Man stelle sich vor, in irgend einem europäischen Staat finden demokratisch organisierte Präsidenten- und Parlamentswahlen statt. Das Ergebnis ist klar, es gibt einen Präsidenten, der mit 51 % der Wählerstimmen im zweiten Wahlgang (nach einer Ballotage) gewählt ist. (Beispielsweise vor einem Jahr Präsident Hollande in Frankreich). Gleichzeitig erhält die Parteigruppierung, die den neuen Präsidenten stützt, in den Parlamentswahlen eine klare Mehrheit an Abgeordnetensitzen (beispielsweise der parti socialiste in Frankreich, ebenfalls vor einem Jahr).
Die Vorgängerregierung hätte die Wirtschaft des Landes ruiniert, deren Machtgefüge hätte vornehmlich aus Korruption bestanden. Die neue Mehrheit müsste quasi bei Null anfangen.
Fiktion.
Nicht so in Ägypten:
Nach knapp einem Jahr nach den freien Wahlen beschliesst die Armeeführung dieses Landes - während Jahrzehnten Dienerin einer sehr korrupten Diktatur -, den gewählten Präsidenten zu stürzen und die führenden Mitglieder der Parteien, die ihn unterstützen, zu verhaften. Sie schliesst alle Radio-, TV-und sonstigen Informationseinrichtungen, die ihr nicht passen. Von einer unabhängigen Berichterstattung kann keine Rede mehr sein.
Usw.
Würde ein solches Vorgehen in Europa von irgend einem Journalisten als "liberal" bezeichnet werden ?
In Ergänzung zu Frau Frefels Artikel setze ich hier einen Link zu einem Artikel, der heute im "Tagesspiegel" in Berlin erschienen ist:
http://www.tagesspiegel.de/politik/medien-in-aegypten-nach-dem-putsch-wie-aus-den-muslimbruedern-terroristen-gemacht-wurden/8476654.html
Kurz:
Wer da zur Zeit in Ägypten den Rechtsstaat, wer die Demokratie zerstört, ist eigentlich ziemlich klar. Es sind weder die Muslimbrüder noch der von den Militärs verhaftete gewählte Präsident Mursi. Dass sich Leute, welche erklären, sie seien "liberal", der Armee, welche 30 Jahre lang alles mit Gewalt und Einschüchterung vollzogen hat, was der Diktator Mubarak befohlen hatte, unterwerfen, lässt die Frage zu: Wer sind sie - eigentlich ? Welche Interessen vertreten sie - eigentlich ?
Der Militärputsch in Ägypten -von jubelnden Gegnern des vor einem Jahr demokratisch in sein Amt gewählten Präsidenten Mursi begrüsst, von der westlichen Politik mindestens herbeigeredet und nun hilflos „beobachtet – ist eben ein Staatsstreich. In wessen Namen als in jenem der Machterhaltung des Militärs innerhalb der ägyptischen Gesellschaft dieser Staatsstreich vorgenommen worden ist ?
Interessant zu beobachten: Schwupsdiwups werden in der verbreiteten westlichen Nachrichtensprache die Muslimbruderschaft, die Befürworter der Präsidentschaft von Mursi, jene, welche gegen den bestimmenden Einfluss der USA oder des Westens auf die unmittelbare Politik Ägyptens antreten, als „Islamisten“ bezeichnet. Dabei wird so getan, als ob diese „Islamisten“ allesamt über den Kamm von Al Kaida gezogen werden könnten oder müssten. Übersehen wird – typisch für die Oberflächlichkeit, mit der Nachrichten hergestellt und sprachlich verbreitet werden – die über 80jährige Geschichte der ägyptischen Muslimbruderschaften. Übersehen wird sowohl ihre Geschichte als auch ihr sehr wohl heterogen, oftmals diskursorientiert auftretender intellektueller und politische Prozess.
Dass die innenpolitische Gegnerschaft zu Mursi weitherum wirtschaftliche Gründe hat, wird zwar manchmal in dieser Nachrichtengemengenlage am Rande erwähnt, aber ständig mit dem Begriff „Islamisten“ zugedeckt. Dass die wirtschaftliche Lage Ägyptens wenig mit der knapp einjährigen Amtszeit von Mursi zu tun haben kann, wird nicht erwähnt. Als ob solche krisenhaften wirtschaftlichen Zustände in einem Jahr „erreicht“ werden könnten!
Zur Erinnerung:
Vor anderthalb Jahren wurde in den gleichen westlichen Medien erklärt, dass die Aufstände gegen das Mubarakregime – einer ausgeklügelt operierenden Diktatur – in den städtischen Milieus von Kairo, Alexandria, Port Said usw. vorrangig „wirtschaftliche Gründe“ habe.
Nach nur einem Jahr Mursi wird nun so getan, als ob diese Präsidentschaft die Schuld an der wirtschaftlichen Misere Ägyptens trage. Was meiner Ansicht nach, ohne grosse Denkanstrengung bemühen zu müssen, als unsinnige, als falsche „Erklärung“ eines machtpolitischen Phänomens erkannt werden kann.
Was die „Gewalt“ bei Demonstrationen usw. betrifft:
Da gibt es selbstredend nicht bloss „eine Quelle“, nämlich so quasi “wie immer“ die sogenannten „Islamisten“. Natürlich nicht. Es sind beispielsweise auch nicht einfach alle koptischen Christen „gewaltfrei“. Und das Militär ist auch in Ägypten in Sachen Gewaltanwendung alles andere als ein Garant für Gewaltverhinderung. Im Gegenteil: Die Agonie des Mubarakregimes wurde begleitet von militärischer Aggression gegen Demonstranten. Das Militär diente im „arabischen Frühling“lange Monate dem Diktator und seinen Machterhaltungsgewalt und wirkte an der Gewaltspirale aktiv mit.
So zu tun, als vertrete dieses Militär jetzt „die“ Opposition, ist einfach nur eines: Naiv.
So zu tun, als ob “die“ Opposition eine Art geschlossene Bewegung sei, welche sich eines Diktators ( Mursi nämlich) entledigen wolle, ist ebenso naiv. Innerhalb eines Jahres löst sich die alltägliche Realität einer 30 Jahre lang andauernden Diktatur nicht in Nichts auf. Die Profiteure der Mubarak-Diktatur sitzen weiterhin an manchen Hebeln von Machtstrukturen, gerade auch im Bereich der Wirtschaft, in der bestimmte Seilschaften schliesslich nicht nur von Mubaraks Regime profitiert haben, sondern diese Diktatur unterstützt, getragen, teilweise auch gebildet haben.
Natürlich bin ich nicht in der Lage, die Vorgänge in Ägypten auch nur ansatzweise zu analysieren.
Nur:
Die Art, wie wieder einmal ein einseitiges Feindbild – eben „Islamisten“ - in westlicher Mediensprache vorexerziert wird, diese Art kann ich inzwischen ziemlich exakt erkennen. Dass sie nicht Realitäten darstellt, sondern Ideologie verbreitet, erkenne ich gerade daran, wie geschichtslos sie Begriffe, etwa jenen namens „Islamisten“, einsetzt.
"Zwischen den USA und Russland habe es in jüngster Zeit eine «intensivierte Zusammenarbeit» in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gegeben, die fortgesetzt werden müsse, appellierte die US-Regierung. Snowden müsse sich «wegen der Verbrechen, derer er beschuldigt wird», der US-Justiz stellen."
"Rechtsstaatlichkeit". Da darf man denn doch ein wenig heftiger als üblich seinem Ärger über solcherlei Begriffsumdeutung Luft verschaffen:
Massiv jegliche "Rechtsstaatlichkeit" verletzt hat niemand anderer als der NSA-Geheimdienst der USA (abgesehen davon, dass solcherlei durch den CIA, ebenfalls einem US-Geheimdienst, seit Jahrzehnten systematisch und weltweit betrieben wird, Mord und Angriffskriegsvorbereitung mit Hilfe von dreister Lüge inklusive), beauftragt durch US-Regierungen.
Die NSA- Spionage, weltweit gegen alle und alles gerichtet, was den Geheimdienstlern verdächtig erscheint, was dann auch alles ist, jede Bewegung im Netzschwarm, begnügt sich selbstredend nicht mit „Personalien“ von Abermillionen Netzbenutzern weltweit. Werkspionage dürfte weitaus intensivere Beachtung erfahren haben als jenes Muster, nach welchem „Terroristen“ aus dem Schwarm ausgesiebt werden sollen.
Und so stehen nun diese angeblichen „Sicherheits“-Maßnahmen als das in der Gegend herum, als das sie benannt werden müssen:
1. Entpersönlichung des „Privaten“ weltweit von US-Staates wegen.
2. Unverschämter Diebstahl von geistigem Eigentum, von Forschungsergebnissen, von Lehre, von Wissen ganz allgemein, begangen durch staatliche Geheimdienste der USA zu Gunsten von USA-Einrichtungen staatlicher und – darauf kann man ruhig wetten – privater Observanz (namentlich, was den Rüstungsindustriekomplex, aber auch was die so genannte Finanzindustrie betrifft).
3. Die so genannten „Guten“ (laut Bush) sind als die wahren bad boys entlarvt – nicht zum ersten Mal, nicht überraschend.
Es wäre schon an der Zeit, dass die Politik etwa der EU, etwa Deutschlands, sich endlich deutlich von diesen US-Machenschaften distanziert und die Frage der Menschenrechte und von (Völker)-Rechtsstaatlicheit von nun an energisch dort anbringt, wo sie besonders nachhaltig und vor allem besonders perfide ausgehebelt werden: Bei der USA.
Aber dazu sind weder Frau Merkel noch die EU-Aussenministerin Ashton, weder der EU-Kommissionspräsident noch der EU-Ratsvorsitzende bereit. Viel lieber tun diese so, als „dürfe“ die USA sämtliche Menschenrechtsartikel der UN-Menschenrechtskonvention am laufenden Band verletzen, weil sie doch der „mächtigste Staat“ der Welt sei. Peinlich. Äusserst peinlich!
Es ist keineswegs so, dass Nachricht und Kommentar zur Nachricht quasi natürlicherweise voneinander getrennt darstellbar sind. Die Realität des heutigen multimedial gebundenen - und auch des früher, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rein printgebundenen - Journalismus insgesamt beruht zu einem sehr grossen Teil auf Agenturnachrichten, deren "Objektivität" kein Mensch vor Ort des Geschehens einer "Nachricht", innert nützlicher Frist verifizieren kann.
Wann schafft es eine Nachricht über irgend ein Geschehnis in den Stand einer Agenturnachricht ? Wann muss eine Redaktion sich auf Agenturmaterial verlassen ? Wann lohnt es sich, eigene Recherchen zu tätigen?
Alles Fragen, die weit vor der Frage nach der Trennung von "Nachricht" und "Kommentar" in einem Artikel oder in einer Meldung einer Radionachricht usw. stehen. Fragen, deren eine Antwort allerdings gegeben ist, bei allen Medienträgern, bei allen journalistisch verantwortlich Tätigen:
Man trifft, angrefangen von Agenturkorrespondenten über Agenturredaktionen über Texte, Filmausschntte usw. bis hin zu einer Redaktion im Printbereich immer eine Auswahl.
Interessant wäre es deshalb eigentlich, vor irgend einer Publizierung einer Nachricht die Frage nach den Auswahlkriterien der Nachrichtenagenturen, deren Texte oder Bilder man mehr oder weniger 1:1 übernimmt und die dann als quasi objektive Nachrichten gewertet werden sollen, zu stellen.
Bis vor etwa 30 Jahren wurden solche Fragen, wenn sie denn schon gestellt wurden, allenfalls in Hochschulseminarien der wenigen publizistischen Lehrstühle in Europa aufgeworfen. Der Printjournalismus zog es vor, Nachricht und Kommentar mindestens semantisch am laufenden Band zu vermischen. Dafür ist gerade die damalige NZZ ein Musterbeispiel. Ich könnte diesbezüglich sehr wohl aus einem Nähkästchenversuch aus den späten Sechzigerjahren, an dem ich beteiligt war - die Sprache der NZZ über den Vietnamkrieg und die Sprache derselben Zeitung über die Kritik an diesem krieg des letzten Jahrhunderts untersuchend - berichten. Ich lasse es sein, weil es viel viel zu erklären und zu recherchieren gälte.
Eines allerdings lässt sich in gebotener Zusammenfassungskürze festhalten:
Es geht oft um Begriffe.
Wann ist "Gewalt" Gewalt?
Wann ist "Terrorismus" terroristisch? Welchen Unterschied gibt es zwischen "privatem" Terror" und Staatsterror ?
Wann handelt beispielsweise ein Demonstrant "legal", wann "illegal"?
Sind alle polizeilich aufgestellten Regeln deshalb legal, weil sie von der polizeilichen Exekutive aufgestellt worden sind (etwa die Pflicht, eine Demonstration anmelden zu müssen, welche in einigen Rechtsstaaten als für die verfassungsmässig garantierte Meinungsäusserungs- und Redefreiheit als behindernd, also als nicht verfassungskonform angesehen werden) ?
Wann sind "Rebellen" oder "Aufständische solcherlei, wann sind bloss "Terroristen" am Werk ?
Wenn in Moskau "Femen" in der Kathedrale nackt auftreten, ist das in Ordnung. Und wenn solche "Femen" in der Klosterkirche Einsiedeln auftreten würden ? Oder sagen wir im Nationalratssaal des Bundeshauses in Bern oder im Bundestagsplenum im Gebäude des Berliner Reichstages ?
Für solcherlei existiert schon längst ein sehr eingeschränktes, dafür mindestens in der westlichen Einheitsnachrichtenwelt herrschendes Vokabular. Um es auf einen bestimmten Punkt zu bringen:
Wenn es in Putins Staat eine Femen-Demo gibt, ist bei uns selbstredend überall zu lesen, Putin würden die Freiheit von Russlands Bürgerinnen und Bürger malträtieren. Der Begriff "Freiheit" fehlt in keiner Agenturnachricht über Feme-Demos, immer unter dem Vorwurfstonfall, dass sie in Russland, in der Ukraine, in Kairo oder weiss ich noch sonstwo fehlen würde.
Meine Frage: Ist das nun Nachricht oder ist es schon Kommentar ?
Selbstredend ist die Verteidigung eines bisher öffentlich zugänglichen kleinen Parks in Istanbul durch Anwohnerinnen und Anwohner Ausdruck von bürgerlichem freiheitlichen, nach Mitbestimmung drängendem Verhalten.
Und wenn die Basler Messeleitung ein Favela-Cüplievent auf Allmendboden inszeniert, welches dann von ein paar Dutzend - vermutlich durchaus wachen - Zeitgenossinnen und Zeitgenossen und zahlreichen Zufallsanwesenden zu einem wirklichen Favela-Abend in karnevalistischer Manier erweitert wird?
Ist das kritische Nachfragen nach den Einsatzbegründungen und den Einsatzmethoden durch die TW-Redaktion "linker" Kommentargeist, während die Stellungsnahmen von Polizeileitung und dem veranwtortlichen Regierungsrat sowie von dem alleswissenden "Legalisten" Buschweiler hier in derTW "Nachrichten" sind, die nicht hinterfragt werden dürfen, weil sie doch eben "Nachrichten" der legalen "Verantwortlichen" seien?
Die Schwierigkeiten der Print- und der TV- und Radiomedien heutzutage haben meiner Ansicht nach sehr wohl auch damit zu tun, dass diese Institutionen ihre Nachrichten meistens ziemlich kommentarlos von ganz wenigen großen Nachrichtenagenturen beziehen. Das hat ihre Glaubwürdigkeit weitherum enorm getrübt. Nicht zuletzt auch, weil diese Agenturen äusserst undurchsichtig sind und weit von Quellentransparenz entfernt ihre Semantik verkaufen.
In Basel wurde zwecks Champagner-Beköstigung von ART-Besuchern eine "Favela" aufgestellt, Holzhütten, wenn ich das richtig gesehen habe.
Welch ein Schenkelklopfen, welch ein Grinsen!
Man nimmt das Cüpli vor einer PR-"Favella" zu sich! Als ob Favellas und der Genuss eines überteuert angebotenen Cüplis - so unter Kunstgeschäftsfreunden - irgend einen Zusammenhang hätten. Warum nicht eine Hollywoodschaukel ? Nein, es muss der Gag sein, die Favella.
Und dann kommen da Leute, welche die Idee auf ihre Art umsetzen: Leute, welche gewisse Elemente, die in Favelas, beispielsweise zu Karnevalszeiten, alltäglich sind und den Bewohnern helfen, ihr unsicheres, leidgeprüftes Leben für einige Tage zu vergessen: Zu feiern. Zu tanzen. Musik erschallen zu lassen.
Einigermassen "echtes" Favela-Leben. Verbunden mit der unausgesprochenen, aber leicht nachvollziehbaren Botschaft: Favellas entstehen nicht nach irgend einem Legalitätsprinzip.
Und:
Favellas sind keine "PR"-Belustigung von Kunstmarktteinehmern, sondern bittere Lebensrealität für Dutzende Millionen Menschen.
Die Botschaft wurde in eine Party gekleidet.
Dieses zeitweilige Feiern von nicht "Eingeladenen", von Leuten, die die teuren ART-Eintrittskarten nicht bezahlt haben, stört die Messeleitung.
Warum ?
Es könnte Messebesucher "erschrecken".
Und:
Es stellt den eigenen Favela-Gag in Frage, statt teure Cüplis holen sich Messebesucher das Bier aus der Büchse bei den "Besetzern".
Man telefoniert. Mit der Polizei natürlich. Schliesslich ist "man" - wer ?, nun ja, "die Messe" - Mieter des Allmendbodens. Obwohl Allmendboden gar nicht ver- oder gemietet werden kann!
Und schon beginnt das, was Herr Dürr wie folgt erklärt:
"Wir haben vor einem solchen Einsatz nicht die Möglichkeit, ein kleinjuristisches Seminar durchzuführen. Es ist schwierig, in solchen Momenten bis ins letzte Detail abzuklären, ob der Straftatbestand erfüllt ist oder nicht. Was aber ausschlaggebend für den Einsatz war, war die klare Haltung der Messe, die fehlende Dialogbereitschaft und der Lärm. Ob die Messe die «richtige» Anzeige gemacht hat, darüber müssen die Juristen entscheiden."
War es kein Strafbestand, dann: Je nun, man hat handeln müssen, weil "die Messe" es wollte.
Dafür hat Dürr eine Erklärung: "fehlende Dialogbereitschaft".
Und: "Lärm".
Also gab es Reklamationen aus dem dichtbesiedelten Umfeld der Messe wegen "Lärms".
Nein, gab es nicht.
Aber man musste laut Dürr, weil man sich entschieden hatte, durchzugreifen, eben durchgreifen.
Weshalb?
Dürr:
"Wir haben das Ultimatum mehrmals verlängert. Irgendwann kamen wir zum Schluss, dass wir glaubwürdig bleiben müssen. Es ging uns nicht darum, den Platz zu räumen, wir wollten nur die Musikanlage beschlagnahmen. Es war wahnsinnig laut."
Ach so.
Mit "Verhältnismässigkeit" hat solch eine Begründung meiner Ansicht nach nichts zu tun. Mit "Legalität" respektive angeblicher Verfolgung von "Illegalität" auch nicht.
Bekanntlicherweise wird eine Stadtgängerin, ein Passant britischen Städten beinahe lückenlos erfass - durch Überwachungskameras, die angeblich der "Sicherheit" der Bevölkerung dienen.
Erfasst werden die Passagiere des öffentlichen Verkehrs etwa in Berlin inzwischen auch in Bussen und Strassenbahnen, von den S- und U-Bahnhöfen ganz abgesehen.
Wer mit einem Pass reist, sagen wir in die USA, wird bis ins Detail biometrisch erfasst und gespeichert bis zum Sankt Nimmerleinstag.
Und was ich hier grad schreibe, landet mit ziemlicher Sicherheit irgendwo in einem US-Geheimdienstspeicher, vielleicht, wer weiss, auch in einem deutschen oder einem schweizerischen.
Abgesehen davon, dass meine Bewegungen durch allerhand mitgetragene Bewegungsmelder erfasst sein dürften, von denen ich viellicht mal gehört oder in einem Krimi gelesen oder gesehen habe, die ich aber nicht weiter berücksichtige, weil ich schliesslich hie und da auch spontan bin...
Trotzdem ist der folgenschwerste Terrorakt in Europa ausgerechent im mit dem ziemlich totalen Kamerablick ausgerüsteten London geschehen.
Trotzdem werden in Berlin - oder in München (durch Schweizer Jugendliche beispielsweise) usw. Menschen in U-Bahnen oder in S-Bahnhöfen niedergeschlagen, Kamerabilder hin oder her.
Was die angeblich verhinderten Terrorangriffe "auf die USA" betrifft: Nicht verhindert werden jahraus, jahrein jene wirklich Menschenleben vernichtenden Amokläufe oder so genannte Selbstverteidigungsübungen durch waffenbesitzende, meist weisse "Normalbürger", tausende Menschenleben pro Jahr.
Zu Letzterem ein Link:
http://sicherheitspolitik.bpb.de/index.php?page=datentabellen&layer=m1_bpb_morde
Daraus:
Morde pro 100'000 Einwohner: Schweiz: 0,7; Österreich: 0,6; Deutschland: 0,8; Frankreich: 1,1, USA: 4,7!
Mit anderen Worten:
Es stellt sich die Frage, wofür dieser ganze Überwachungsapparat denn gut sein soll ?
Antworten?
Nun denn, Vermutungen:
- Allmachtsphantasien von unkontrollierbaren Geheimdiensten (die "Stasi" ist keineswegs vorbei, wie die NSA-Datenmengen zweifelsfrei belegen);
- in Verbindung mit US-Industrieintzeressen geht es höchstwahrscheinlich auch um schlichte Wirtschaftsspionage - und da dürfte nicht nur China im Fokus von US.-Geheimdiensten sein, sondern vor allem auch europöäische Forschungseinrichtungen;
- Bedrohungsszenarien, welche der Rüstungsindustrie der USA (vornehmlich dieser, global betrachtet) dienen, indem sie deren Auftragbücher am laufenden Band prall gefüllt erhält, Bedrohungsszenarien, welche weder richtig überprüft noch diskutiert und schon gar nicht wirkliche Bedrohungen der US-Gesellschaft (oder anderer Gesellschaften) analysieren, sondern mit Feindbildern ausgestattet sind, welche dann wegen geheimdienstlich im Namen der "Sicherheit" der USA begangenen Morde, Verschleppungen, Staatsstreiche irgendwo und überall weltweit zu Bedrohungen werden (siehe die Geschichte der Taliban, die Geschichte von Al Kaida, die Geschichte der unsäglichen US-Drogenpolitik, dank der mafiose Strukturen in Staaten wie Mexico oder Kolumbien, aber auch US-innerstaatlich verbrecherische Machtkonglomerate zu eigentlichen gesellschaftliche und bestimmenden Machtzentren geworden sind. Siehe aber auch die ganze Geschichte mit der deutschen NSU und den rechtsextremen Gewalttaten, welche seit Jahr und Tag von den Geheimdiensten eben NICHT erkannt und erfasst worden sind).
Das einzige, was Geheimdienste auf alle Fälle verdienen ist nachhaltiges Misstrauen, welches wir Bürgerinnen und Bürger diesen rechtsstaatsuntergrabenden Einrichtungen entgegenbringen müssen.
Die USA ist in vielerlei Hinsicht ein Unrechtsstaat. Die NSA-Datenspionage ist ein, bei weitem nicht der einzige Ausdruck davon.
(Zur Erinnerung:
-Guantanomo;
-Geheimgefängnisse mit Folteralltag, geführt durch die CIA;
-durch die US-Regierung bewusst erlogene Irakkriegsbegründung - in dessen Verlauf bis heute Hunderttausende Menschen getötet und Millionen in die Flucht gejagt wurden;
-Todesstrafe und und und).
Was ich jetzt hier schreibe, wird ohne Zweifel von "Prism" erfasst und irgendwo abgelagert.
Nachrichtendienste sind Geheimdienste. Der Begriff "Geheimdienst" sagt bedeutend klarer aus, was "Nachrichtendienste" tun, als es der Bergriff "Nachrichtendienst" vorgibt. Würde ein "Nachrichtendienst" Nachrichten sammeln und allenfalls auswerten - was unter Umständen beispielsweise Strafprozesse zur Folge haben könnte -, müsste er nicht "geheim" operieren. Das würde bedeuten, dass seine staatliche (in parlamentarischen Rechtsstaaten also seine parlamentarische) Kontrolle öffentlich erfolgen müsste. Genau dies geschieht aber aus "geheimdienstlichen" Gründen kaum oder in vielen "Rechtsstaaten" gar nicht.
"Geheim" bedeutet, dass die Nachrichtenbeschaffung nicht öffentlich sein soll. Das Recht, Nachrichten zu sammeln und auszuwerten, muss aber wie jede Rechtsposition überprüfbar sein, sonst herrscht kein Rechtsstaat, sondern ein von irgendwelchen Kriterien abhängiger Willkürstaat.
Nun geht es sowohl bei "Prism" als auch bei "Büpf" angeblich um die öffentliche Sicherheit. Es gehe, wird behauptet, um die Abwehr von Terrorübergriffen auf die Bevölkerung und so weiter. Die US-Administration erklärt "Prism" als notwendige Terror-Abwehrinstitution. Deshalb müsse jede Nachrichtenquelle angezapft werden, damit sichtbar werde, wo in Providern, Socialbooks und irgendwelchen sonstigen Internet-, App- oder Handyspezifikationen Verabredungen zu terroristischen Akten gemacht würden.
Es stellt sich diesbezüglich unweigerlich die Frage: Wie geht ein solcher Dienst mit der Fülle des Materials um ?
Er muss Kriterien definieren und alltäglich umsetzen.
Die Kriterien müssen so angelegt sein, dass "niemand" durch die Netze gleiten kann, dass alle potentiellen Störenfriede des "Weltfriedens" oder der Staatssicherheit "erfasst" werden.
Deshalb bleibt der NSA wohl nichts anderes, als "ALLE" zu erfassen und durch alle möglichen Kriteriencockies zu führen.
(ALLE: Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder Religionslosigkeit, Sexualverhalten, Wohnkomfort, Brillenmodell, Urlaubsgewohnheiten usw.usw.)
So weit, so einleuchtend, wenn man auf "absolute Sicherheit" setzt.
Man kann daraus den Schluss ziehen, dass im Interesse der "Sicherheit" individuelles Leben keine Rolle mehr spielt, eigentlich gar keine Rolle spielen darf.
Da parlamentarische Kontrolle natürlich nicht über den gleichen (auch personell ausgestatteten) Apparat verfügt wie die Nachrichten- respektive die Geheimdienste, wird sie absehbar nie in der Lage sein, Mißbrauch innerhalb der Dienste zu Gunsten von persönlicher oder institutioneller Macht, von Korruption, von politischer oder wirtschaftlicher Einschüchterung und Erpressung rechtzeitig oder überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn auszuschalten.
Orwells 1984 ist längst Realität.
Es ist aber auch Realität, dass es ein Bewusstsein gibt, welches dieses Machtgehabe in Frage stellt. Ausdruck findet dieses Infragestellen immer wieder durch LEAKS. Inzwischen kann man erkennen, dass Leaks häufig Folge von Zivilcourage Einzelner aus den Tiefen der geheim operierenden "Dienste" sind - wobei diese oft genau so "geheim" operieren wie die Geheim- respektive Nachrichtendienste von Staaten, aber auch von Unternehmen, privaten "Sicherheitsdiensten" und ebenso privaten "Nachrichtendiensten".
Macht und Machtmißbrauch sind ein unzertrennliches Paar. Die Geschichte lehrt und bestätigt diesen Satz am laufenden Band.
Machtmißbrauch zu erkennen ist meistens nur dann möglich, wenn gegen die Anwendung bestimmter Machtinstrumente durch Machtinstitutionen Widerstand geleistet wird. Widerstand, der selbstredend durch Machtinstitutionen entweder kriminalisiert oder als irgendwie "verdächtig", als sicherheitsgefährdend oder (auch) als terroristisch gebrandmarkt und verfolgt wird.
Wichtig scheint mir zu sein, dass Widerständiges Raum behält.
Mit dem letzten Satz mache ich mich wohl verdächtig.
Beim wem ?
Ich weiss es nicht.
Wodurch ?
Ich weiss es nicht.
Aber verdächtig bin ich auf alle Fälle.
Da ich aber ein Alter erreicht habe, in dem ich mir nicht mehr viel "Zukunft" vebauen kann, kann ich allerhand Verdächtigungen in Kauf nehmen.
Wichtig ist, dass auch jüngere Menschen Räume und Möglichkeiten finden, sich dem Anpassungsdruck der "Sicherheitskräfte", der Geheim- und Nachrichtendienste und der Totalerforschung durch Konsum-PR-Geheimdienste von Zeit zu Zeit entziehen zu können. Oder dies alles von Zeit zu Zeit lautstark oder auch leiser an den Pranger der "ÖFFENTLICHKEIT" zu stellen in der Lage sind.
Eine wichtige Aufgabe unter anderem des redaktionell verankerten Journalismus denke ich ist es zur Zeit (noch), diese Öffentlichkeit immer wieder herzustellen.
Nun, was ich jetzt hier geschrieben habe, wird ohne Zweifel von "Prism" erfasst und irgendwo abgelagert. Denn ich habe Google-Mail als Träger meines Sermons benutzt.
Na, das ist wirklich ein "Schmankerl".
(Wobei ich an der Justizrealität trotzdem meine Kritik anzubringen pflege, wenn ich an deren "Wirksamkeit" denke, etwa bei Wirtschaftsdelikten).
Was mir an Dürr's Vortrag besonders auffällt:
Der vollständige Mangel an Realitätsbezug, wenn es um die Vorstellung von vollziehbaren, also etwa Streitschlichtungen betreffende Alternativen zum Staatsmonopol geht.
Dürr geht von der Abschaffung des Strafrechts und des Zivilrechts aus. Alles regelt seiner vorgetragenen Ansicht nach die Privatwirtschaft - oder seine "privatrechtlich" handelnde Anwaltssozietät...
Mordprozesse ?
Menschenrechtsprozesse ?
Prozesse gegen Leute, die andere professionell übers Ohr hauen ?
Nun ja, Privatgefängnisse gibt es, in den USA.
Urliberal, all dies. Wobei Herr Dürr die Liberalen des 19. Jahrhunderts, welche den schweizerischen Bundesstaat gegen die Willkür der alten Patriziate durchgesetzt haben, als grundsätzliche Fehlermacher bezeichnet. Also doch nicht "urliberal" - übrigens auch nicht im Sinn der Kaufleute-Schiedsgerichtsbarkeit seit dem Mittelalter (Hanse...)
Dafür darf sich der auf reine Individualität hin entkleidete Bürger unters Dach der Teaparty-Staatsverächter flüchten. Wer dort keinen Platz findet, beispielsweise mangels Geld, ist selber schuld. Punkt und Basta.
Lesenswert, dieser Kommentar von Philipp Loser.
Für mich ist erst einmal der folgende Satz von Bedeutung:
"Unsere mangelnde Frustrationstoleranz, gepaart mit hyperventilierenden Medien, ist schuld daran, warum wir trotz einer bürgerlichen Mehrheit immer etatistischer werden. "
Erstens:
Es stellt sich schon die Frage, ob "gepaart" die angeblich gewalterfüllte Altagsrealität transitiv ausgedrückt genügend genau erfasst. Oder ob es nicht so sei, dass "hyperventilierende Medien" den hauptsächlichen Grund für "unsere mangelnde Frustrationstoleranz" liefern, also am Beginn der beklagenswerten Kettenreaktion stehen.
Mit anderen Worten:
Ich finde, die angeblich von "Minderheiten" angezettelten Gewaltausbrüche (Schweden, Bern, Paris allein an diesem Wochenende in Europa) weisen auf strukturelle Bedingungen hin, welche solcherlei nicht bloss zulassen und dann "ahnden", sondern wohl in sich tragen. Einst, vor 25 oder 30 Jahren, wurde dieses Phänomen als "strukturelle Gewalt" benannt.
Zweitens:
Seither hat sich eine Grundbedingung über das Alltagswissen für jedermann, der etwas wissen oder erfahren will, stark verändert:
Informationsabläufe sind schneller und ungefilterter geworden. "Facebook", welches laut dem Vorsteher des Berner Polizeiwesens, Gemeinderat Noser, als Einladungsmedium zur Veranstaltung eine zentrale Rolle gespielt habe, ist dafür ein Beispiel.
Die "Behörden" - wer auch immer, ob Polizei oder Lebensmittelkontrolle, ob Steuerbeamte oder Kondukteure des ÖV, ob Regierungsräte oder Bundesminister - wirken in Apparaten, welche bereits vor 50 oder 100 Jahren konzipiert und aufgebaut worden sind. Sie agieren meistens rein hierarchisch. Sie reagieren als Apparate, individuelle Lösungsgedanken werden als Störung empfunden.
Dieser Obrigkeitsstaat "ordnet an". Er macht Gesetze, erklärt sie womöglich mit jedem noch so zeitgebundenen Detail zur conditio sine qua non, um "alles und jedes Denkbare" an Verstößen dagegen zu eliminieren. Und steht dann als ewig vorgestrig da, wenn es um die WAHRNEHMUNG von Problemen geht.
Dem steht heute ziemlich global wirkend ein Informationsstandard entgegen, welcher kaum mehr in "Freund oder Feind" sortiert - wie das während der Jahrzehnte des Kalten Krieges üblich war. Die Wahrnehmungen zeittypischer Phänomene sind oft individuell geprägt. Dazu trägt die globale Migration viel bei. Gestern ums Leben rennend, heute in einer Asylunterkunft eingesperrt, aber den Wohlstand der neuen Umgebung vor Augen. Oder: Gestern noch als Angestellte an der Kasse im Supermarkt das letzte Glied in der Dienstleistungskette der Konsumgesellschaft, heute für zwei Wochen Königin im Urlaub beim Korallentauchen im Roten Meer, bedient von auf Servilität getrimmten "Einheimischen". Gestern fleissig studiert, BWL, Ingenieurwissenschaften, heute - wie über 50 % der Altersgenossen -, arbeitslos mitten in einem EU-Staat auf die Strasse der Bedeutungslosigkeit gestellt.
Solange solche Widersprüche sortierbar sind, das heisst, so lange sie nicht allgemeiner bekannt werden, lassen sie sich verdrängen. Notfalls leisten die Medien den dazu notwendigen Verführungsklamauk.
Nur: Diese Sortierzeiten sind wohl vorbei.
Drittens:
Sowohl Jugendunruhen als auch Aufstände gegen ungerechte Gesellschaftszustände gab es schon seit Jahrzehnten immer wieder. Meistens - sieht man vom ersten diesbezüglichen westlich-globalen Phänomen der Reaktion auf den Vietnamkrieg der USA ab, also die 68er - sind sie lokal "eliminiert" worden. Lokal aber ist heute globalisiert.
Die "Idioten" sind genau so vernetzt wie die Hedgsfondmanager, die Börsenspekulanten, die "Geheimdienste", gewisse Polizeieinheiten, Militärplaner und die Mafiastrukturen.
Was machen in solcherlei Umwelt wir, die Bürgerinnen und Bürger ? Was denken wir ? Wie bekommen wir Einfluss, um unsere individuelle wie unsere gesellschaftliche Stellung insoweit selbstbestimmend zu gestallten, wie wir es möchten ?
Mir scheint, dass "die Medien" und "die Politik" zu wenig Fragen stellen. Sie antworten meistens, ohne Fragen überhaupt gestellt zu haben.
Immerhin:
Herr Loser beschreibt einen Katalog, den man als Grundlage für Fragestellungen benutzen könnte.
Sie legen offenbar Wert darauf, von "wissenschaftlicher Warte" aus zu kommentieren. Im Vollsitz hoch auf dieser Warte sitzend fällt es Ihnen erklärlicherweise auch leicht, Mitkommentatoren als Quatschlieferanten zu bezeichnen. Vor allem solche, welche diese Warte nicht erklommen haben.
Bei genauerem Nachlesen Ihres urteilsfreudigen Kommentars fällt dann einem, der sich als Leser versteht - ich verstehe mich unter anderem als Leser - auf: Sie haben es natürlich (man bedenke Ihren Sitz auf der Warte) nicht nötig gehabt, so genau hinzuschauen, was Sie gelesen haben:
Im Artikel steht zwar nichts über "Plenar"- und Frontalunterricht, soviel habe ich als Leser auch herausgefunden. Aber, mit Ausnahme von
-"Dennoch ist der erhöhte Lärmpegel der Regierung bekannt. So kündigt diese in ihrem Schreiben die künftige Planung von Gruppenräumen an, um die unterschiedlichen Lerneinheiten voneinander zu trennen und so das Lärmproblem in den Griff zu kriegen."
steht auch nichts Inhaltliches über Open-Space-Unterrichtsformen, deren Weiterführung Sie bei Vita in Weil am Rhein entdeckt haben. Open-Space als Unterrichtsnormalität anzunehmen ist angesichts des eben zitierten Satzes allerdings relativ schlecht evaluiertes Behaupten.
Was Ihre Ausführungen über Ihr absolutes Gehör betrifft, verlassen Sie den von Ihnen gegenüber anderen Kommentatoren reklamierten wissenschaftlichen Standard und produzieren eine ziemlich oberflächlich daherkommende Geschichte. Das absolute Gehör ist eine komplexe Angelegenheit. Sie hat mit "Musikalität" allerhöchstens ein wenig und dies sehr am Rande zu tun. Ob dieses Gehör Ihnen den Knopf für das Klavierspiel geöffnet hat, kann ich nicht beurteilen. Von mir vermute ich, dass mir kein absolutes Gehör eigen ist. Der Knopf für ein einigermassen korrektes Klavierspiel - zugegeben auf der Ebene von Händel, Bach, Mozart, Beethoven, Chopin, Bartok, Strawinsky und etwas Messiaen, also reproduktiv - ist mir aber auch ohne das Bewusstsein, ein absolutes Gehör zu "haben", aufgegangen.
Musik besteht aus Theorie und aus Praxis. Schule besteht aus Theorie und Praxis.
Evaluation - sie berufen sich auf Evaluation, indem sie PISA erwähnen - schränkt das zu Kontrollierende immer ein, ist weder produktiv noch kreativ, sondern misst nach bestimmten, ausgewählten, diesbezüglich manchmal bis oft beliebigen Perimeterbestimmungen.
In der "Erziehungswissenschaft", namentlich im deutschen Sprachraum, tummeln sich seit einiger Zeit fleissig evaluierende Vergleichs-"Wissenschaftler".
Was diese zum konkreten Tun in Bildungseinrichtungen beitragen ?
Gute Frage, denke ich.
Unfreiwillig - nehme ich an - führen Sie vor, welche Aussagekraft Evaluations"Ergebnisse" über tatsächliche Verhältnisse z.B.an Schulen haben: Indem Sie Ihr Klavierspiel auf die Erfassung Ihres absoluten Gehörs durch einen Musiklehrer zurückführen, verdrängen Sie alle anderen denkbaren physischen und psychischen Eventualitäten, welche Ihnen geholfen haben könnten, am Klavierspiel Freude zu erhalten (z.B. Lust an der Bewegung der Finger, an der Musik, am Zusammensein mit dem Klavierlehrer, am Vorführen eigener Fähigkeiten, am Erreichen eines Zieles mittels Übung usw.usw.). Es ist nur das absolute Gehör!
Insofern erinnert Ihr Kommentar schon sehr an die Bildungsdiskussionen auf politischer Ebene. Dort erzeugt das einzusparende "finanzielle" Potential einen derart schrillen Ton, dass alle absoluten Gehörmöglichkeiten verloren gehen und man voller Schreck in die tonlose Gebärdensprache flüchtet.