Wohnungsnot. Ein Zustand, der in Basel-Stadt mittlerweile nicht mehr für Hysterie oder Angst sorgt. Höchstens für ein Schulterzucken. Wenn weniger als ein Prozent der Wohnungen leer steht, gilt der Begriff der Wohnungsnot offiziell als angebracht. In Basel herrscht diese Not seit zehn Jahren.
In dieser Zeit gelang es Basel, 20’000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und in den zehn Jahren davor schuf der Kanton ein Projekt namens «Logis Bâle», um 1180 neue Wohnungen zu verwirklichen. 118 Wohnungen im Jahr, das reicht bei Weitem nicht.
Dieses Projekt, angerissen von der damaligen SP-Baudirektorin Barbara Schneider und zwischenzeitlich von Guy Morin ins Präsidialdepartement gezügelt, wollte zwischen 2001 und 2011 den Wohnungsbau fördern.
Einige der zustande gekommenen Projekte von «Logis Bâle» heissen «Zum Goldenen Löwen», Volta Zentrum oder St. Jakobsturm. Keine Liegenschaften für Mieter mit kleinem Budget, im Gegenteil. Und auch das ehemalige Kinderspital am Schaffhauserrheinweg ist ein Kind von «Logis Bâle». Bezahlbarer Wohnraum entstand an diesen Orten nicht.
83 Prozent der Basler Bevölkerung bekommen mehr Rechte. Endlich.
Als «Logis Bâle» seinem Ende entgegenging, entstand die TagesWoche. Und mit den ersten Schritten der Zeitung begann auch die Basler Wohnpolitik einen neuen Weg einzuschlagen.
Im Jahr, in dem die TagesWoche ihren Betrieb einstellt, beginnt ein gewaltiger Umbruch in der Basler Wohnpolitik. Die vier Wohninitiativen, bekämpft von Wirtschaft, Hauseigentümern und einem Grossteil der Politiker, werden angenommen. Die 83 Prozent der Basler Bevölkerung, die zur Miete leben, bekommen mehr Rechte. Endlich.
Die TagesWoche erscheint zum letzten Mal am 16. November, die Mieter müssen sich noch länger gedulden, bis die Regierung ihre Umsetzungsvorschläge präsentiert. Bis es tatsächlich zum Umbruch kommt.
Voraussichtlich im Dezember will die Regierung informieren, wie sie nach der Formularpflicht auch die Initiativen «Recht auf Wohnen», «Wohnschutzinitiative» und «Bezahlbare Mietgerichtsverfahren» umsetzen möchte. Es wird kein einfaches Unterfangen, mit dem vierfachen Ja vom Juni wird Basel in der Wohnpolitik schweizweit eine Vorreiterrolle einnehmen – oder besser: einnehmen müssen.
Eine der Initiativen wurde bereits umgesetzt: Seit dem 1. November ist die Formularpflicht in Kraft. Sie erfüllt die Forderungen der Initiative «Ja zu bezahlbaren Neumieten».
Der Vermieter muss nun offenlegen, wie viel die Vormieter für eine Wohnung bezahlt haben. Und er muss darüber hinaus begründen, weshalb der Preis gestiegen ist. Wenn er kein solches Formular ausstellt, kann er noch Jahre später eingeklagt werden.
Zahllose Mieter mussten ihre Wohnungen verlassen. Wegen privaten Besitzern, Pensionskassen, Immobilien Basel-Stadt.
Die Formularpflicht ist nicht die Lösung aller Probleme, sie kann mit Tricksereien umgangen werden und im Ernstfall landet der Streit noch immer vor Gericht. Aber es ist für einmal ein Instrument, das den Mietern zugute kommt. Nur: Reicht das?
Burgweg, Steinengraben, Mülhauserstrasse, Mattenstrasse, Giessliweg, Wilhelm His-Strasse: Das sind nur einige Beispiele für Massenkündigungen, die in den vergangenen sieben Jahren ausgesprochen wurden. Sie alle stehen für zahllose Mieterinnen und Mieter, die ihre Wohnungen unfreiwillig verlassen mussten. Wegen Luxussanierungen oder Neubauten. Wegen privaten Besitzern, Pensionskassen, Immobilien Basel-Stadt.
Der Kanton ist seit einigen Jahren bemüht, den genossenschaftlichen Wohnungsbau zu fördern. Dieses Konstrukt, das vor 60 Jahren einen Boom erlebte und danach lange in der Versenkung verschwand, soll nun wieder für günstigen Wohnraum sorgen. Nur: Ist das die richtige Strategie?
Zehn Prozent aller Wohnungen sind im Besitz von Genossenschaften. Von privaten Playern mit ihren eigenen Statuten und Regeln, die selbst aussuchen können, wer zu ihrem erlauchten Kreis gehören darf und wer nicht.
Seit dem Wohnraumfördergesetz, das 2013 ausgearbeitet wurde, werden die Genossenschaften in Bauvorhaben unterstützt. Sie erhalten zinsvergünstigte Darlehen, kantonale Bürgschaften und Steuererleichterungen. Aber wäre es nicht die konsequentere Lösung, wenn der Kanton in die Bresche springen würde?
Bis heute hat es der Kanton nicht hinbekommen, auch nur annähernd genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Es geht dabei nicht um Projekte wie jenes staatlich subventionierte in der Maiengasse, wo 50 Familien ein neues Zuhause bekommen. Es geht um mehr, um grössere Projekte auf Basler Boden, diesem Boden, der so rar ist und der, wenn die grossen Projekte der SBB verwirklicht sind, wohl komplett verbaut sein wird.
Bis heute hat es der Kanton nicht geschafft, auch nur annähernd genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und auch wenn heute propagiert wird, dass es vorwärts geht, dass jedes Jahr 1000 neue Genossenschaftswohnungen entstehen: Der Anteil an Genossenschaftswohnungen ist immer noch deutlich tiefer als beispielsweise in Zürich. Schlicht und einfach, weil der Markt boomt, weil viele private Investoren bauen – und das nicht für die kleinen Portemonnaies.
Obwohl die Wohninitiativen so klar angenommen wurden, war es längst nicht für jeden selbstverständlich, dass in Basels Wohnpolitik ein Umdenken stattfinden muss. Einige Medien in der Nordwestschweiz setzten ein Fragezeichen hinter die Leerstandsquote, von einem Mangel an Wohnraum wollten manche nicht sprechen. Die TagesWoche wird jetzt schweigen müssen. Die Stimmen der Mieter werden auch nach dem 16. November 2018 laut und für alle hörbar bleiben.