Nach dem Abriss der alten Kuppel Mitte 2016 schien das Neubau-Projekt im Mai 2017 endlich Fahrt aufzunehmen. Der alte Kuppel-König Simon Lutz gab das Zepter ab und erklärte: «Nach 25 Jahren Kuppel ist es beim neuen Kulturort wichtig, dass junge Kräfte nachrücken.» Nach 25 Jahren im Provisorium und mindestens 15 Jahren Planung des neuen Projektes ist ihm der Abschied von seinem «Lebenswerk» sicher nicht leicht gefallen.
Lutz‘ Abgang war nicht freiwillig, aber nötig, damit es neue Hoffnung für die Kultur-Kuppel gab. Das konnte man ein paar Tage nach dem oben zitierten Interview aus der Medienmitteilung der Stiftung Kuppel entnehmen.
Kurz zusammengefasst: Lutz, der auf dem Gelände auch den Gastrobetrieb Acqua und den damaligen Club Annex betrieb, fand keine Geldgeber für einen ebenfalls geplanten Gastrobetrieb im neuen Kulturbau. Darum wurden seine Kuppel-Pläne im Oktober 2016 sistiert.
Wohl gab es private Geldgeber, doch die pochten darauf, dass ihre zugesagten sieben Millionen Franken nur zur Förderung nicht kommerzieller Jugend- und Alternativ-Kultur verwendet würden. Auch die 1,7 Millionen Franken, die von der Stadt zugesagt wurden, sind zweckgebunden für neue Proberäume.
Das Vertrauen in Lutz schien bei der Sistierung derart erschüttert, dass das Projekt gemäss Medienmitteilung der Stiftung Kuppel erst nach «intensiven Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern des Kantons sowie der Spenderinnen und Spender wiederaufgenommen werden konnte». Und nur unter einer neuen Leitung.
Für Schlagzeilen sorgt nur Lutz
Das Präsidium der Stiftung Kuppel ging von Lutz an Tobit Schäfer. Als Geschäftsführer des RFV Basel federführend bei der Forderung und Förderung der Proberäume schien er weniger gefährdet, den Kultur-Fokus des Neubaus wegen gastronomischer Verlockungen aus den Augen zu verlieren. Auch kann man vermuten, dass der damalige SP-Grossrat sich mit der Rettung des Projektes politisch profilieren wollte. Ehrenrührig ist das nicht, doch hörte man seit der Medienmitteilung nichts mehr von der Stiftung.
Für Schlagzeilen sorgte letztes Jahr wiederum nur Lutz. Die Stadtgärtnerei beklagte im Juli, Lutz zäune im für 11,2 Millionen Franken neu gestalteten Nachtigallenwäldeli grosszügig Platz für seine Gastrobetriebe ein, obwohl der Raum gemäss Baurechtsvertrag auch ohne Konsumzwang öffentlich zugänglich sein muss.
Alle Parteien standen hinter dem Neubau als Ersatz für das ewige Kuppel-Provisorium.
Man könnte das als Sommerposse abtun. Doch zeigt das Beispiel exemplarisch, warum das Projekt Kuppel nicht auf Touren kommt:
Das Baurecht für die Kuppel hat die QPL AG. Die Firma gehört Simon Lutz und seinem langjährigen Geschäftspartner Stephan Werthmüller. Sie profitierten von einem politisch breit abgestützten Regierungsratsbeschluss von 2010 zur Nutzung des Raumes zwischen Zoo und Heuwaage. Sämtliche Parteien (sogar die junge SVP) standen hinter dem Neubau als Ersatz für das ewige Kuppel-Provisorium. Das Gelände sollte für Kultur genutzt werden und nicht, wie von den «Freunden des Zoo» gefordert, dem Zoo Basel zur Verfügung gestellt werden.
Immobilien Basel-Stadt schloss daraufhin mit der QPL AG einen Baurechtsvertrag über 30 Jahre ab, der am 1. April 2014 in Kraft trat. Dass eine Neueröffnung der Kuppel an diesem Tag ein Scherz war, stand schon bei der Unterzeichnung fest: Das alte Provisorium stand noch immer.
Der einstige Kuppel-König hat bei der Stiftung die Krone abgegeben, das Baurecht hält er mit der QPL AG aber weiter.
Im Februar 2016 gründeten Lutz und Werthmüller dann die «Stiftung Kuppel». Als Zweck definiert die gemeinnützige Stiftung als Erstes einen permanenten Neubau und die Unterstützung eines vielfältigen Kulturprogramms mit dem Schwerpunkt nicht-kommerzielle Jugend- und Alternativ-Kultur. Was auch dem Ansinnen der Politik entspricht.
Statt grosser Geldsummen brachten Simon Lutz und Stephan Werthmüller das Baurecht der QPL AG in die Stiftung Kuppel ein. Gemäss Stiftungsurkunde wird «ein unentgeltliches Unterbaurecht auf einem Abschnitt von ca. 383 m² auf der von der QPL AG gehaltenen Baurechtsparzelle 2936 zwecks Errichtung der Kuppel für die gesamte Dauer des unterliegenden Baurechts eingeräumt».
Der ehemalige Kuppel-König hat also bei der Stiftung die Krone abgegeben, das Land hält Lutz mit der QPL AG aber weiterhin – beziehungsweise das Baurecht darauf, welches ihm die Stadt abgetreten hat. Seit die alte Kuppel abgerissen worden ist, nutzt Lutz Teile der Parzelle für den Sommergarten des «Acqua» oder das bekannte Fondue-Chalet Baracca Zermatt.
«Damit das Unterbaurecht errichtet werden kann, muss erst ein bewilligungsfähiges Projekt vorliegen.» – Simon Lutz
Dass die QPL AG das Unterbaurecht entgegen dem von Werthmüller und Lutz unterschriebenen Stiftungszweck nicht weitergegeben hat und damit faktisch den Bau der neuen Kultur-Kuppel blockiert, begründet Lutz auf Anfrage der TagesWoche so:
«Damit das Unterbaurecht errichtet werden kann, muss erst ein bewilligungsfähiges Projekt vorliegen, welches den entsprechenden Unterbaurechtsperimeter definiert. Da dies noch nicht der Fall ist, konnte das Unterbaurecht noch nicht vertraglich geregelt werden.»
Der neue Stiftungspräsident Schäfer widerspricht Lutz nicht direkt, stellt aber klar:
«Dass die Stiftung Kuppel als künftige Betreiberin der Neuen Kuppel Basel das Baurecht im Nachtigallenwäldeli nicht direkt von der Stadt Basel erhält, ist formell tatsächlich nicht optimal, wenn man die Beschlüsse des Grossen Rats streng interpretiert. Aber die QPL AG, mit der die Stadt Basel den Baurechtsvertrag abgeschlossen hat, räumt der Stiftung Kuppel ein unentgeltliches Unterbaurecht ein und Simon Lutz und Stephan Werthmüller, die beide auch Stiftungsräte der Stiftung Kuppel sind, haben sich schon vielfach zum Neubau committet. Deshalb bin ich optimistisch, dass das Projekt wie geplant realisiert werden kann, insbesondere weil die Finanzierung durch Spenden von Basler Privatpersonen vollständig gesichert ist.»
Weniger diplomatisch ausgedrückt: Die QPL AG rückt der Stiftung das Land nicht raus. Schäfer und Lutz sitzen zwar in derselben Stiftung, doch scheinen die beiden nicht am selben Strang zu ziehen.
Immobilien Basel-Stadt hat es verpasst, das Baurecht an Bedingungen zu knüpfen.
Da Lutz nicht mehr in die Kultur-Kuppel involviert ist, hat er wohl die Lust am Neubau verloren. Denn bei aller Liebe zu seinem erklärten Lebenswerk: Lutz ist in erster Linie Gastro-Unternehmer. Die Kultur ist sicher nicht sein primärer Antrieb. Schon in der alten Kuppel waren Steffi Klär und später auch Jennifer Jans für das Programm zuständig. Lutz selber entwickelte neue Gastro- und Club-Konzepte. Sein neuster Schauplatz ist der Hafenkran, der dieses Jahr wirklich loslegen soll.
Die Kuppel bezeichnet Lutz wohl vor allem darum als sein Lebenswerk, weil er mit ihr seine Karriere startete. Doch hat er sich längst weiterentwickelt: Atlantis, Singer, Nordstern, um nur ein paar weitere Engagements ausserhalb des Nachtigallenwäldelis zu nennen.
Langer Hebel gegen Neubau
Doch das Gelände am Birsig bleibt das Herzstück seiner Unternehmungen. Seit 1993 konnte er es mehr oder weniger allein entwickeln. Sein Interesse an einem Neubau anderer Betriebe direkt vor seinen Kuppel-Appendizes ist verständlicherweise gering.
Mit dem Baurechtsvertrag, den die QPL AG mit Immobilien Basel-Stadt abgeschlossen hat, hält Lutz einen langen Hebel in der Hand, um einen Neubau zu verhindern. Denn Immobilien Basel-Stadt hat es verpasst, das Baurecht an Bedingungen zu knüpfen.
Die Baurechtsnehmerin, also die QPL AG, muss im Vertrag zwar bestätigen, über den regierungsrätlichem Ratschlag und den Beschluss des Grossen Rates zur Umgestaltung und Nutzung des Nachtigallenwäldelis Bescheid zu wissen. «Die Baurechtsnehmerin bestätigt insbesondere, davon Kenntnis genommen zu haben, dass gemäss vorerwähntem Ratschlag des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt der provisorische Veranstaltungsraum Kuppel durch einen Neubau ersetzt werden soll.» Der Neubau wird von der QPL AG beim Inhalt zum Baurecht sogar nochmals explizit unter «Dringlich» gefordert.
Lutz könnte die Sache so lange aussitzen, bis die Stiftung aufgeben muss.
Doch ausser den baugesetzlichen Möglichkeiten werden keine Forderungen an den neuen Veranstaltungsraum geknüpft. Weder Proberäume noch Kultur sind gefordert oder Teil der Abmachung. Unter «Obligatorisch» steht nur: «Die Parteien erklären ihre Absicht, dass auf dem Areal der heutigen Kuppel ein Neubau, der Kuppelneubau, errichtet wird.»
Der offen formulierte Baurechtsvertrag erklärt, warum Stiftungspräsident Schäfer die Bauparzelle der Kultur-Kuppel nicht mit schärferen Tönen einfordert: Die Stiftung Kuppel ist ein Stück weit dem Goodwill der QPL AG ausgeliefert.
Denn Lutz kann die Stiftung weiter auflaufen lassen und abwechselnd zur Winter-Baracca eine Sommer-Buvette aufstellen. Im schlimmsten Fall sitzt er die Sache so lange aus, bis die Stiftung aufgeben muss.
Stiftungsaufsicht auf dem Beobachtungsposten
«Die Auflösung einer Stiftung ist allerdings das letzte Mittel, das die Aufsichtsbehörde ergreift», erklärt Christina Ruggli-Wüest von der Stiftungsaufsicht beider Basel. «In der Regel suchen wir bei Problemen das Gespräch und versuchen den Zweck anzupassen. Damit wird dem Ansinnen der Stiftenden meist besser Rechnung getragen als mit einer Auflösung.»
Zum konkreten Fall bei der Stiftung Kuppel kann Ruggli-Wüest wegen des Amtsgeheimnisses nicht Stellung nehmen: «Im ersten Jahr einer Stiftung lassen wir der Stiftung Zeit, was die Zweckerfüllung angeht.» Doch verfolgt die Aufsichtsbehörde die Entwicklung rund um den Kuppel-Neubau interessiert. Dementsprechend gespannt wartet sie nun auf den Bericht der Stiftung zum zweiten Jahr.
Doch scheint auch dieses Kontrollorgan zeitnah keine Hilfe bringen zu können.
Wenn man die Kultur-Kuppel wirklich will, ist es höchste Zeit, dass die Stadt nach neuen Lösungen sucht.
Der Kultur-Kuppel läuft die Zeit davon. Schäfer hat zwar die Geldgeber von einem Absprung abhalten können, und der Grosse Rat hat den Kredit für die Proberäume erneuert. Aber mittlerweile ist zu viel Wasser den Birsig hinunter geflossen. Das per 2014 gewährte Baurecht reicht schon heute nicht mehr für eine finanziell tragbare Realisierung.
Schäfer erklärt: «Der Businessplan der Stiftung Kuppel, der Teil unserer Vereinbarung mit den Spenderinnen und Spendern ist, geht von einem 30 Jahre laufenden Betrieb ab der Eröffnung der Neuen Kuppel Basel aus.» Selbst wenn sich QPL AG und Stiftung bald einigen, dürfte die Kultur-Kuppel frühestens 2020 eröffnet werden. Dann blieben noch knapp 24 Jahre bis zum Baurechts-Vertragsende im April 2044.
Höchste Zeit also, dass die Stadt nach neuen Lösungen sucht, wenn man die Kultur-Kuppel denn wirklich will – was alle Beteiligten wiederholt bekräftigen.
Simon Lutz: Förderer oder Verhinderer?
Eine Neuverhandlung böte auch Gelegenheit, direkt mit der Stiftung Kuppel als Betreiberin einen Baurechtsvertrag für deren Bauperimeter abzuschliessen, was wohl auch dem weiteren Betrieb förderlich wäre. Auch sollte der Kulturauftrag darin klar definiert werden, um diesmal für alle zukünftigen Fälle und Unfälle gewappnet zu sein.
Mit der Stadt als Verhandlungspartnerin könnte wohl auch Lutz eher erweicht werden, sein Lebenswerk freizugeben. Eventuell kann er dabei auch zusätzliche Jahre für die anderen Betriebe auf dem Gelände gewinnen und weiterhin als generöser Kulturförderer gelten, statt als Verhinderer in Verruf zu geraten. Und bestimmt hat der findige Kopf noch das eine oder andere Projekt vor sich, wofür die Stadt Hand bieten soll.