Am Samstag nimmt die Super League ihren Spielbetrieb wieder auf, und wir haben uns ein paar Fragen angenommen. Die drängendste lautet: Kann dem Serienmeister FC Basel jemand das Wasser reichen?
Darf man sich auf die neue Saison freuen?
Unbedingt.
Es hat sich ja auch einiges getan bei den zehn Clubs. Die Transferliste der Zu- und Abgänge ist so umfangreich wie gefühlt schon lange nicht. Da wurde ausgemistet und frischer Sauerstoff zugeführt, wobei sich die Grasshoppers besonders hervortaten, aber bei denen ist der ständige Wechsel ja offenbar zum Daseinszweck geworden: vierzehn raus, elf rein.
Spieler mit klingenden Namen bereichern den Schweizer Fussball, wie Kim Kallström, «der hungrige Schwede» («Tagesanzeiger»). Ein 33-jähriges Schlachtross mit 120 Länderspielen, das, von Spartak Moskau (Ex-Club von Murat Yakin) kommend, nun das GC-Trikot trägt.
Oder Miralem Sulejmani, einst als grösstes Versprechen des serbischen Fussballs gefeiert. Bei Benfica Lissabon konnte er sich nicht durchsetzen, jetzt befeuert er bei Young Boys die Titelhoffnungen. Und die Berner arbeiten dem «Blick» zufolge an einem weiteren Coup und wollen Blerim Dzemaili in die Schweiz zurückholen. Am Nationalspieler war auch der FC Sion dran.
24 von vielen neuen Gesichtern in der Super League.
Gleich drei Spieler aus Deutschland hat der FC Luzern geholt, was bei einem deutschen Trainer naheliegt. Allerdings müssen sich Nico Brandenburger (2. Mannschaft von Borussia Mönchengladbach), Clemens Fandrich (Erzgebirge Aue, Absteiger 2. Bundesliga) und Sebastian Schachten (St. Pauli, Fast-Absteiger 2. Bundesliga) hierzulande erst einmal einen Namen machen.
Neben Zdravko Kuzmanovic ist Adilson Tavares Varela, kurz Cabral ein weiterer Rückkehrer in die Super League. Er hat es nicht zu den grossen Adressen geschafft wie Kuzmanovic, hat mit fünf Meistertiteln und drei Cupsiegen in Basel aber einen Rucksack mit zum FC Zürich gebracht, aus dem er jetzt beim FCZ schöpfen und dabei vom Wasserträger zum Chef werden soll.
Schliesslich baggert auch der FC St. Gallen an einem Ehemaligen und versucht Tranquillo Barnetta nach elf Jahren zurück in die Ostschweiz zu lotsen.
Wie auch immer: Die Kollegen vom «Tagesanzeiger» haben die Bewegungen auf dem Spielermarkt ausgewertet und in einem interessanten Daten-Blog verarbeitet. Zum Beispiel, wie auf der Grafik unten dargestellt, was die Clubs an Skorerpunkten verloren und dazugewonnen haben. Mit einem Klick auf das Bild unten gehts zum kompletten Stück.
Abgesehen vom Spielerkarussell darf sich die Liga auch wieder über einen Tessiner Verein freuen. Nach einem halben Jahrzehnt und dem Abstieg der AC Bellinzona wird südlich der Alpen wieder Super-League-Fussball gespielt: Der FC Lugano ist nach 13 Jahren wieder erstklassig, der Fussballtross darf sich auf zwei tendenziell sonnige Ausflüge in den Süden freuen.
Fazit: Allein an den personellen Veränderungen erkennt man, dass einiges los ist bei den Vereinen der Super League und die Ambitionen hoch gesteckt sind.
Wer könnte denn neben dem FC Basel oben mitspielen?
Natürlich die üblichen Verdächtigen, also die Young Boys und der FC Zürich. Wobei man den Bernern mehr zutraut als den Zürchern, die eine lausige Rückrunde gespielt haben und eine noch unterirdischere Heimbilanz zustande brachten: Vom 5. Oktober an warteten sie bis zum letzten Spieltag der vergangenen Saison (4:3 im Derby gegen GC) im Letzigrund auf einen Heimsieg.
Interessant wird sein, ob der FC Luzern mal mehr als eine Halbserie konstant gut hinbekommt. Die Fieberkurve der letzten Jahre verheisst nichts Gutes, nachdem die Zentralschweizer die zweitbeste Rückrundenmannschaft waren – mit nur drei Punkten weniger als der FCB.
Und dann sollte man den FC Sion auf der Rechnung haben – und zwar nicht nur im Schweizer Cup. Christian Constantin und Didier Tholot haben etwas hinbekommen, was es schon ewig nicht mehr gab: Die Sittener sehen aus wie eine Mannschaft. Wenn sie jetzt auch noch Perlen wie Moussa Konaté halten können, dann werden Reisen ins Tourbillon vielleicht wieder das, was sie früher einmal waren: der Besuch einer Festung, und zwar nicht nur der auf dem Berg droben.
Fazit: Die Meisterschaft könnte so spannend werden wie lange nicht mehr.
Will denn jetzt wirklich jemand am Thron des FC Basel rütteln und mal ein anderer Meister werden?
Tja, das ist so ein Sache. Wollen tun die Berner schon. Denen wird es auch am ehesten zugetraut. Aber trauen die Young Boys sich selbst über den Weg? Ihr Geldgeber, Andy Rihs, hat ja eigentlich verbal einen vertikalen Pass auf seinen Trainer gespielt, als er in der «Sonntagszeitung» sagte: «Es geht einfach nicht, dass wir Basel so allein lassen. Das gibt Einsamkeit, und Einsamkeit macht am Schluss tiefenpsychologisch depressiv. Ich will mit YB um die Meisterschaft kämpfen.»
Und was macht Uli Forte ein paar Ausgaben später in derselben Zeitung? Erzählt was von «Wir sollten nicht vollmundig Erfolge ankündigen». Er zitiert italienische Lebensweisheiten («Tra il dire e il fare c’è di mezzo il mare – zwischen Reden und Tun liegt das halbe Meer.»), spricht von arbeiten und überlässt das Träumen den Fans, die sich seit 1986 (Meisterschaft) respektive 1987 (Cup) nach einem Titel sehnen.
Das mag alles recht und massvoll sein. Bloss: Wenn nicht ab 18. Juli, 20.00 Uhr, und dem Anpfiff des ersten Spiels im Letzigrund gegen den FCZ (Achtung: siehe Zürcher Heimbilanz) der Geist in seiner Mannschaft geweckt ist, Meister werden zu wollen, dann wird es wieder nix. Diesen Geist kann man nicht erst drei Runden vor Saisonschluss herbeizaubern. In Bern muss man sich also mal trauen, diesen Satz auszusprechen: «WIR WOLLEN MEISTER WERDEN.» Ansonsten macht’s halt der FCB noch mal.
Scharf ist der übrigens sowieso darauf: Es winkt mal wieder ein direkter Startplatz in der Champions League. Haben sich die Basler bisher nicht entgehen lassen. Und ihre Abgänge so kompensiert, dass die Konkurrenz schon wieder das Fracksausen bekommt.
Fazit: Fussball in der Schweiz ist, wenn zehn Mannschaften zum Titelrennen antreten und der Pokal am Ende nach Basel geht.
Wie sieht es denn auf den Schleudersitzen der Liga aus?
Ein bisserl fad geht es auf den Trainerbänken zu. Wirklich neu ist lediglich Zdenek Zeman beim Aufsteiger FC Lugano. Dafür ist der 68-jährige Tscheche, gestählt in der italienischen Serie A und B, eine echte Marke, oder, wie ihn die «NZZ» nennt: ein «Wanderprediger und Drachentöter». Man darf auf diesen Mann gespannt sein, der, nachzulesen beim «Tagesanzeiger», so schöne Sachen sagt wie: «Für mich ist der Applaus so viel wert wie ein Titel.»
Dass ein Aufsteiger seinen Trainer wechselt, ist aussergewöhnlich genug, dass es ein Meister tut, daran haben wir uns in Basel fast schon gewöhnt. Diesmal führte es zu einer ligainternen Rochade. Weil nämlich Paulo Sousa neu in Florenz die Prozesssteuerung überwacht, musste der eine Verein (FC Basel) einen neuen Trainer haben. Weshalb dann ein zweiter (FC Thun) auch den Trainer wechseln musste, weil der eine Verein (FC Basel) Urs Fischer vom anderen Verein (FC Thun) wegholte. So wurde wenigstens wieder ein Plätzchen frei für Ciriaco Sforza (Thun).
Bei den sieben anderen bisherigen Super-Ligisten bleibt alles beim Alten, weshalb Jeff Saibene (Amtsantritt am 8. März 2011, sprich seit – Stand 16.7. – 1591 Tagen beim FC St. Gallen) der mit Abstand dienstälteste Cheftrainer ist. Geschlagene 211 Tage ist nun aber auch schon Didier Tholot ununterbrochen beim FC Sion Trainer – Weltrekord für das Wallis!
Fazit: Vier Trainer wurden während der vergangenen Saison gewechselt (in Luzern, Sion, bei GC und in Aarau) – viel weniger werden es schätzungsweise auch im Verlauf der neuen Saison nicht werden.
Taugen die Neuen beim FC Basel etwas?
Der erste Transfer, den der FCB nach Ende der jüngsten Saison bekanntgegeben hat, und da legen wir uns mal fest, wird ein sehr solider Wert werden: Michael Lang. Der bringt als Rechtsverteidiger alles mit und ist obendrein ein guter Typ. Dazu unser Interview.
Nachdem der Winterthurer Manuel Akanji schon länger feststand und die Wettkampfstandfestigkeit von Ivan Ivanov in weit entfernten Sternen steht, ist ein weiterer Innenverteidiger dazugestossen: Daniel Høegh aus Dänemark. Mal sehen, wie der Schlaks sich schlägt und hören, wie sich die Aussprache seines Nachnamens einbürgert: Einfach «Hög», wie man das als deutschsprachiger Banause halt so tut, oder doch eher «Höji».
Als die Young Boys ihren Drei-Millionen-Franken-Ablöse-Mann Miralem Sulejmani präsentiert hatten, konterte der FCB mit dem ablösefreien Österreicher Marc Janko. Typ Marco Streller nur ohne «o». Ein geschätzter Kollege aus Tirol hat ihn so beschrieben: Ein Roy Makaay der Alpen. Viele Ballkontakte braucht er nicht, um zu topfen. Die TagesWoche-Prognose: Janko macht zehn Tore, den Rest besorgt Breel Embolo.
Und dann hat der FCB noch mal richtig Geld in die Hand genommen, genügend davon ist ja vorhanden, und hat dem bald 28-jährigen Zdravko Kuzmanovic ein Fünfjahrespaket geschnürt. Der Rückkehrer ist zweifellos der Königstransfer, aber es würde nicht verwundern, wenn auch Birkir Bjarnason, der vorerst letzte Neue, eine gute Rolle würde spielen können: Der Isländer nennt sich selbst einen Arbeiter und hat eine Saison in der Serie B hinter sich, in der er zeigte, dass er als Mittelfeldspieler weiss, wo das Tor steht. Dieses Element war bei den Zentrumsspielern vergangene Saison zum Teil unterentwickelt.
» Alle Transfer des FCB in einem animierten Überblick
Fazit: Das ist erneut ein schlagkräftiges Kader, das der FC Basel trotz aller Abgänge (Streller, Schär, Frei) ins Rennen schicken kann. Und dann kommt ja auch noch Yoichiro Kakitani dazu. Nach einem annus horribilis unter Paulo Sousa ist der Japaner quasi noch mal wie ein neuer Spieler, aus dem Urs Fischer vielleicht mehr herauszukitzeln versteht.
Wen werden wir vermissen?
Den Trainingsauftakt, bei dem er nach seinem Rücktritt einfach nicht mehr dabei war, die Momente in der Kabine, die das Leben von Fussballprofessionals prägen, der Auftritt vor den Massen, deren Liebling Marco Streller in den letzten Jahren war. Gut möglich, dass der einstige Captain des FCB jetzt, da er mit der Familie einen ausgedehnten Urlaub in Übersee geniesst, den Fussball bereits vermisst. Ganz sicher aber wird ihn der Anhang vermissen.
Kaum fehlen wird Marco Streller Stéphane Besle. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden das Heu nie auf der gleichen Bühne hatten, für die Zuschauer boten die Duelle zwischen den beiden aber immer wieder prickelnde Momente. Unvergessen bleibt ein Bild, aufgenommen beim letzten Aufeinandertreffen der beiden, auf dem sich Marco Streller nicht eben zuneigend über Stéphane Besle beugt. Der Franzose spielt künftig nicht mehr für den FC St. Gallen, die Liga verliert eine ihrer Reizfiguren.
Die Körperhaltung Marco Strellers, bis in die letzte Faser gespannt und über Stéphane Besle gebeugt, spricht Bände. (Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER)
Mit dem Rücktritt des ehemaligen Schweizer Nationalspielers Stéphane Grichting fällt ein Spieler der Marke Rustikal weg. Ein verdientes Raubein, ein Innenverteidiger der alten Schule, der nie zu den Schnellsten gehörte und am Ball selten die feine Klinge führte.
Fazit: So richtig vermisst werden wird Marco Streller. Zumindest in Basel. Die anderen, nun, deren Rolle werden ganz einfach neue Figuren einnehmen.
Wer macht die beste Figur in der Super League?
Sieben Vereine spielen in einem neuen Heimspiel-Outfit, wobei sich die sponsorenlosen Grasshoppers den Gag erlauben, die Namen von Gönnern respektive deren Firmennamen auf der Brust spazieren zu tragen: den einen in der ersten Halbzeit, den anderen in der zweiten.
Wer das schönste Trikot hat? Entscheiden Sie am besten selbst:
Die zehn Heim-Trikots der Super Ligisten in der Saison 2015/2016. (Bild: Anthony Bertschi)
Der «Blick» hat online abstimmen lassen, worauf 21,2 Prozent von 64’580 Lesern sich für das Trikot des FC Basel entschieden. Auf Platz 2 mit 17,9 Prozent: die Young Boys. Eine präzise Auswertung einer Umfrage auf Newsnetz finden sie hier, und unser Lieblingsblog «Zum runden Leder» lässt einen Prêt-à-porter-Experten zu Wort kommen.
Fazit: Die Trikots sind am Ende des Tages einerlei. Wir stellen lediglich fest, dass sowohl der FCB als auch YB schon so eine Art Trauerrand im Gewand haben. Und der FC Lugano geht ganz in Schwarz. Wenn das mal nicht ein Omen ist.