Herr Borner, am 10. Juni hat die Bevölkerung die vier Wohninitiativen angenommen. Sind sie enttäuscht über das Resultat?
Enttäuscht nicht, aber überrascht. Das Abstimmungsergebnis bringt die Sorge der Bevölkerung gegenüber dem Mietwesen zum Ausdruck. Diese Sorge spüren wir schon seit mehreren Jahren, allem voran in der politischen Diskussion. Erstaunt bin ich allerdings darüber, dass gleich alle vier Wohninitiativen von der Basler Bevölkerung als erfolgversprechende Massnahmen zur Linderung des Drucks auf den Wohnungsmarkt angesehen werden.
«Im innerstädtischen Bereich sind wir mit Interessenskonflikten unter der direkten Nachbarschaft konfrontiert.»
Sie sehen das also anders?
Ich bin skeptisch, ob gleich alle vier Initiativen die richtigen Instrumente sind, um eine nachhaltige Linderung auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen. Was ich in den letzten 13 Jahren bei Immobilien Basel-Stadt erlebt habe: Die Bedürfnisse und die Herausforderungen ändern sich fortlaufend. Der gesellschaftliche Wandel verläuft ausserdem zunehmend schneller. Es ist deshalb wichtig, dass der Kanton flexibel bleiben kann. Starrheit zu zementieren, wäre ein Fehler.
Was bedeutet das vierfache Ja nun für Immobilien Basel-Stadt?
Relativ einfach umsetzbar wird die Initiative «Ja zu bezahlbaren Neumieten» sein, die die Einführung der Formularpflicht bei der Anfangsmiete verlangt. Zu allen anderen Initiativen wie «Recht auf Wohnen» oder «Wohnen ohne Angst vor Vertreibung» hat das Präsidialdepartement nun den Lead, eine mögliche Umsetzung auszuarbeiten.
Sie hören sich besorgt an.
Das wird sich dann zeigen, wenn die Gesetzesvorlagen konkret sind. Vieles hängt – gerade bei der Initiative «Recht auf Wohnen» – mit der Schaffung von mehr Wohnraum zusammen. Wir stellen aber fest, dass es gerade im innerstädtischen Bereich nicht einfach ist, neuen Wohnraum zu erstellen. Zumal wir praktisch immer mit Interessenskonflikten unter der direkten Nachbarschaft konfrontiert sind und somit die Realisierungszeiten für solche Bauten sehr lange sind. So haben wir momentan beim Projekt Volta Ost, wo 100 Wohnungen geplant sind, darunter 33 für Sozialhilfebeziehende, Einsprachen: Aus dem geplanten Baubeginn im Sommer 2018 wird vorerst nichts. Das Projekt wird sich also verzögern.
«Es nützt nichts, wenn wir eine Wohnung an eine Person vermieten, die sich die Miete nicht leisten kann.»
Immobilien Basel-Stadt ist seit dem 10. Juni noch mehr unter Druck, erschwinglichen Wohnraum zu erstellen. Planen Sie neben Volta Ost bereits weitere Projekte?
Wir versuchen natürlich laufend, aus unserem Bestand heraus Liegenschaften für erschwingliches Wohnen zu akquirieren. Das ist aber nicht so einfach, weil der Liegenschaftsmarkt ausgetrocknet ist und wir für solche Fälle oft leere Liegenschaften brauchen. In petto ist derzeit das Projekt an der Egliseestrasse 60. Die Liegenschaft gehört Novartis, wurde auf dem Immobilienmarkt ausgeschrieben und wir haben den Zuschlag erhalten. Manchmal gewinnen wir, manchmal nicht.
Dafür haben Sie sicher auch teuer bezahlt.
Wir überbieten nicht und zahlen keine Kampfpreise. Wir wollen ja schliesslich nicht die Preisspirale auf dem Immobilienmarkt hinauftreiben. Das würde uns auch nicht weiterbringen.
Wie erleben Sie den Basler Immobilienmarkt?
Die Fluktuation funktioniert. Rund zehn Prozent der Wohnungen wechseln im Verlaufe des Jahres den Mieter, das finde ich beeindruckend. Es gibt auch nicht wirkliche Wartelisten – es stehen nicht 300 Leute an, um eine Wohnung zu besichtigen. Das ist beruhigend. Was aber sicher zugenommen hat: Benachteiligte Personen haben zunehmend Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Damit meine ich nicht eine bezahlbare, sondern anhand des Betreibungsregisterauszugs überhaupt eine Wohnung zu erhalten.
Und was machen Sie als staatliche Liegenschaftsverwaltung dagegen?
Das Wohnraumfördergesetz von 2014 sieht vor, dass wir Wohnungen beschaffen und diese an die Sozialhilfe vermieten. Die Wohnungen werden dann durch die Sozialhilfe den bedürftigen Personen zugeteilt. 20 Prozent der Wohnungen im Finanzvermögen sind heute an die Sozialhilfe vermietet.
Statt «nur» neuen erschwinglichen Wohnraum zu bauen oder solchen an die Sozialhilfe zu vermieten, könnten Sie ja auch dafür sorgen, dass Randständige einfacher zu einer ausgeschriebenen Wohnung von Immo BS gelangen – trotz vorhandenen Betreibungen.
Es kommt auf die Wohnung an, für die sich die Person bewirbt. Uns ist die Wohn- und Zahlungskompetenz einer Person schon wichtig. Selbst bei Notwohnungen, die ja bei der Sozialhilfe angesiedelt sind, ist es uns wichtig, dass die Leute hineinpassen. Zumal wir in solchen Liegenschaften mehrheitlich Familien haben. Und es nützt nichts, wenn wir eine Wohnung an eine Person vermieten, obwohl wir anhand ihren Unterlagen sehen, dass diese Person sich die Miete nicht leisten kann.
Bei der Auswahl ticken Sie also nicht anders als andere Immobilienfirmen.
Ich kann nicht beurteilen, anhand welcher Kriterien andere Immobilienfirmen ihre Mieter auswählen. Aber wir bevorzugen bei grösseren Wohnungen natürlich ganz klar Familien. Bewerben sich mehrere Familien für eine Wohnung, wählen wir in der Regel diejenige Familie, die das tiefere Einkommen hat. Das hat mit gesundem Menschenverstand zu tun: Wir wählen die Familie, welche die Wohnung am meisten braucht.
Also ist man bei Ihnen nicht im Vorteil, wenn man am meisten verdient?
Nein, gar nicht. Bei uns ist das eher ein Nachteil: Das zeigt sich beispielsweise bei unserem Neubau an der Maiengasse/Hebelstrasse, wo wir erstmals ein neues Vermietungsmodell angewendet haben.
Steht inzwischen eigentlich fest, wer dort wohnen wird?
Wir hatten 420 Bewerbungen für die 55 Wohnungen. Momentan sind wir daran, die Mietverträge abzuschliessen. Was ich sagen kann: Uns war bei der Auswahl wichtig, dass Leute aus dem Quartier, aber auch Personen ausserhalb davon zum Zug kommen – Familien, Alleinerziehende, Jung und Alt. Es wird eine bunte Mischung sein.
Werden Sie dieses Mietzins-Modell auch bei künftigen Liegenschaften anwenden?
Das ist noch nicht konkret geplant, aber sicherlich denkbar.
«Das Gewerbe hat praktisch kein Interesse an den ausgeschriebenen Flächen auf dem Lysbüchel gezeigt.»
Schon bald wird die Bevölkerung über die Zukunft des Lysbüchel-Areals abstimmen. Unabhängig davon plant Immobilien Basel-Stadt ein Gewerbe- und Kulturhaus an der Elsässerstrasse, der ehemaligen Verteilzentrale von Coop. Wie läuft es mit der Vermietung der 23’000 Quadratmeter?
Sehr gut.
Zu hören ist, dass ein Musikclub dort hineinkommt. Können Sie das bestätigen?
(zögert) Die Verträge sind noch nicht ganz abgeschlossen, deshalb kann ich dazu nichts sagen. Wir werden zu gegebener Zeit kommunizieren. Was ich jedoch sagen kann: Es wird nicht wie geplant ein Gewerbe- und Kulturhaus, sondern ein Kultur-, Event- und Freizeithaus.
Wie bitte? Daran wird der Gewerbeverband aber keine Freude haben.
Das Gewerbe hat praktisch kein Interesse an den ausgeschriebenen Flächen gezeigt – sehr zu unserer Überraschung. Zumal die Mietpreise sehr moderat waren. So verlangen wir für Büros 120 Franken pro Quadratmeter, für Gewerbeflächen 110 Franken und für Lager 60 Franken pro Quadratmeter. Das ist im Vergleich zu anderen Angeboten absolut im unteren Bereich. Zudem gibt es dort schon eine Laderampe, mit dem Lastwagen kann man dort also problemlos zufahren. Trotzdem hat sich das Gewerbe – mit einer einzigen Ausnahme – nicht für diese Flächen interessiert. Was nun ab Sommer 2020 daraus entsteht, wird toll für das Quartier. Es ist ein absoluter Mehrwert. Aber eben halt ohne Gewerbe.
Das ist schon erstaunlich, zumal der Gewerbeverband stetig jammert, es gebe zu wenig Flächen. Gar nicht gut läuft es auch mit der Vermietung der Werkarena an der Neudorfstrasse. Dort hat Immobilien Basel-Stadt das Areal im Baurecht abgegeben. Ein Fehler?
Wie der aktuelle Vermietungsstand ist, wissen wir nicht. Wir sind aber regelmässig im Gespräch mit den Verantwortlichen. Seit anderthalb Jahren läuft nun der Baurechtsvertrag mit der entsprechenden Firma. Irgendwann möchten wir schon wissen, wie es weitergeht.
Und sonst übernehmen Sie den Lead wieder?
Das haben wir nicht vor. Irgendwann muss man sich jedoch schon die Frage stellen, ob eine gewerbliche Nutzung an diesem Ort wirklich Sinn macht, wenn die Vermietung so harzig läuft. Aber eine gewisse Zeit wollen wir dem Baurechtsnehmer noch gewähren.
Die harzige Vermietung der Werkarena ist doch das beste Argument gegen das Referendum des Gewerbeverbands gegen das Planungsprojekt Volta Nord.
Wir haben dem Verband im Vorfeld der Lysbüchel-Debatte im Grossen Rat immer gesagt, dass die Gefahr einer Brache besteht, wenn das Areal allein dem Gewerbe überlassen wird – was die Eigentümerin SBB auch absolut nicht will. Aber klar ist: Wenn es nicht mal gelingt, die Werkarena zu füllen, wie soll dies dann auf einer Fläche wie dem Lysbüchel möglich sein? Ausser man macht weiter wie bisher und nutzt die vorhandenen Flächen sehr locker und grosszügig. Von dem wollen wir als Kanton aber weg. Wir wollen einen haushälterischen Umgang mit dem Boden.
«Wir sind nur ein kleiner Player auf dem Basler Immobilienmarkt, wir können nur punktuell Akzente setzen.»
Apropos Boden: Inwiefern hat sich Ihre Arbeit seit Annahme der Bodeninitiative im Februar 2016 verändert?
Gar nicht. Auch vor der Annahme der Bodeninitiative bewirtschafteten wir schon über 600 Baurechtsverträge und erwarben mehr Land, als man abgab. Die Annahme der Initiative war vielmehr eine Bestätigung unserer bisherigen Praxis.
Bei Ihnen scheinen im Baurecht nur noch Genossenschaften zum Zuge zu kommen.
Das macht vielleicht den Anschein, weil die Regierung etliche grosse Areale an Wohnbaugenossenschaften abgegeben hat und vor ein paar Jahren mit dem Wohnraumfördergesetz weitere Unterstützungsmöglichkeiten für die Genossenschaften geschaffen wurden. Für uns sind Genossenschaften zudem als Baurechtsnehmer sehr bedeutend: Im Kanton Basel-Stadt verfügen Wohnbaugenossenschaften über 10’000 Wohnungen und damit über zehn Prozent des ganzen Wohnangebots. Und rund 40 Prozent davon liegen auf Grundstücken im Eigentum des Kantons Basel-Stadt. Derzeit sind 1200 weitere Genossenschaftswohnungen in Planung. Es dürften durchaus noch mehr sein. Aber auch Genossenschaften stossen beim Bauen an ihre Grenzen.
Eben.
Private oder Institutionen kommen bei uns ebenfalls immer wieder mal zum Zug – so haben wir vor Kurzem ein Haus bei der S-Bahn-Station Dreispitz am Irène Zurkinden-Platz für Wohnen und Büros an eine institutionelle Investorin abgegeben. Manchmal bauen wir auch selber. Wir geben also nicht alles an Genossenschaften ab.
Ist es schwierig für Sie, dass Immobilien Basel-Stadt derart im Fokus der Öffentlichkeit steht?
Dieser Druck ist Bestandteil unserer Arbeit. Wir sind eine kantonale Dienststelle, was wir machen, dient somit den politischen Zielen, die uns die Regierung vorgibt. Und diese Ziele sind nun mal öffentlichkeitsrelevant. Die Herausforderung ist sicher: Mit knapp 2000 Wohnungen im Portfolio sind wir nur ein kleiner Player auf dem Basler Immobilienmarkt, wir können nur punktuell Akzente setzen, können die Stadt mit einem Anteil von zwei Prozent an allen Wohnungen nicht verändern. Jedoch versuchen wir, eine Vorreiterrolle einzunehmen – etwa durch neue Vermietungskonzepte wie «Sicheres Wohnen im Alter» oder die Abgabe des Bodens im Baurecht. Das Problem ist jedoch zunehmend, an dieses Land überhaupt heranzukommen.