum je einem Politiker in den Sinn, geschweige denn über die Lippen gekommen ist.

Morgen Freitag erscheint ein ausführliches Interview mit Elisabeth Ackermann.

Nächster Artikel