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  • Den Sinn des Herzstücks haben die meisten Leute nicht verstanden

    Ihre Kommentare könnte man mit einem Begriff überschreiben: Warnung vor Größenwahn. Ich möchte diesem Grundton in ihren Kommentaren quasi sachliche Überlegungen sowohl beigesellen als teilweise auch entgegenhalten. 1. Der überbaute, dicht bewohnte engere Stadtraum von Basel umfasst in seiner politisch-staatlichen Ausdehnung Gebiete aus drei Staaten. In der Schweiz umfasst dieser Raum Gebietsteile dreier Kantone (BL, AG, SO). Im engeren, mehr oder weniger zusammengebauten Stadtraum leben rund 550'000 Menschen. Quellen: Die Zahlen habe ich gegoogelt. Sie stammen aus den Jahren 2011 und 2012 und beziehen sich auf BL -ohne Bezirke Sissach, Laufen und Waldenburg-, den Kanton Solothurn -Dornach-, den Kanton Aargau -Rheinfelden und Möhlin, ohne Stein usw.-, die Städte Lörrach, Weil am Rhein, Grenzach-Wyhlen, Steinen, Schopfheim und badisch Rheinfeld und die französischen Grenzstädte und Grenzorte unmittelbar an den Kanton BS und an Allschwil angrenzend. Der Kanton Basel-Stadt zählte Mitte 2012 rund 193'000 Einwohner, gleichzeitig aber 155'000 besetzte Arbeitsplätze (Bundesamt für Statistik). Beim Betrachten der Bevölkerungsstruktur von Basel-Stadt ergibt sich die Erkenntnis, dass wohl über 100'000 dieser Arbeitsplätze von Pendlern in die Stadt Basel besetzt sind. Was eine arbeitsalltägliche Mobilitätszahl von mindestens 200'000 Bewegungen ergibt. Laut "Statisches Jahrbuch BS 2012" (Internetausgabe) waren 2012 immerhin 34'748 in Basel-Stadt voll- oder teilzeitangestellte Arbeitnehmende so genannte "Grenzgänger". so dass allein in der Stadt Basel über 60'000 arbeitsalltägliche Bewegungen aus dem nahen Ausland generiert werden. Grenzgängerbewegungen, welche über die Stadt Basel in angrenzende Kantone generiert werden, sind in dieser Zahl nicht berücksichtigt. 2. Basel als Kern des engeren Stadtraums hat einen Anteil von knapp 30 % an der Bevölkerungszahl des engeren Stadtraumes. Diese Zahl ist, vergleicht man sie mit Stadträumen gleicher Größenordnung in der Schweiz oder in Deutschland, Frankreich oder beispielsweise Belgien, nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist allerdings, dass sich dieser Stadtraum auf drei souveräne Staaten mit eigenen Sozial- , Wirtschafts- und Rechtssystemen ausdehnt. Für schweizerische Verhältnisse mindestens nicht gerade üblich ist zudem der Umstand, dass der Stadtraum Basel gleich drei Kantone betrifft, wobei in zwei dieser Kantone die Schwerpunkte geografisch und historisch gewachsen nicht zur Stadtregion Basel gehören. 3. Es ergibt sich bei nüchterner Betrachtung betreffend der Stadtentwicklung von Basel ein Sonderfall, was rechtliche -insbesondere planungsrechtliche -, politische, aber auch soziale Größenordnungen genau so betrifft wie die mehr oder weniger innerstädtische Mobilität und etwa deren Planung und Kanalisierung. Ohne eine vernünftige Kanalisierung des Verkehrs kommt heute keine mittlere Großstadt mehr aus. 3.1) Der Privatautoverkehr schnürt im Fall einer fehlenden Kanalisierung real und alltäglich sämtliche anderen innerstädtischen Mobilitätsvorkommen und -bedürfnisse massiv ein und produziert zudem nach wie vor jenen Lärm oder etwa jenen Feinstaub, deren Gesundheitsgefährdungen erwiesen sind. Er stört das soziale Alltagsleben sowohl unmittelbar als auch mittelbar und entwertet weite Stadtgebiete als Wohnorte nachhaltig. 3.2) In der engeren Stadtlandschaft von Basel, vor allem aber in der Kernstadt selber stößt das Mobilitätsangebot des Öffentlichen Verkehrs seit mindestens einem Vierteljahrhundert immer wieder an seine Kapazitätsgrenzen. Ein Beispiel: Ich war sechs Jahre lang (bis 2007) arbeitsalltäglicher Benutzer der Buslinie 34 zwischen Rütimeyerplatz und Drei Linden. Dank der Traversierung der Basler Innenstadt durch die Busse dieser Linie habe ich zu Stoßzeiten immer mit großen Verspätungen sowie ausgedehnt längeren Fahrzeiten rechnen müssen, und zwar jeden Tag ausser am Sonntag. 3.3) Die Feinverteilung im Mobilitätsangebot der BVB und der BLT im Stadtraum von Basel ist im Fahrplanangebot gut, in der Realität aber häufig durch die Straßenkapazitätsbedingungen konterkariert. Damit verliert dieses Angebot, es anstelle des Privatautos zu benutzen, wesentlichen Anreiz. 4. Städte leben seit Menschengedenken unter anderem auch davon, dass sie Identitäten verkörpern. Die griechische Agora, das römische Forum, die mittelalterlichen Kathedralen und Rathäuser, Stadttürme, Marktordnungen und so weiter bildeten Korsette von Identitäten genau so wie heute Architektur, öffentliche Plätze, die Mischung aus Geschäftigkeit und – jaja, denke ich beispielsweise an den kleinen Platz vor der Leonhardskirche in Basel – Kontemplation. Nur wenige Stadtbewohner können bei über 550'000 Bewohnern des Stadtraums in dessen engem Kern leben – und trotzdem existiert gerade mit ihm ein nahes Verhältnis, das ein starkes Bindeglied zwischen Stadtbewohner und Stadt ausmacht. Ein Stadtzentrum ist mehr als bloss ein Geschäftsviertel, ist mehr als bloss ein Arbeitsplatzangebotsviertel, ist mehr als der Ort, wo Konzerthallen, Theater, Kinos, Museen, Strassencafés, Stadtparks, Promenaden usw. angesiedelt sind. Aber alle diese Zentrumsangebote zusammen laden zur Benutzung des Zentrums ein. Der Identifikationsbogen für ein Stadtzentrum wie jenem von Basel beinhaltet zahlreiche Einzelaspekte, deren Summe eben eine Begrifflichkeit namens „Basel“ ergibt. An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Ich erinnere mich noch an den Fakt, dass das alte Stadttheater gesprengt wurde, nachdem das neue von Schwarz errichtet worden war. Ich erinnere ich all der „Leserbriefkriege“ in den „Basler Nachrichten“ und in der „Nationalzeitung“, in denen der Untergang des Basler Stadtzentrums beschworen wurde. Und heute ? Der Theaterplatz ist ein Anziehungspunkt erster Güte. 5. Eine Binsenwahrheit in diesem Zusammenhang: Die Lebendigkeit einer Kernstadtanlage hat viel mit deren Erreichbarkeit zu tun. Wenn die Erreichbarkeit einer engen Stadtzentrumsanlage vernachlässigt wird, verliert sie nach und nach an alltäglicher Bedeutung. Das Privatauto nimmt derart viel Platz in Anspruch, dass es als Hauptverkehrsmittel für die Basler Innenstadt ohne Zweifel ungeeignet ist. Das Tram- und Busnetz hat eine Dichte erreicht, welche wohl vernünftigerweise nur noch unter Einbezug der Johaniterbrücke eine einmalige Erweiterung erfahren kann, soll das Angebot nicht kollabieren. Seit mehr als zwei Jahrzehnten aber hat sich das städtische Lebensgefühl und haben sich die städtischen sozialen Lebensgewohnheiten zunehmend in Richtung auf Benutzung öffentlicher Orte verändert. Die Atmosphäre südlicher Städte hat sich auch nördlich der Alpen ausgebreitet. Mir scheint, dass eine Erschließung des Stadtzentrums von Basel mit zwei S-Bahnhöfen das alltägliche Stadtleben in seiner soziokulturellen wie seiner wirtschaftlichen Bedeutung bereichern würde. Es gibt für diese Aussage sehr viele gute Beispiele: München etwa (der Großraum München hat etwa zweimal so viele Bewohner wie der Großraum Basel), Zürich, Bern usw. Wenn man dem zunehmenden Verkehrschaos, verursacht durch die in Basel sehr zentrumsnah ausgebauten Angeboten für den Privatverkehr irgendwann in absehbarer Zweit Herr werden will, sollte man das „Herzstück“ der Basler S-Bahn nicht einfach als „zu teuer“ oder als „größenwahnsinnig“ verteufeln, sondern ernsthaft eine S-Bahnplanung unterstützen, welche nicht bloss den Begriff „Arbeitsplätze“ im Programm führt, sondern auch „Stadtleben“ für Hunderttausende von realen Stadtbewohnern. Die Arbeitsplatzschwerpunkte am nordwestlichen, nordöstlichen und östlichen sowie südlichen Stadtgebiet lassen sich sowohl mit einem Y als auch mit vernünftigen Umsteigeangeboten in das Tram- und Busnetz sowie dessen Privilegierung vor dem Privatverkehr ergänzend sehr wohl innert absehbarer zeit dazu entwickeln – auch, weil die Feinverteilung zu einem großen Teil bereits vorhanden ist. 6. Zuletzt: Wenn ich in Berlin von A nach B mit Hilfe des ÖV unterwegs bin, steige ich normalerweise ein oder mehrmals um. Wichtig ist für ich nicht eine umsteigefreie Fahrt, sondern, dass das Umsteigen bequem und zeitnah in seinem Angebot erfolgen kann.

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  • Die Vorzüge des Opportunismus

    Zweimalige Knochenarbeit plus zweimaliges Gratwandern ergibt "Kompromiss" respektive "Strategie". Und der "Druck auf die Pharmapreise" wurde dadurch erfolgreich weggepustet (Man beachte: Der Druck auf die PharmaPREISE, nicht der Druck auf die Patienten, welche unverschämte Preise für Medikamente direkt oder über jährliche Krankernkassenprämienerhöhungen zahlen dürfen - was diese sicher mit Herzblut tun, schliesslich geht es darum, den Druck...). Logisch, sagt die Dame. Welch eine Logik!

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  • Die Juso verlieren gegen Luther, Adam Smith und die Milchkühe unserer Bauern

    Was einige Ständeräte und eine Ständerätin gegen die JUSO-Initiative 1:12 an ablehnender „Argumentation“ vorgetragen haben (siehe „Amtliches Bulletin, http://www.parlament.ch/ab/frameset/d/s/4907/403537/d_s_4907_403537_403538.htm), entbehrt nicht einer gewissen Weltfremdheit. Statt Luther, Calvin, den Heiligen Augustinus und den armen Hern Smith heranzuziehen, um ihren Verschleierungsreden einen reflektierten Schein zu verpassen, hätten sich die Dame und die Herren (ausgenommen Herr Jenni, der nachvollziehbar und ehrlich argumentiert hat) besser etwas genauer mit Gegenwärtigem auseinandergesetzt. Nun, dies Gegenwärtige, diese "Reale Welt" der Spekulation ist halt nicht so gedankenverliebt wie Thomas von Aquin es wohl gewesen sein dürfte. Auch nicht, um es deutlich zu formulieren, mit jener Freiheitside verwandt, welche Adam Smith durchaus diskussionfähig gemacht hat. Denn die Welt, um die es vor allem geht, produziert weder handfeste „Arbeit“ noch irgend ein handfestes Produkt, sondern bloss spekulatives computerabhängiges (nicht einmal mehr papieren nachvollziehbares) Spekulieren mit irgendwelchen Perimeterkonstruktionen, welche so genannte Ratingagenturen hergestellt haben. Der Finanzkapitalismus, man könnte mit gutem Recht auch sagen: das Börsenunwesen beherrscht inzwischen sehr viele Bereiche gesellschaftlicher Prozesse, obwohl da bloss ein paar geldwertig gemessene Renditeaussichten spekulativ behandelt werden. Was zu einer auffallenden Entfremdung zwischen der inzwischen viel genannten „Realwirtschaft“ und der „Finanzindustrie“ geführt hat. Dass diese „Finanzindustrie“ aus sich selber heraus am laufenden Band kollabiert, was sehr häufig mit den realen Wirtschaftsprozessen nichts zu tun hat, dieser aber massiv notwendige Entwicklungskreditgelder (zum Beispiel) entzieht, ist inzwischen gut erkennbar. Was allerdings weder die Täter noch die Kollaborateure dieser „Industrie daran hindert, mit ihrem Aberwitz und Unsinn einfach weiterzufahren. Die Spekulationen rund um den Euro sind ein Beispiel für eine Entwicklung dieser „Industrie“, welche nur durch eine Deliberalisierung der „Finanzmärkte“ verändert werden kann. Es braucht supranational geltende Regeln. Insbesondere Regeln gegen die ungezügelte Bankmanager -und die Spekulations-“freiheit“. Deren „Freiheit“ hat sich als Handlungsserie gegen die Interessen von Staaten, gegen zahlreiche demokratisch verfasste Gesellschaftsstrukturen, ganz einfach gegen die Lebensbedingungen von Millionen und Abermillionen Menschen erwiesen. Die neoliberale Deregulierungsphase, fälschlicherweise mit dem Begriff „liberal“ verharmlost, ist eigentlich vorbei. Gut erkennbar, mit anderen Worten: Die Deregulierungsideologie ist in der praktischen Wirtschaftswelt durchaus gescheitert. Was nicht heisst, dass deren Erfinder und Verfechter endlich zur Raison gebracht worden wären. Wenn die „Demokraten“, also die bestimmenden Politiker der so genannt demokratisch und rechtsstaatlich organisierten Staaten sich weiterhin weigern, dem widerlichen Tun einer „Industrie“ von wenigen Managern, -welche ganze Volkswirtschaften in Geiselhaft genommen haben und nach wie in Geiselhaft zu nehmen beabsichtigen, um sich selber zu bereichern - wirklichen Einhalt zu gebieten, ihre deregulierten Machenschaften zu unterbinden, verliert zuerst einmal die Politik ihre Glaubwürdigkeit. Was wird die Folge sein ? Jedenfalls, ist anzunehmen, nicht „mehr Demokratie“ oder „mehr Volksrechte“, sondern beispielsweise „Führerkult“ mit all den absehbaren Folgen für gesellschaftliche Prozesse. Die Aushebelung rechtsstaatlicher Grundlagen für eine ganz bestimmte Schicht von regellos handelnden Egoisten, welche gesellschaftliche Prozesse verunmöglichen, weil sie ihnen schlicht die finanziellen Mittel entziehen, ist leider bis heute Fakt geblieben. Nur: Es geht inzwischen allgemein erkennbar um eine Auseinandersetzung über soziale Gerechtigkeit. Gerechtigkeit herrscht beispielsweise dann nicht, wenn offensichtliche Boni- oder Lohnexzesse auf Kosten nachvollziehbarer Größenordnungen durchexerziert werden. Etwa bei den Lohnunterschieden zwischen CEO und niedrigstem Lohnniveau in einer Firma. Intransparent selbstredend, sachlich schlicht unbegründet, oft genug auch noch steuerprivilegiert , meistens jeglicher gesellschaftlichen Diskussion dank einer stillen Kumpanei von Maximalgehaltsempfängern und veröffentlichter Meinung entzogen. Ein universitär ausgebildeter Ingenieur, der für das Unternehmen neue Produkte in verantwortlichen Forschungsabläufen mitentwickelt, verdient bei Siemens in Deutschland etwa 60'000 Euro brutto pro Jahr. Der Siemens-Vorstandschef hat im Jahr 2012 7'800'000 Euro (laut Süddeutsche Zeitung, 22.3.2013, S. 18) kassiert. Netto kommt der Ingenieur auf etwa 33'000 Euro. Der Siemens-Vorstandschef kommt netto -sofern er seine Steuern in Deutschland bezahlt – auf etwa 5 Millionen Euro. Wie ist ein solcher Lohnunterschied begründet ? Etwa mit „Leistung“ ? Leistet ein Ingenieur bei Siemens, der an der Kleinteiligkeit einer Produktentwicklung mitarbeitet, messbar, also objektiv feststellbar "brutto" das 130fache weniger als der Siemens-Vorstandschef ? Der Chef trage schließlich die „Verantwortung“ für den ganzen Laden, sagen die Chefmanager unisono, wenn sie ihre exorbitanten Bezüge aus den Firmenkassen verteidigen. Tragen sie die Verantwortung auch dann, wenn Entscheidungen von ihnen zu Verlusten finanzieller oder auch an Arbeitsplätzen führen ? Müssen die Chefmanager normalerweise geradestehen für negative Folgen ihrer Entscheidungen ? Die einfache und auf die Realität bezogene Antwort lautet: Müssen sie, wie man weiß, kaum, eigentlich nie. Besonders bemerkenswert ist die deregulierte Freiheit für Spekulanten, welche als Manager von Pensionskassen- und Versicherungsfonds, also von Vermögen, welche die normalsterblichen Arbeitnehmer im Verlauf ihres Arbeitslebens zur Sicherung ihres Alters ansparen, „verwalten“. Diese Kaste von Managern hat Billionenvermögen in den Spekulationssand und die Derivatenwirtschaft global handelnder Bankenimperien und Finanzspekulations“instituten“gesetzt. Sie benahmen und benehmen sich immer noch als kommunizierende Röhren mit regellos handelnden Bankmanagern. Wenn es dann zu Riesenverlusten kommt, wenn ihre aufgeblasenen Scheingeschäfte keine reale Substanz mehr aufweisen, darf dann „der“ Staat, dürfen im Fall der Pensionskassen dann die bereits als Steuerzahler „herangezogenen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Milliarden an Verzichtleistungen und zusätzlich Steuergeldern einspringen, um „systemrelevante Banken“ zu retten. Nirgendwo weltweit wurden Bonibezüger und Millionengehaltsbezüger substantiell für die von ihnen verursachten Schäden an Volksvermögen jeglicher Art zur Rechenschaft, gar zur Schadensbegleichung miteinbezogen. Zudem: Wo sind die von der Politik in Europa und den USA/Kanada usw. verkündeten Regulierungen geblieben ? Wo ist die Kontrolle der Derivatenmachenschaften ? Merke: Nichts von Belang ist geschehen. Nichts.

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  • Architekten als Stadtentwickler?

    Die Fotografie, welche Leupin's Artikel vorangestellt ist, erinnert mich an Zeiten in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts, während denen ich in der Kaserne als Lehrer arbeitete. Interessant: Ich erkenne den gleichen Asphaltboden, der bereits damals zu nichts anderem als zum Leer- und Hinterhofabstellraum geeignet war. Ich erinnere mich, in eben jenen Achtzigerjahren einmal den Film "HD Läppli" mit Alfred Rasser gesehen zu haben, in dem dieser Platz exakt so erschien, wie ich ihn damals, vor 30 Jahren, arbeitstäglich als monströsen Nichtplatz erlebt habe - der Film stammte wohl aus den Vierzigerjahren! Gut Ding will Weile haben ? Ist diese Kaserne quasi unveräußerlicher Bestandteil des Baseler Stadtraumes am Rhein ? Für einige Debattenteilnehmer in der Vergangenheit und offensichtlich auch zur Zeit scheint der Wert der Kaserne jenem des Münsters oder der Barockbauten am Rheinhochufer Großbasel's ebenbürtig zu sein. Gesagt wird solcherlei aber, soweit ich das hier lesen kann, nicht. Gegen all zu konservatorische Sichtweisen über die Bausubstanz (und daraus abgeleitet die Anblicks-Ästhetik) der Stadt am Rhein könnte folgende Überlegung angestellt werden: Steht man vor der Kaserne am Rhein, schaut Richtung Großbasel, drängt sich sofort das Hautgebäude des Universitätsspitals ins Blickfeld. Die Uferpartie der St. Johannvorstadt duckt sich genau so wie das Langhaus der gotischen Predigerkirche im Schatten dieses Riesengebäudes. Das Haus ist, mißt man seine Dimensionen am historisch gewachsenen Häuserzug am Rhein, überdimensioniert. Aber "man" hat sich daran gewöhnt. Vermutlich würde ein offener Platz am Rhein mit der Zeit auch für viele, die heute den Kasernenbau als gewohnten Bestandteil der Stadtarchitektur am Rhein verstehen, mit der Zeit auch einer Gewöhnung an eben einen offenen Platz im Kleinbasler Stadtteil weichen. Mit anderen Worten: Nicht jedes "Denkmal" ist ein Denkmal. Eine Stadt zeichnet sich immer wieder dadurch aus, dass sie ständig umgebaut wird. Das Kasernenareal aus seiner Leerstellenproblematik zu befreien ist meiner Absicht nach für die Stadt Basel durchaus lohnend. Interessant finde ich die Überlegungen dazu, welche Lukas Schmid hier angestellt hat: Das Sadtleben verändert sich zur Zeit nördlich der Alpen ziemlich grundlegend. Diese Veränderung kann man sogar im Norden Europas erkennen. Und Basel liegt, etwa von Berlin aus gesehen, durchaus im Süden!

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  • Szenen einer Zürcher Nacht

    Party in der "Weltstadt". Türsteher. Rauchverbot und dessen Umgehung. Dank Twitter weiss man's nun: Die Welt ist in der Schweiz angekommen, oder wohl genauer: Umgekehrt. Der Zynismus der "Öffentlichkeit", auf schweizerisches Maß reduziert, nämlich auf das Niveau von "Weltwoche" und - wenn ich den ganzen Schmus richtig verstanden habe, Schawinskis Weltläufigkeit. "Weltstadt" dargestellt, mit Zürcher Personal. Da weicht die Lachmuskel aber nach kurzem Anziehen in völlig entspannte Ruhelage zurück. (Schawinski's als Medienrevolution angekündigter Ausflug in eine Weltstadt, nun ja, eine von ihm ausgedachte deutsche Medienhauptstadt wenigstens, hat ein ziemlich leeres SAT1-Alufassaden-Gebäude nahe am Berliner Gendarmenmarkt generiert und als überflüssig zurückgelassen, ein Gebäude, welches inzwischen von Ferienwohnungen in DDR-Plattenbauarchitektur umgeben ist. Ein paar Türsteher, als Wächter der Leere engagiert, und ansonsten:Mehr ist von jener Weltläufigkeit nicht geblieben).

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  • Politische Intervention im TV-Quotenzirkus

    Interessant im Zusammenhang mit Medieneinschalt - oder Verkaufsquoten ist meiner Ansicht nach der Begriff "Werbemarkt". Die so genannte "Medienvielfalt" hänge, wird ein ums andere Mal behauptet, wenn "besorgte" Medienbesitzer das Wort ergreifen, von den Werbeeinnahmen ab. Und diese eben wie gesagt von den Einschalt- .... Medienvielfalt, wird behauptet, sei Voraussetzung für Meinungsäusserungsfreiheit. Dieser systemischen Logik folgend ist demnach die ungestörte öffentliche Äußerung einer Meinung, genauer: aller Meinungen, ursächlich vom Werbemarkt (Singular) abhängig. Aus diesem Diktum heraus ergibt sich automatisch der Denkschritt, wonach freie öffentliche Meinungsäußerung nur dann gegeben ist, wenn ein "Werbemarkt" vorhanden ist. Ein "freier Werbemarkt" garantiere die freie öffentliche Meinungsäußerung: Glaubensartikel Nummer eins der "Liberalen". Ja ? Oder etwa doch nicht ? Wenn Werbemittel nach einem bestimmten Perimetersystem "verteilt" werden, bedeutet das ganz direkt, dass der "freie" Werbemarkt nicht ganz so frei ist, wie er frei zu sein vorgibt. Jedes Perimetersystem ist ein Meßsystem. Jede Meßung bedeutet eine Einschränkung. Im Fall der Werbemillionen, welche die Menschheit global täglich beglücken, spielt der "Markt" nicht nach Kriterien der Meinungsäußerungsfreiheit, sondern nach solchen der Renditeerwartung. Das ist für kommerzielle Werbung schlichterdings Grundlage. Kommerzielle Werbung soll den Konsum von Konsumwaren jeder Art anreizen. Jegliches andere Kriterium ist bedeutungslos. Der "Werbemarkt" finanziert, wie uns immer wieder gesagt wird, vor allem auch die vom Konsumgütermarkt an sich unabhängige - kritische - Informations- und Meinungsäußerung. Auch dann, wenn sich die kritische Meinungsäußerung mit Produkten auseinandersetzt, welche im "Werbemarkt" beworben werden? Dazu: Werbung für zahlreiche Pharmaprodukte, welche außer Placebo nichts zu bieten haben ? Glück verheißende Werbung für Nestléprodukte, welche unter unterschiedlichen Namen den Konsum von "Gütern" der einen großen "Mutter" anregen sollen, ohne Berücksichtigung von deren Herstellungsbedingungen, deren Nährstoffzusammensetzung, deren Suchtpotential für Kinder...? (Also etwa : Kraft, Mövenpick, Schöller, Maggi, Nespresso, Vittel, S.Pelegrino, Contrex, Buitone, Wagner usw. usw.) Zugegeben: Diese Fragestellung ist leicht als eine etwas atemlos vorgetragene Moralisierung hinzustellen. Allerdings stellen sich in Bezug auf einen Begriff wie "Medienvielfalt" oder gar "Garantie der freien Meinungsäußerung" und "Freiheit der Informationsflüsse" für eine demokratisch organisierte Gesellschaft Fragen, welche mit "Moral" wenig, mit effektiver Meinungsbildung aber viel zu tun haben: - Garantieren ein großer Fernsehsender oder eine in Großauflage erscheinende Boulevardzeitung (klassische Medien also), welche von sprichwörtlichen Werbemillionen abhängig sind, Unvoreingenommenheit, Unabhängigkeit von diesen Millionen ? - Sind kleinere Medienerzeugnisse, denen der Werbemarkt kaum Beachtung schenkt, keine Garanten für Informationsqualität ? - Sind irgendwelche wie auch immer gemeßene Quoten Garanten für freie Meinungsäußerung ? Und so weiter.

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  • So sollen die Städte zu mehr politischem Einfluss kommen

    Sie schreiben: "Wenn ich aus meinem Umfeld die Gründe für das Ja analysiere, ist es nicht wegen mangelnder Kitas und sonstiger Betreuungseinrichtungen, sondern die Hoffnung, dass es der Staat bezahlt und mehr Geld für Ferien, Autos und sonstiges übrig bleibt." Ich war über 30 Jahre lang, bis 2007, als Lehrer in Basel tätig. Meine Praxiserfahrung bezüglich "Kinderbetreuung" sagt mir, dass Ihre Wahrnehmung zwar "einladend" nach bekannten Vorurteilsmustern aus der Küche der SVP tönt, aber schon in der Aufzählung der von ihnen deklarierten eigentlichen Gründe, die angeblich hinter den 54 % Ja-Stimmen für den Familienartikel stehen sollen, mindestens fragwürdige Vereinfachung zum Ausdruck kommt. Viele Alleinerziehende, vor allem Frauen, haben auch in der Schweiz derart miese Löhne, dass sie gar nicht an "Ferien" denken können. Von einem "Autobesitz" zu schweigen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie viele Familien die Beiträge für (obligatorische) Schulkolonien, für Klassenfahrten usw. nicht zu begleichen vermochten. Nicht, weil die Eltern oder der Elternteil mit Kindern nicht voll gearbeitet hätten, sondern weil der Lohn nicht reichte. Viele Kinder hatten im Lauf der Jahre keine Möglichkeit, an einem Mittagstisch Platz zu nehmen, um ein anderes Beispiel anzuführen. Da Einelternfamilien immer häufiger geworden sind und Arbeitszeiten in vielen Fällen - gerade bei den Dienstleistungsberufen, welche vielfach von Frauen, also Müttern, wahrgenommen werden - auf Familienbetreuung von Kindern auch im Vorschulalter keine Rücksicht nehmen, ist eine Kita-Betreuung als sozialstaatliche Rechtssicherheitsgarantie notwendig. Wie diese Betreuung bezahlt wird, ist eine andere Frage. Selbstredend kann die Bezahlung vom Einkommen der Eltern abhängig gemacht werden. Mit der Rechtsgarantie hat das nichts zu tun. Mit ihr zu tun hat hingegen der Rechtsanspruch, der in einem sozialen Rechtsstaat in Europa von heute gewährleistet werden muss, soll es für Kinder altersgerecht zu - und hergehen. Der Rechtsanspruch bedeutet, dass der Staat genügend Kitas zur Verfügung stellen muss. Über Trägerschaften für Kitas sagt der Rechtsanspruch nichts aus. In Deutschland gibt es sowohl staatliche als auch privatrechtlich organisierte Trägerschaften, und dies auch vor Ort (zum Beispiel in Berlin) nebeneinander.

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  • So sollen die Städte zu mehr politischem Einfluss kommen

    In Deutschland ist ab August 2013 bundesweit ein Kitapatz (Kindertagesplatz)für jedes Kind, das einen Kitaplatz braucht, gesetzlich garantiert. Dass diese Garantie real noch nicht umgesetzt ist, heisst nicht, dass dies nicht im Laufe der nächsten Jahre umgesetzt sein wird. In der Schweiz hat eine Mehrheit - immerhin 54 % der Stimmenden - einen Familienartikel für die Verfassung gutgeheissen, der es über kurz oder lang zugelassen hätte, dass man bezüglich Kinderbetreuung zu ähnlicher Gesetzgebung hätte kommen können wie in Deutschland, in ganz Skandinavien,in Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden usw. Hätte kommen können. Der Bedarf -zum Beispiel- an Kitas besteht ohne Zweifel auch in der Schweiz , denn sonst hätten nicht 54 % der Stimmenden dem neuen Familienartikel in der Bundesverfassung zugestimmt. Es lohnt sich im Zusammenhang mit dem "Ständemehr", welches den Verfassungsartikel verhindert, einmal auf den so genannten "eidgenössischen Finanzausgleich" zu schauen: Mit einer Selbstverständlichkeit ohne gleichen nehmen die Urner von den "unschwiezerischen" Städtern pro Kopf im Jahr 2013 Steuergelder in der Höhe von 2447,1 Fr. entgegen. Die Baselstädter bezahlen hingegen in diesen Verteilungstopf hinein 2013 pro Kopf im 612.8 Fr. ein, die Genfer 559,4 Fr., die Zürcher 271,5 Fr. und die Zuger, aber das ist wohl ein Sonderfall, 2391,1 Fr. Die 15'700 Appenzellinnerrhoder, durchaus keine armen Leute, beziehen 2013 pro Kopf 1005 Fr., die Ausserrhoder, auch ziemlich wohlhabend, noch ein wenig mehr, pro Kopf nämlich 1005,4 Fr., die Obwaldner, bekanntlich ganz schlaue Steuerflüchtlingsbediener aus aller Welt und neueste Pauschalbesteuerungsmeister, beziehen pro 2013 pro Kopf die nette Summe von 1016,4 Fr. aus dem "Finanzausgleich". (Quellen: Eidg.Finanzdepartement; Statistik Schweiz) Natürlich hat das alles - auch - mit der Steuer- und der Wirtschaftskraft der jeweiligen Kantone zu tun. Nur: Solche "Kraft" kommt nicht von alleine. Und sie bleibt auch nicht von alleine auf Dauer weg. Genf, Basel, Waadt, Zürich, alles Kantone, welche in den "Ressourcenausgleich" der Schweiz einzahlen, führen beispielsweise teuere Bildungsinstitute, Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstitute, Gesundheitseinricfhtungen, welche der ganzen Schweiz zugute kommen. Sie erstellen Infrastruktur noch und noch. Man darf sich schon die Frage erlauben, welche Infrastrukturkosten beispielsweise die Obwaldner oder die Appenzeller, die Glarner oder die Thurgauer, alles Kantone mit massiven Nein-Mehrheiten gegen den Familienartikel in der Bundesverfassung, allein, aus eigener Kraft meine ich, aus eigenen erwirtschafteten Mitteln, um genau zu sein, zu meistern haben. (Man komme diesbezüglich nicht mit einem Begriff wie"Landschaftspflege" oder gar "Landwirtschaft". Dies wird nämlich vom Bund, also von allen steuerpflichtiugen bewohnern der Schweiz bezahlt, Zudem: Zu den Infrastrukturaufgaben gehört heute überall in Europa, auch in der Schweiz, Kinderbetreuung, gehört Familienförderung in Sachen eines erschwinglichen Wohnraums usw. Um das angeblich "Konservative" der Kleinstkantone in ein anderes etwas realistischeres Licht zu setzen: Vermutlich hat nicht sosehr eine angeblich "konservative" Haltung gegenüber gesellschafltichen Veränderungen in den Nein-Kleinstkantonen den Ausschlag für ein massiv ausgefallenes Nein gegeben, sondern das von der SVP weit in den Vordergrund geschobene "Geldargument". Eher katholische Kantone wie Jura, Freiburg, Wallis und Tessin haben nämlich der Verfassungsänderung mit klaren Mehrheiten zugestimmt! Die Urner oder die Obwaldner erwarten die automatische Solidarität der wirtschaftskräftigen Kantone. Sie selber aber verweigern diese Solidarität den Städten, den Agglomerationen handkehrum aber bei jeder sich ihnen bietenden Gelegenheit. Es ging - vermute ich - den Neinsagern schlicht darum, ja kein Solidaritätsversprechen an die Kantone mit grossen Agglomerationen abzugeben, wenn diese unter anderem auch familiäre Strukturprobleme einigermassen gerecht finanzieren möchten. Diese ausgeprägte Egoistenhaltung kommt ja vor allem in der Zentral- und der Ostschweiz immer wieder zur Geltung. Da kann man - mit Blick beispielsweise auf Belgien, auf Spanien, auf Italien - nur festhalten: Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Anders gesagt: Der Föderalismus ist keine Angelegenheit, welche Ewigkeitscharakter hat. Wenn er derart missbraucht wird, wie er wieder einmal von den Appenzellern, den Urnern, den Unterwaldnern und Glarnern usw. missbraucht wurde, indem sie verhindern, dass gesellschafltiche Veränderungen auch Ausdruck in Verfassung und Gesetzgebung finden, wird er im praktischen Staatsleben irgendwann einfach marginalisiert. Oder: Wer zu spät kommt,. den bestraft das Leben.

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  • Schallende Ohrfeige für Vasella & Co.

    Man kann durchaus einen Vergleich ziehen: Die Grillini's erhalten 25 % der Wählerstimmen bei den italienischen Parlamentswahlen. Sie stören nun den "normalen" Ablauf von politischem "Handeln", indem sie sich nicht in irgend eine "Pflicht" nehmen lassen. Minders Abzockerinitiativew mag inhaltlich nicht optimal sein, was das Abzocken betrifft, aber sie weist auf Grenzen hin, die durchaus politisch und vor allem gegen die etablierten Neoliberalen aller Schattierungen (es gibt da auch "Linke"...) ausgerichtet ist. Interessant dabei in den beiden Ländern: Die bislang im ganzen Sumpf der Manager- und Finanzwirtschaft erfolgreich fischenden Rechtspopulisten, also Berlusconi und Blocher, werden zur Zeit nicht mehr als glaubwürdige Vertreter der "Wutbürger" anerkannt. ( Immerhin hat Blochers SVP nicht nur in Sachen Abzockerinitiative verloren, sondern, was mindestens ebenso bedeutend ist, in Sachen Raumplanung).

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  • Schnüffelsoftware ist bei 73 Straftaten möglich

    Was mich an dem auch in Deutschland - oder Großbritannien, dort weit weniger kritisch begleitet als etwa in Deutschland - ständig von Seiten polizeilicher und strafrechtlicher Seite erhobenem Verlangen nach Überwachung mit Hilfe jeglicher Technologie stört: Die zu beobachtenden Rollenverständnisse jener, welche Überwachung durchführen. In Deutschland kann man dies am Beispiel der NSU-Morde studieren, ausgeweitet zudem an den vielen Toten rechtsextremer Gewalt. Rechte Gewalt galt bis vor kurzem in Deutschland (und, soviel ich sehe, auch in der Schweiz) nicht als terroristische Gefahr. Die Überwachungsmöglichkeiten, welche Polizei, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaften usw. eigentlich zur Verfügung stehen, wurden und werden zwar sofort eingesetzt, wenn es um "islamistische" Terrorverdächtigungen geht. "Linke" werden seit Jahr und Tag "überwacht", rechte Hetzer lässt man gewähren, bis es für deren Opfer zu spät ist. Mit anderen Worten: Es nützen alle Überwachungen, alle möglichen oder in Zukunft wirksamen Trojaner nichts, wenn die falschen Personengruppen, die falschen kriminellen Vereinigungen usw. als Beobachtungsobjekte ausgewählt werden. Ein zweiter Gesichtspunkt wird in der deutschen Diskussion, zu Recht, wie mir scheint, sehr kontrovers abgehandelt: Wann ist ein Trojanereinsatz (bisher: wann ist eine Telefonabhörerei oder eine GPS-Überwachung oder was es da sonst noch alles gibt) rechtens, wann nicht. Wer bestimmt ? Genügt ein Haftrichter? Wie "geheim" darf eine Überwachung sein? Wie lange soll sie, wenn ein Verdacht nicht erhärtet wird, andauern? Welche konkreten Verdachtsmomente müssen nachweisbar vorhanden sein, damit beispielsweise ein Trojaner platziert werden darf? Wer kontrolliert die Überwacher ? Wann wird gelöscht? Wer kontrolliert das Löschen ? Ich erinnere mich noch an zahlreiche Inhalte auf den Fichen der schweizerischen Bundesanwaltschaft, welche über mich während etwa 25 Jahren geführt wurden: Die Begründung dafür, dass zeitweise meine private Post kontrolliert wurde, dass mehrmals mein Telefon überwacht wurde, fand sich -selbstredend- nirgendwo als konkrete Angabe. Ich befand mich - als insofern aktiver 68er, als ich oft Zeitungsartikel verfasst habe, also öffentlich zugänglich Meinungen vertreten habe, welche nie zu etwas anderem als zum Nachdenken über gesellschaftliche Phänomene aufgefordert haben, nie Gewalt gerechtfertig haben, nie irgend einer Systemüberwindung mit verfassungsfeindlichen Mitteln das Wort geredet haben - einfach in einem von irgendwelchen staatlichen "Stellen" ausgelegten "Raster". Besonders aufschlussreich war die Verknüpfung zweier damals offenbar geheim geführter Register: Einmal das zürcherische Schwulenregister. Zum andern irgend ein "Extremismus"-Register. Daraus ergab sich dann eines Tages eine Vorhaltung bei der Sittenpolizei, wonach ich, knapp über 20 Jahre alt, Student, einen Minderjährigen zu sexuellen Handlungen gezwungen hätte. Die Vorhaltung musste auf Grund von mehreren schlichterdings erfundenen "Tatsachenbehauptungen" sofort und innerhalb weniger Minuten beendet werden - was ihr Vorhandensein auf Fichenblättern zu meiner Person allerdings bis zu deren Aufdeckung Jahrzehnte später nicht verhindert hat. Es war im übrigen keineswegs die einzige grundfalsche Aussage über meine Person auf den Fichenseiten. Rund ein Viertel der Aussagen über mich waren einfach falsch. Der Rest bestand teilweise aus unstatthaften Verkürzungen, wobei es auch "Zusammenfassungen" über Artikel, die ich publiziert hatte, gab, die den Inhalt verfälschten, und zwar offensichtlich gezielt. Der Rechtsstaat wird, mit anderen Worten, auch durch staatliche Institutionen immer wieder in Frage gestellt. Das sollte zu grösster Vorsicht auffordern.

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