Jugendstil und ein an Guardiolas Barça angelehnter Fussball prägen den FC Porto. Im letzten Teil unserer Serie werfen wir einen Blick auf die spielerischen Qualitäten und Talente des Gegners des FC Basel am Mittwoch in der Champions League.
16 Spieler und einen neuen Trainer verpflichtete der FC Porto im Frühsommer 2014, die Abrechnung mit der jüngsten Vergangenheit fiel radikal aus. Verkorkst war die vorhergegangene Saison, um nicht zu sagen fürchterlich. Dass Benfica oder Sporting einmal vorn sind, kann vorkommen, auch wenn es seit 2002 selten – genau vier Mal – der Fall war. Doch ein dritter Schlussrang gilt als blamabel.
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Zuvor war Porto mit jungen, kaum bekannten Trainern wie José Mourinho und André Villas Boas exzellent gefahren. In ihre Fussstapfen treten sollte Paulo Fonseca, der Pacos de Ferreira, einen kleinen Verein aus der Region Porto, sensationell in die Qualifikation zur Champions League geführt hatte. Doch sein sonst untrügliches Bauchgefühl liess den Präsidenten Pinto da Costa diesmal im Stich.
Nach ansprechendem Beginn geriet die Mannschaft ins Schlingern und brachte den Anhang zur Verzweiflung. Eine Zäsur war unvermeidbar: personell, strukturell, mental. Man schaute über die Grenze und ignorierte ein altportugiesisches Sprichwort, wonach aus Spanien weder gute Winde noch gute Ehepartner kommen.
Ein Baske soll die hohen Ansprüche erfüllen
Dem Anforderungsprofil entsprach Julen Lopetegui. Der ehemalige Torhüter aus dem Baskenland konnte keine Meriten als Vereinstrainer, aber zwei Titel mit spanischen Juniorenauswahlen vorweisen. Er musste also ein Feeling für den Nachwuchs haben, dem man in Porto zu wenig Beachtung geschenkt hatte. Und er orientierte sich an Barcelona, am System von Josep Guardiola. Das Tiki-Taka leuchtete über dem spanischen Fussball und legte, interpretiert von den Ausnahmekönnern Messi, Iniesta und Xavi, Nachahmern die Messlatte hoch, zu hoch.
Die Meisterschaftsentscheidungen in Portugal seit 2005 | |||||
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Saison | Meister | Punkte | Zweiter | Punkte | Torschützenkönig – Tore/Spiele |
2013/14 | Benfica | 74 | Sporting | 67 | Jackson Martinez (Porto) – 20/30 |
2012/13 | FC Porto | 78 | Benfica | 77 | Jackson Martinez (Porto) – 30/26 |
2011/12 | FC Porto | 75 | Benfica | 69 | Oscar Cardoso (Benfica) – 20/29 |
2010/11 | FC Porto | 84 | Benfica | 63 | Hulk (FC Porto) – 23/26 |
2009/10 | Benfica | 76 | SC Braga | 71 | Oscar Cardoso (Benfica) – 26/29 |
2008/09 | FC Porto | 70 | Sporting | 66 | Nene (Nacional Funchal) – 20/28 |
2007/08 | FC Porto | 69 | Sporting | 55 | Lisandro Lopez (Porto) – 24/27 |
2006/07 | FC Porto | 69 | Sporting | 68 | Liedson (Sporting) – 15/29 |
2005/06 | FC Porto | 79* | Sporting | 72* | Meyong Ze (Belenenses) – 17/25 |
2004/05 | Benfica | 65* | FC Porto | 62* | Liedson (Sporting) – 25/34 |
* Liga mit 18 Teams; seit 2006 16 Teams | Übersicht zu allen Saisons in Portugal |
Während anderswo Real oder Atlético Madrid zu Vorbildern wurden, pflegt Porto noch eine Art des Tiki-Taka. Langsam wird das Spiel von hinten aufgebaut, Ballbesitz ist die Grundlage, oft zirkuliert der Ball ohne Raumgewinn über mehrere Stationen. Geht er verloren, fehlt allerdings die Aggressivität, mit der Barça den Ball in den besseren Phasen zurückerobert.
Selten sind auch Überraschungsmomente, um dicht gestaffelte Abwehrreihen zu öffnen. Das importierte Modell taugt nur bedingt. Der von Atlético Madrid ausgeliehene Spielgestalter Oliver ist zwar ein blendender Techniker, hat aber nicht den Drive und auch nicht die Schlitzohrigkeit eines Iniesta.
Dessen ehemaliger Kollege Tello reisst an guten Tagen die Fans in Porto von den Sitzen. Schnell und technisch gut, arbeitet er wie der Algerier Brahimi vom Flügel her Chancen heraus und geht selber in den Abschluss. Mit der Beständigkeit hapert es indes, Inspirationen lassen sich nicht auf Bestellung abrufen.
Das Missverhältnis von Aufwand und Ertrag
Ein anderes Problem ist die Effizienz. Porto beherrschte in der Liga bisher alle Gegner, gab aber schon 14 Punkte ab. Besonders krass war das Missverhältnis von Aufwand und Ertrag im malerisch über dem Meer gelegenen Barreiros-Stadion der Insel Madeira. Maritimo Funchal verzichtete freiwillig auf den Ball, zog sich in die eigene Hälfte zurück und entschied die Partie nach einem Konter.
Grottenschlecht spielte Porto nur im letzten Gruppenmatch der Champions League gegen Donezk. Doch der letzte Eindruck versöhnte die Anhänger. Mit seinem Scharfschuss aus grosser Distanz in den Torwinkel wendete der Kongolese Aboubakar eine Niederlage ab und löste Diskussionen aus, ob er die Nachfolge von Jackson Martinez antreten könnte. Nach drei Jahren in Porto wird der kolumbianische Goalgetter im Juni wohl nach Spanien oder England wechseln.
Paciencia, Neves und der Trainersohn
Für seine Position kommt auch ein Talent aus den eigenen Reihen in Frage: Goncalo Paciencia, der Sohn des früheren Topscorers Domingos Paciencia, der kürzlich als Trainer von Vitoria de Setubal entlassen wurde. Paciencia junior ist Stammspieler von Portugals U-21-Auswahl, beim FCP oszilliert er zwischen A- und B-Team, und bei Kurzeinsätzen bestätigt er seine Qualität.
Schon fortgeschrittener ist der 17-jährige Ruben Neves, den Lopetegui aus dem Ärmel zauberte. Athletisch frühreif und taktisch intelligent, gehört der Aufbauer nach einer Verletzung wieder zum engeren Kreis. Lopeteguis gleichaltriger Sohn spielt in der Jugend von Padroense, einem Amateurklub von Porto. So weit wie sieben Landsleute und neun Brasilianer im A-Kader des FC Porto wird er wohl nicht mehr kommen.
Publikumsliebling ist ein Spektakelspieler
Ungeachtet der überwältigenden ausländischen Konkurrenz sticht neben Jackson ein Portugiese hervor. Der 31-jährige Publikumsliebling Ricardo Quaresma, Sprössling einer Lissabonner Zigeunerfamilie, scheint den Fussball als Zirkusspektakel im Blut zu haben. Kürzlich zeigte er im Spiel gegen Pacos de Ferreira (5:0) wieder seine Spezialität, die «Trivela», einen rasanten Bogenball, der per Aussenrist ins Tordreieck lanciert wird.
Harry Potter oder Mustang wird Quaresma von seinen Fans genannt. Als Youngster hatte er Sporting in Richtung Barcelona verlassen und die Katalanen mit seiner stupenden Technik begeistert. Weniger kam die Egozentrik an. Porto arrangierte sich damit und vermittelte dem Individualisten allmählich ein Mannschaftsgefühl. Von Quaresmas Wandel profitiert nun auch die Nationalmannschaft.
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Buchers Porto – bisher erschienen:
- Von akademischen Höhen ins pralle Leben – eine Geschichte über Fernweh, Fussball und Porto
- Porto – eine Synthese zwischen Stadt und Club
- José Maria Pedroto – der Revolutionär des portugiesischen Fussballs
- Der FC Porto – die Veredelungsmaschine
- Flugkünstler und Fliegenfänger – die Torhüter des FC Porto
- Das Kreuz des Südens und ein schillernder Präsident
- Der Tiger, James und Cha-Cha-Cha – die Kolumbien-Connection des FC Porto
- Wie es zur Serie kam: Ein Beitrag im Mittendrin-Blog