Die Chronik: Eine Stunde im Dauerstress und im Kopfballspiel klar unterlegen
Der FC Basel unterliegt den Kräfteverhältnissen entsprechend. Denen beim Vergleich der wirtschaftlichen Möglichkeiten wie auch der physischen Wucht und der individuellen Qualität, die Manchester United auf den Platz bekommt. Von einer Wiederholung früherer Husarenstücke auf der Insel, etwa den beiden Remis in Old Trafford, war dieser FCB weit entfernt.
Die Mannschaft von José Mourinho setzte den Schweizer Meister sofort unter Dauerstress und belagerte dessen Strafraum in der ersten halben Stunde mit 75 Prozent Ballbesitz. Romelu Lukaku boten sich die ersten Chancen, Henrikh Mkhitaryan traf nur den Pfosten (22.), und in der 35. Minute war es soweit: In eine Flanke von Ashley Young schraubte Marouane Fellaini seinen Lockenkopf. Der 1,94 Meter grosse Belgier war für den früh verletzt ausgeschiedenen Paul Pogba gekommen.
Kurz davor (Luca Zuffi) und danach (Mohamed Elyounoussi) war der FCB zu zwei sehr guten Möglichkeiten gekommen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Basler ihre Probleme über die linke Abwehrseite hatten, sie zu wenig den Ball behaupten konnten, zwar solidarisch verteidigten im Dauerregen von Old Trafford, aber zu zaghaft nach vorne wirkten.
Die Körpergrösse, aber auch das geschicktere Verhalten machte auch beim 2:0 den Unterschied. Acht Minuten nach Seitenwechsel setzte Lukaku seine 1,91 Meter gegen die 1,83 Meter von Marek Suchy durch. Danach liess es Manchester etwas schleifen, und Mohamed Elyounoussi besass nach schöner Vorarbeit von Renato Steffen die Chance zum Anschlusstreffer, aber David de Gea parierte (64.).
Mit Einwechslung von Kevin Bua für den quasi unsichtbaren Ricky van Wolfswinkel sowie von Dimitri Oberlin (für Blas Riveros) und einer Umstellung vom 3-4-3 auf ein 4-4-2 eroberte sich der FCB deutlich mehr Spielanteile in einer allerdings von Manchester weitgehend kontrollierten Partie. Das auch den Schlusspunkt setzte mit dem Treffer des eingewechselten Marcus Rashford.
Manchester United bleibt damit 19 Heimspiele in der Champions League ungeschlagen, und die Aufgabe für den FCB wird in dieser Gruppe durch den Überraschungserfolg von ZSKA Moskau bei Benfica Lissabon (2:1) nicht einfacher.
» Die Zusammenfasssung des Spiels im Video
Trainer-Monologe: «Wir waren anfangs zu passiv und ängstlich»
Raphael Wicky:
«Es steht 3:0 für Manchester, und das ist nicht das, was man sich wünscht. Ich habe der Mannschaft aber gesagt, wenn wir diese Leidenschaft, diesen Spirit jede Woche in der Schweiz auf den Platz bringen, dann werden wir dahin kommen, wo wir hin wollen. Diese Mannschaft lebt, sie hat Charakter gezeigt und sie hat probiert zu spielen. Das war eine gute Reaktion, auch wenn es nach einem 0:3 blöd klingt.
Wir haben in der ersten Halbzeit viele Probleme über unsere linke Seite gehabt, aber wenn es Tor passiert, ist es meistens nicht nur ein Fehler. Mkhitaryan hat viele Freiheiten zwischen den Linien gehabt und kann die Verlagerung beim 1:0 spielen. Und Blas Riveros ist 19 Jahre und wird aus solchen Situationen lernen.»
Der Novize und der alte Hase: Raphael Wicky im Anzug im Dauerregen von Manchester, dahinter José Mourinho.
Wicky weiter: «Für ein besseres Resultat müssen alle einen ausserordentlichen Tag haben. Das war leider nicht so.
Natürlich kann man sagen, dass man beim zweiten Gegentor besser verteidigen kann. Aber für irgend etwas hat Lukaku 90 Millionen gekostet. Danach war es schwierig für uns, in einer Phase, in der wir nicht so schlecht waren. Aber das haben wir in der Analyse vor dem Spiel gesehen: Manchester lässt den Gegner zum Teil mitspielen, und irgendwann stechen sie wieder zu. Dann sind sie extrem effizient.
Wir wussten, dass wir weniger Ballbesitz haben werden, aber für mein Gefühl sind wir in der ersten Halbzeit fast zu passiv und zu ängstlich gewesen. Vor allem mit dem Ball. Wir haben den Ball zu schnell verloren, und wir können schon Fussball spielen, das hat man ja nachher auch gesehen. Aber man muss auch den Mut dazu haben. In der zweiten Halbzeit haben wir das besser gemacht, haben aber auch mehr Gegentore bekommen.»
José Mourinho: «Ärgere mich ein bisschen»
«Wir sind glücklich über die Punkte, denn der Start ist immer wichtig. In der ersten Halbzeit hat Basel gut verteidigt. Sie sind kompakt gestanden und haben alle Lücken geschlossen. Dann haben wir das Tor mit einem guten Angriff erzielt – und mit der wichtigen Qualität, die Fellaini ins Team bringt.
Nach dem 2:0 hatten wir unsere schlechteste Phase, darüber ärgere ich mich ein bisschen. Basel hat das System umgestellt, hat offensiver gespielt, aber wir hatten das Spiel trotzdem unter Kontrolle.»
Die Aufstellungen: Zurück zur Dreierkette
FCB-Trainer Raphael Wicky entschied sich für eine Verdichtung des Abwehrzentrums und einer Dreierkette, die mit Lang und Riveros zum Fünferriegel wurde. Das Mittelfeldzentrum besetzten Zuffi und Xhaka, die Flügel Steffen sowie der genesene Elyounoussi, und als vorderster Mann agierte van Wolfswinkel. Mit der zweiten Einwechslung (auf eine dritte verzichtete Wicky) wurde auf eine 4-4-2-Grundordnung umgestellt.
FC Basel (3-4-3): Vaclik; Akanji, Suchy, Balanta; Lang, Xhaka, Zuffi, Riveros (77. Oberlin); Steffen, van Wolfswinkel (66. Bua), Elyounoussi.
Ausserdem auf der Basler Bank: Salvi (ET), Gaber, Fransson, Schmid, Calla.
Manchester United (4-2-3-1): De Gea; Young, Lindelöf, Smalling, Blind; Pogba (19. Fellaini), Matic; Juan Mata (77. Rashford), Mkhitaryan, Martial (69. Lingard); Lukaku.
Ausserdem auf der Bank: Romero (ET), Carrick, Valencia, Darmian.
Der Nebenschauplatz I: Die singenden FCB-Fans
Etwas holprig ins Deutsch übersetzt sagte die Stadionsprecherin kurz vor dem Spielende in etwa: «Das ist eine Durchsage an die Basler Fans. Für Ihre Gemütlichkeit dürfen Sie nach dem Spiel gerne noch sitzen bleiben.» Die Stimme war freundlich, wie es sich gehört, wenn man sich an anständige Gäste wendet. Denn was die Basler Fans im Old Trafford ablieferten, war allererste Güte.
Während der ganzen Spieldauer waren jene rund 850 mitgereisten Supporter im Gästesektor das dominierende Element der Akustik im mit 73’854 besetzten Theater der Träume. Lauter als die Fans von Manchester, und das trotz des einseitigen Spielgeschehens, das so ganz und gar nicht in ihrem Sinne war. Der Zwölfte Mann war an diesem Abend der stärkste.
Der Nebenschauplatz II: Eine Frage der Erfahrung
Gerade einmal elf Champions-League-Einsätze sassen auf der Bank des FCB, verteilt auf Davide Callà (8), Alexander Fransson (2) sowie Omar Gaber (1). Der auf diesem Level erfahrenste Spieler war Marek Suchy, der in Old Trafford zum 31. Mal in der Königsklasse spielte. Ihr Debüt gaben Manuel Akanji, Blas Riveros sowie Ricky van Wolfswinkel. Hinzu kamen die eingewechselten Kevin Bua und Dimitri Oberlin.
Bei ManUnited fehlten die Spieler mit den meisten Champions-League-Spielen: Zlatan Ibrahimovic (118) ist rekonvaleszent und Captain Michael Carrick (70) blieb ebenso auf der Bank wie Verteidiger Antonio Valencia (38). Einziger Debütant in der Startelf war Romelu Lukaka, dazu kam später noch Marcus Rashford.
Für José Mourinho, der die Champions League schon zwei Mal gewonnen hat, war es der 128. Abend mit Hymne und Sternen, für seinen Gegenüber Raphael Wicky der erste überhaupt.
Vor dem Spiel:
» Manchester steht unter enormen Erfolgsdruck
» Höhenflüge und Hundejahre – der FC Basel in der Champions League
» «Vielleicht geht ja doch noch etwas» auf dem Transfermarkt – Marco Streller vor dem Spiel gegen Manchester
» Raphael Wicky will, dass seine Spieler mit angekratztem Selbstvertrauen noch enger zusammenrücken
» Ein Klumpenrisiko und jede Menge Zweifel – der FC Basel vor dem Spiel in Manchester