Dass Stieinbrück seit seinem Verlassen des Bundesfinanzministeriums in Berlin vor gut drei Jahren als Redner über eine Million Euro eingesammelt hat, kann man als raffgierig oder eben als "Bereicherung" darstellen und damit "die Öffentlichkeit" mobilisieren. Dann lässt sich im Nachgang trefflich formulieren, eben diese "Öffentlichkeit" sei gegenüber dem SPD-Kanzlerkandidaten "kritisch" oder "ablehnend" eingestellt .
Wer diese "Öffentlichkeit" ist, bleibt bei der inflationären Verwendung des Begriffs allerdings undefiniert. Medienmitarbeiter tendieren aber immer wieder dazu, sich als "die Öffentlichkeit" schlechthin zu verstehen und sind dann meistens sprachlos, wenn ihre "Öffentlichkeit" mit einer beispielsweise bei Wahlen oder Abstimmungen statistisch ziemlich genau erfassten "Öffentlichkeit" nicht übereinstimmt. Oder wenn sie etwa im Internet auf ganz anderer als ihrer gewohnten "redaktionellen" Verarbeitung beruhend auftritt, direkter, ungeschminkter, oft auch viel genauer und transparenter als das, was sie gewohnterweise veröffentlichen.
Was Steinbrück - laut Rockenbach in 80 bezahlten - Vorträgen inhaltlich geboten hat, wird in der eben skizzierten Medienöffentlichkeit nicht wahrgenommen. Ob Steinbrück neben den 80 bezahlten auch unbezahlte Vorträge und Reden gehalten hat, wird nicht kommuniziert. Dass Stienbrück für seine Vorträge Vorarbeiten leisten musste, insbesondere dann, wenn er über den internationalen Finanzkapitalismus und dessen äusserst schädliche Folgen für Staaten und Realwirtschaften fundierte Kritik übt und lösungsorientierte Vorschläge vorstellt, wird ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass beispielsweise all die zu einem schönen Teil selbsternannten, oft ideologisch völlig verbrämten "Wirtschaftsweisen", die als Universitätsprofessoren in Deutschland (oder in der Schweiz) meist beamtet sind und mit überdurchschnittlichen Gehältern bedient werden (durch die "öffentliche Hand"), ihre Auftritte von Vortragsveranstaltern genau so in Rechnung stellen wie Steinbrück, wie der Alt-Bundespräsident von Weizsäcker, Alt-Bundesaussenminister Genscher, Alt-Bundesrat Villiger in der Schweiz - dessen Verwaltungsratspräsidium für die UBS sicherlich kein Gratisjob gewesen sein dürfte-, wie Alt-Medienstars wie Ulli Wickert oder wie der zu Recht hochgeachtete Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt oder der aus bekannten Gründen etwas weniger geachtete Alt-Bundeskanzler Kohl.
Von "Phänomenen" wie Berlusconi oder Blocher, Haider oder Sarkozy, welche ihre Karrieren mit Spekualtionsgeldern, mit undurchsichtiger individueller Vermögensbildung und mit unübersehbaren Scharen von journalistisch tätigen Höflingen usw. erst möglich gemacht haben, zu schweigen.
Steinbrücks Vortragshhonorare sind in allen Fällen öffentlich einsichtbar:
http://www.tagesschau.de/inland/steinbrueck-honorare100.pdf
Das ist eine "Öffentlichkeit", welche weder die Medienhäuser noch deren Angestellte, also unter anderem auch zahlreiche Journalisten für sich unter Zuhilfenahme zahlreicher Ausreden (nicht zuletzt etwa mit dem Begriff "Pressefreiheit") und vor allem alle anderen vortragshaltenden Politiker weder in Deutschland noch in der Schweiz auf sich beziehen wollen. Anders sehen die diesbezüäglichen Verhältnisse und gesetzlichen Rahmenbedingungen in den USA aus. Das Beispiel Clinton immerhin wird auch hier zu Lande inzwischen wahrgenommen.
Dass Steinbrück Honorare auf Grund eigener Leistung verdient hat, könnte man beispielsweiose auch kritisch nachprüfen, indem man den einen oder anderen seiner Vorträge nachliest. Dass dieser Mann derart viele Vorträge hält, hat - man sollte es sich mindestens einmal vorstellen - ohne Zweifel damit zu tun, dass er in Bezug auf Finanz- und Wirtschfatstheorie und deren Berücksichtigung in der Politik sehr wohl Konkretes, Wahrnehmbares, intellektuell Anregendes und oft auch sehr wohl Eigenstädniges, also Originelles zu sagen hat.
Dies hier soll keineswegs eine "Verteidigung" Steinbrücks sein. Ich würde mir so etwas nicht anmassen.
Vielmehr möchte ich an diesem Beispiel zu bedenken geben, dass einfaches Nachplappern keineswegs "Herstellung von ¨Öffentlichkeit" bedeutet. Wer kommentierend schreibt, sollte sich mindestens inhaltlich mit dem Gegenstand, den man im Kommentar pointiert verkürzt, beschäftigen - im konkreten Fall also beispielsweise mit der Transparenz der Honorarabrechnungen, welche Stienbrück via eine unabhängige Wirtschaftsprüfung vornehmen liess (siehe Link oben), oder dann mit Inhalten aus Stieinbrücks Vorträgen.
Im sda-Artikel ist mir folgender Abschnitt aufgefallen:
"Der Bundesrat schlägt unter anderem vor, dass in der Schweiz eine unabhängige, nationale Behörde geschaffen wird, die dafür zuständig wäre, die Anwendung der Abkommen in der Schweiz zu überwachen - so, wie die EU-Kommission dies in der EU tut.
"National" soll sie sein, die "unabhängige" Behörde für die Überwachung der Vertragsanwendungen durch die Schweiz. "National" allerdings ist nicht "unabhängig", sondern eben "national". Die EU kennt aber sowohl eine eindeutig supranationale Gerichtsbarkeit, sie hat des weiteren das von allen Bürgerinnen und Bürgern in der EU gewählte EU-Parlament, welches zahlreiche festgeschriebene. übrigens laufend erweiterte Überwachungs- und Kontrollfunktionen wahrnimmt.
Mit anderen Worten: Weder die EU-Kommission noch der EU-Rat und schon gar nicht das EU-Parlament und sicherlich auch die meisten nationalen Parlamente der EU-Staaten werden zulassen, dass die Schweiz ihre Vertragstreue ohne rechtsverbindliche Mitwirkung der EU-Instanzen "national" quasi salvieren kann.
Mit solchen Vorschlägen geht man "bilateral" entweder blindlings oder dann zielverwirrt ins Abseits.
Zur Erinnerung: Wenn auch nur eines der nationalen Parlamente die Bilateralen, also die von der Schweiz gewünschten Rosinenpickererweiterungen und die von der SVP geforderten Freizügigkeitseinschränkungen gegenüber EU-Bürgerinnen und -Bürgern nicht ratifiziert, geht die Sache als Hornberger Schiessen ins Aus.
Es zeugt nicht gerade von politischer Weisheit, wenn man, intern die EU verfluchend, sie als Totgeburt oder als was weiss ich sonst darstellend, vor allem aber als undemokratisch, ausgerechnet jene Elemente innerhalb der EU, welche sich nach und nach eine demokratischere Struktur erkämpfen (etwa das EU-Parlament), mit schweizerischer Eigenbrödlerei kommt, welche demokratische Kontrollinstanzen innerhalb der EU aushebeln möchte.
Vielleicht sollten schweizerishe Politiker und schweizerische Diplomaten sich in ein Lehrseminar von Herrn Blankart begeben, um sich endlich ein handlungsorientiertes Verständnis der EU anzueignen. Siehe Printausgabe der TagesWoche von letzter Woche.
Zitat aus dem sda-Artikel:
"Auf künftige Kapitalerträge sollen wie in Deutschland gut 26 Prozent fällig werden. Die deutsche Bundesregierung rechnet mit 10 Milliarden Euro Einnahmen aus der Nachzahlung und mit künftig 700 Millionen pro Jahr an Kapitalertragssteuern. Die Opposition hält diese Zahlen für völlig überzogen."
Einerseits tut "man", also die Schweizer Seite und das deutsche Bundesfinanzministerium sowie CDU/CSU und FDP so, als ob aus seit Jahrzehnten mit Hilfe von Schweizer Banken dem deutschen Fiskus rechtswidrig (also in Deutschland strafbar) entzogene Steuern mit "10 Milliarden" Euro quasi ausgeglichen werden. Anderseits beruhen die diesen 10 Milliarden Euro zu Grunde liegenden Einkommen, Vermögen, Kapitalgewinne und so weiter den Angaben der gleichen Banken, welche jahrzehntelang die kriminellen Machenschaften zahlreicher Steuerbetrüger nicht nur gedeckt, sondern aktiv gefördert haben. Wer weiss denn, ob deren Angaben stimmen ? Glaubwürdig sind sie angesichts der vertrauten Verhältnisse von Steuerbetrügern und Schweizer Banken jedenfalls nicht. Diese eine Seite "vertraut" folglich einer "Wahrheit", deren Wahrscheinlichkeit etwa bei Null liegen dürfte.
Die andere Seite, also die im sda.-Artikel genannte "Opposition" mißtraut den Schweizer Bankangaben, sie mißtraut den "edlen" Absichtserklärungen von UBS, CS und zahlreicher Privatbankinstitute aus der Schweiz, weil der deutsche Fiskus deren Zahlen ja nie und nirgendwo wirklich nachprüfen kann. Das Abkommen beruht in den Augen von SPD, Grünen und Linken sowie in den Augen eines sehr grossen Teils der deutschen Öffentlichkeit auf einer Salvierung des Steuerbetrugs, den reiche Deutsche betrieben haben und laufend betreiben. So etwas geht aber in keinem Rechtsstaat, in dem Gleichheit vor dem Gesetz gilt. Warum zahlen denn die Steuerbetrüger nicht einfach die ihnen gesetzlich abverlangten Steuern direkt in Deutschland ? Warum sollen sie dies in Zukunft nicht tun müssen ?
Das gilt auch für die in Aussicht gestellte Automatik von Ausgleichszahlungen schweizerischer Banken an den deutschen Fiskus:
Warum soll der deutsche Staat sich den Zahlenangaben schweizerischer Banken ausliefern, um jährlich geschätzte 700 Millionen Euro Steuergeld kassieren zu können, wenn diese Summe durch nichts belegt ist als durch Bankangaben, die nicht individuell nachprüfbar bleiben sollen ?
Wenn "die" Schweiz meint, sie könne anderen Staaten ihre Lesart von Steuerbetrug aufzwingen, irrt sie sich nicht nur im Fall von Deutschland. Die Servilität, welche "die" Schweiz mitsamt ihren Großbanken gegenüber der viel weitergehenden Praxis, welche sich im Zusammenhang mit Steuerdelikten von US-Bürgern langsam durchsetzt, wird in Deutschland, in Frankreich, in Italien und anderswo sehr genau beobachtet. Die Beobachtung ergibt ein eindeutiges Bild:
Das schweizerische "Bankgeheimnis", pardon "Bankkundengeheimnis" ist in Zukunft keineswegs mehr in irgend einer Form zu Gunsten von Steuerbetrügern "verhandelbar". Vielmehr wird es einfach nicht mehr akzeptiert. Und dies, aus der Sicht der vom Betrug gefoppten Staaten völlig zu Recht.
Eine Nebenbemerkung zur Definition von "Bankgeheimnis" möchte ich anfpügen:
So zu tun, als handle es sich dabei bloss um einen Schutz für Individuen, die ihr Geld vor ungerechtfertigten Verfolgungen durch "Unrechtsstaaten"in Sicherheit bringen wollen, ist nichts weiter als mindestens eine Zwecklüge. Wenn es für die Schweizer Banken, die dieses Betrugsgeschäft seit Jahrzehnten derart gefördert haben, dass dessen partielle Aufdeckung sie an den Rand der Untergangs bringt (siehe UBS, siehe Wegelin usw.), hat den Betrügerservice mit der Absicht betrieben, sich selber dabei unermesslich zu bereichern. Was konkret auch geschehen ist. Es geht bei diesem Geheimnis also nicht in erster Linie um Bankkunden, sondern um eine Art verdeckter "Geschäfts"-Grundlage, deren Zweck eine Rendite und die Boni sind, die man dann selber vor dem Fiskus mit Pauschalbesteuerung weit unter dem tatsächlichen Wert weisswäscht. Diese Praxis zu ändern wäre allerdings eine rein innerschweizerische Angelegenheit. Genau so, wie das deutsche Steuerrecht eben eine innerdeutsche Angelegenheit ist - und das kommende EU-Steuerrecht auf Anlagen und den Kapitalverkehr eine inner-EU-Angelegenheit sein wird.
Anders gesagt:
Die Zeiten der Schlupflochgarantie, die der "Rechts"staat Schweiz den Schweizer Banken und den Steuerbetrügern aus der ganzen Welt immer noch bietet, gelangen wohl langsam aber sicher in ihre Endphase.
Ich stimme Ihnen zu: Hartz IV-Empfänger haben für ihre Alltagsausgaben genau so wenig Spielraum wie "Working Poors", also Niedriglohnempfänger. Sie müssen bei Aldi, bei Lidl, bei Netto, bei Woolworth usw. einkaufen, wenn sie über den Monat kommen wollen.
Deshalb bin ich - was Deutschland betrifft - sehr dafür, dass es endlich einen gesetzlich garantierten (und jeweils den Lebenshaltungskosten aktuell angepassten) Mindestlohn gibt. Dasselbe gilt, wenn ich es richtig verstanden habe, in der Schweiz für all die meist aus Osteuropa kommenden Sub-Sub-Subunternehmensangestellten, welche mit Niedriglöhnen abgespiesen werden, während die (schweizerischen oder internationalen) Generalunternehmer, in zweiter Linie die Subunternehmer sich fette Renditen beispielsweise aus staatlichen Investitionsausgaben herausschneiden. Da braucht es rigorose Kontrollen, was den Staat quasi arbeitspolizeilich herausfordert.
Ken Loach will mit seiner Geste auf diese Möglichkeiten hinweisen:
Lohngerechtigkeit, bedürfnisdeckende Löhne usw. sind eine politische Angelegenheit.
Der Staat, als Forum des Politischen, als Handlungsspielraum des Politischen und der Politökonomischen, hat sich einzumischen. Damit er dies tut, ist politische-ökonomische Aufklärung notwendig, weil nur so bei Wahlen und Abstimmungen klar wird, wer was befördern will.
Ich erinnere mich noch an eine Kampagne: "Nestlé tötet Kinder". Die Kampagne hat weltweit eine gewisse Wirkung erzielt. An ihrem Beginn stand ein Boykottaufruf gegenüber Nestléprodukten. Ich habe mich seinerzeit strikt daran gehalten, keine Nestléprodukte zu kaufen. Und viele Menschen, gerade in der Schweiz oder in den USA, haben genau dies auch gemacht. Schliesslich kam es insofern zu einen gewissen Erfolg, als Nestlé seine aggressive Werbung für ihre Babymilch in Afrika zurücknahm.
In diesem Sinn verstehe ich: Man kann.
Ich kann das, was Sie mir geschrieben haben, gut akzeptieren, weil ich es - natürlich - ziemlich auch so sehe wie sie.
Mit freundlichem Gruß
Alois-Karl Hürlimann, Berlin
Ken Loachs Weigerung, den "Gran Torino" entgegenzunehmen, finde ich großartig. Loach gibt ein Beispiel, wie "man", wie ich, um es genauer zu sagen, mit den Renditejägern und Menschenverächtern umzugehen lernen sollte: "Man", also auch ich, muss sich informieren, wie ein Smartphon, eine Charter-Flugreise, das Billigangebot bei Aldi oder Lidl, der saubere Bahnwagen und so weiter zu Stande kommen. Dass das "Günstige" zu Werkschließungen führt (beispielsweise Elmex-Zahnpasta, zwar durchaus teuer bezahlt, aber den so genannten Investoren immer noch zu wenig Rendite abwerfend, weil angeblich die Löhne zu hoch sind, welche Mitarbeiter "verdienen"), dass Krankenhauseinrichtungen, Cafés, glanzvoll ausstaffierte Luxusläden usw. täglich, genauer wohl jeweils in jeder Nacht durcht bodenlos schlecht bezahlten Leiharbeitskräfte aufgeräumt und auf Hochglanz gebracht werden, es ist einem , also auch mir, bekannt.
Was kann "man" gegen die Renditenjäger, gegen Lohndumpingschlaumeier, gegen die neoliberale Ideologie der Arbeitsleitsungsverachtung unternehmen ?
Man, also ich, kann sich diesen Herrschaften überall dort, wo es möglich ist, verweigern.
Keine Einkäufe bei Handelsketten, die ihre Mitarbeiter mit Niedriglöhnen abspeisen oder beispielsweise zeitlich schamlos ausnützen. Keine Auftragserteilung der öffentlichen Hand (denn da kann "man" Einfluss nehmen, etwa bei Wahlen, aber auch durch Proteste) an "Institute" im Reinigungsbereich, im Bereich des Hoch- und Tiefbaus, welche mit Leiharbeit (in der Schweiz nennt sich das fälschlicherweise "Zeitarbeit") und mit Hilfe von "Generalunternehmern" die Freizügigkeitsregeln der EU hintergehen.
Dazu ein Link:
http://www.juraforum.de/lexikon/arbeitnehmerueberlassung
Ken Loach hat - wieder einmal - gezeigt: Man kann.
"Nach drei Stunden mit ihm sah ich darin kein Mysterium mehr, sondern den Ausdruck seiner eigenen Verschwommenheit und Unkonkretheit. Er gab sich als Prophet aus, der die Menschheit belehrt – sie mache seit Jahrzehnten alles falsch – und der weiss, worin der «Sinn des Lebens» bestehe."
Frau Brezna brauchte , wie sie selber erklärt, bloss drei Stunden, um Verschwommenheit und Unkonkretheit (welch ein Wort!) in der Persönlichkeit Tarkowskis ein für allemal erkannt zu haben. Über die beiden bedeutenden Filme "Solaris" und "Stalker" verliert sie kein Wort einer etwas eingehenderen Würdigung, sondern tut so, als habe Tarkowski ausgerechent ihr sein Verhältnis zu Frauen und seine Ansichten über Frauen apodiktisch erklärt.
Tarkoswkis Werk ist nicht einfach, es lässt sich nicht in ein paar Sätze zusammenfassen. Seine Bilderwelt ist dem flachen Getue unserer alltäglichen Bilderflut fremd. Sie war es bereits damals, als er seine Filme drehte und sie in den Kinosälen oft nachdenkliches, manchmal auch leicht verstörtes Publikum zurückgelassen hatten. Die Gespräche danach allerdings dauerten - und dauern noch heute - oft weit mehr als nur drei Stunden.
Mit andren Worten: Dieser Artikel erscheint mir als von einer ziemlich offensichtlichen Voreingenommenheit gezeichnet. Und zwar von einer Voreingenommenheit, welche darauf aus ist, ohne auf dessen Werk wirklich einzutreten, den Regisseur Tarkowski 30 Jahre nach seinem Tod zu "entzaubern".
Was soll beispielsweise der Satz:
"Je länger ich seinen Ausführungen zuhörte, je öfter seine energische Gattin Larissa den Raum betrat, umso mehr schien es mir, dass Tarkowski über sein Idol einer zarten, dem Mann ergebenen Frau bloss delirierte".
Nebenbei teilt sie den Lesern mit, dass Tarkowski zum Zeitpunkt ihres Besuchs bei ihm schwer krebskrank gewesen sei.
Dass es zwischen dem akuten Krankheitszustand und Tarkowskis "Unkonkretheit" vielleicht einen Zusammenhang gegeben haben könnte, scheint Frau Brezna nicht einmal in Erwägung gezogen zu haben. Wer eigene Krebserkrankungserfahrungen hat - ich habe eine solche - weiss schon, wie schwierig es oft ist, etwa zwischen Höflichkeit (gegenüber einer Besucherin) und den körperlichen Ist-Zuständen ein Gleichgewicht zu finden. Diese Bemerkung verstehe ich im Zusammenhang mit dem ganzen Artikel von Frau Brezna durchaus nicht bloss als Nebenangelegenheit. Wer nach drei Stunden Gespräch mit einem akut Erkrankten auf dessen Charakter, dessen angebliches "Prophetentum" und dergleichen mehr derart apodiktisch Urteile fällt, wie Frau Brezna es ihrem Artikel tut, arbeitet meiner Ansicht nach einfach unsorgfältig. Es geht ihr nicht um das Verhältnis von Tarkowski zu seinem Werk, sondern um eine Abrechnung mit einem von ihr zum "Objekt" des Antifeminismus Ernannten. Das ist nicht zuletzt billig inszenierte Ideologie.
Warum ich hier auf diese persönliche Ebene gehe ?
Es gibt in der Literaturkritik immer wieder "Aufklärer", welche meinen, mit der "Entlarvung" eines Schriftstellers (seltener einer Schriftstellerin) als Egozentriker, als Anpässler, als Nichtdissident und so weiter sei dessen Werk für alle Zeiten gleich abgemeldet, unwert, es weiter zu lesen, zu analysieren usw. Beispiele dafür lieferte kürzlich die Reaktion zahlreicher Feuilleton"aufklärer" über den diesjährigen Literaturnobelpreisträger. Ungenau, oberflächlich, ganz im Schema Freund-Feind wurde da vorschnell geurteilt, ohne dass die meisten dieser "Aufklärer" auch nur ein Wort aus dem umfangreichen Werk des Ausgezeichneten gelesen hätten. Frau Brezna's Artikel bewegt sich in diesem Schema. Und damit entzaubert er sich von selbst.
Um es ein wenig böse zu formulieren:
Tarkowki's Filme werden auch in einem Jahr, in 20 Jahren, viellelicht auch in 50 Jahren als Bestandteile, als Erzählung, als Fragezeichen der Entwicklungsprozesse der conditio humanae wahrgenommen werden. Die "Aufklärung" der "Entzauberin Brezna aber ist in einer Woche schon Makulatur, denke ich.
Ich lese im Artikel:
"Anrufe nach Schliern bei Köniz, dem Hauptquartier des Komitees «Unsere Schweiz», werden nach London umgeleitet."
Köniz ist, so viel ich weiss, eine Vorortsgemeinde von Bern.
Was "Unsere Schweiz"mit der EU und deren Bürgermitwirkungsmöglichkeiten zu tun hat, ist mindestens nachfragewürdig.
Oder man lässt es einfach sein.
Die sprachliche Gestaltung des Filmchens weist einige interessante Fehler auf.
Sie könnten (KÖNNTEN) auf einen polnischen Ursprung hindeuten, was auch mit der Walesa-Akündigung in Zusammenhang gebracht werden könnte. Kascynski lässt grüssen. Gleich (eben K.) und Gleich (SVP) gesinnt sich halt gern.
Im Ernst allerdings:
Dass die schweizerische Rosinenpickerei etwa in Deutschland kein Thema wäre, käme einem SVP-schweizerischen Wunschdenken sehr nahe. Siehe Steuerabkommen. Siehe Anflugabkommen zum Flughafen Zürich usw.
Oder, wiederum sprichwörtlich: Wie man in den Wald ruft, echot es zurück.
Inzwischen hat sich Mörgeli ja "den Medien" gestellt und seine Kandidatur mit der seiner Ansicht nach eigenen überragenden Qualifikation für das Amt eines Rektors der größten Schweizer Universität begründet. Tagesanzeiger online berichtet:
"Er zeigte sich überzeugt, dass er in «Auftritt, Wort und Schrift» durchaus über die für das Amt erforderliche Gewandtheit verfüge. Die Universität brauche keinen «blassen Verwalter, sondern einen zupackenden Macher».
Des weiteren, laut gleicher Quelle:
"Durch seine bildungspolitische Tätigkeit in der schweizerischen Hochschullandschaft sei er gut vernetzt. Er sei eine weltoffene, aufgeschlossene und entscheidungsfreudige Persönlichkeit, meinte der Medizinhistoriker."
Na ja. Das ist wohl die Sprachregulierung, wenn man sich in den Sphären des Ungenauen als Dogmatiker und Scharfmacher installiert hat.
Dann aber wird Mörgeli grundsätzlich. Immer laut Tagesanzeiger online erklärt er gleich, wer ihn wählen darf respektive muss und und wer von der Wahl auszuschließen sei:
"Klar ist für Mörgeli, dass die Präsidentin des Universitätsrates, SP-Regierungsrätin Regine Aeppli, und die Universitätsrätin und CVP- Nationalrätin Kathy Riklin im gesamten Wahlverfahren in den Ausstand treten müssen.
Diese hätten ihn im Kündigungsverfahren vorverurteilt. Sein Rechtsvertreter habe einen entsprechenden Antrag parallel zur Bewerbung eingereicht."
Da kommt einer, bewirbt sich um ein Wahlamt und erklärt gleichzeitig, dass nicht alle Personen, die dem gesetzlich bestimmten Wahlgremium angehören, wahlberechtigt seien, weil sie IHN in einem Kündigungsverfahren, in dem es um Kriterien der Arbeitsleistung, der Anwesenheit, der beruflichen Qualität ging, "VORVERURTEILT" hätten.
Er schickt seinen Anwalt vor, der mit solcherlei Anträgen wohl Punkte für gerichtliche Nachspiele, inszeniert von Mörgeli, sammeln soll.
Das ist eigentlich für ziemlich jeden Menschen, der solche Informationen konsumiert, eine durchsichtige Lachnummer.
Aber Mörgeli belässt es natürlich nicht bei Anwaltsdrohungen. Vielmehr kriegen auch die feisten Deustchen, die sich an der Universität Zürich seiner Ansicht nach breitmachen, ihr Fett ab. Er als Rektor würde
"«wirklich internationale Exzellenz» an die Universität berufen. Es sei schwer nachvollziehbar, dass der Lehrkörper heute zu 40 Prozent aus Professoren deutscher Nationalität bestehe. «Deutschland ist zwar wichtig, aber nicht die Welt»." (gleiche Quelle wie oben).
Diese "internationale Exzellenz" wartet ja nur auf ihn, den universitären Netzwerker von Geblüt. Oder vielleicht doch nicht so ganz ?
Denn Mörgelis Programm umfasst auch das Folgende:
"Zudem würde Mörgeli «in Köpfe statt in Beton investieren». Luxuriöse Prunkbauten von Stararchitekten seien gegenüber den Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen. Des weiteren sollten weniger Bundesmittel in die Westschweizer Hochschulen fliessen. Diese seien in den letzten Jahren zu gut versorgt worden."
Da weiss die international Exzellenz, was sie erwartet!
Von der nationalen Exzellenz hält Mörgeli offensichtlich gar nichts, denn der sollen die Mittel gekürzt werden. Die internationale soll dafür in Bauten wirken, welche nicht von "Stararchitekten" geplant seien. Da grüßt zürcherisches Zwinglianertum: Baracken genügen.
(Ob der Herr von Herrliberg seine Prunkvila verlässt, damit Mörgeli glaubwürdiger wird ?)
Sie schreiben:
"Andernfalls kann die SP als staatstragende Partei nicht mehr ernst genommen werden."
Ihr Satz tönt "objektiv", ...kann nicht mehr ernst genommen werden!
Drei Fragen an Sie:
1. Was heisst "staatstragend" ?
2. Inwiefern handelt es sich bei Asylfragen um eine "staatstragende" Angelegenheit ?
3. Wer stellt - "objektiv", wie es bei Ihnen tönt - fest, wann eine Partei nicht mehr ernst genommen werden kann?
Bevor Sie antworten - sofern Sie dies überhaupt tun werden (Ihre Beiträge in der Tages Woche zeichnen sich meiner Wahrnehmung nach nicht durch Dikussionsbereitschaft, sondern durch Apodiktik aus) -, möchte ich Ihnen zu den drei Fragen einiges zu bedenken geben:
Zu 1.:
"Staatstragend" muss sich an irgend etwas messen lassen, wenn man das Adjektiv beispielsweise einer politischen Partei zuordnet. Perimeter einer solchen Messung sind also zu definieren. Sie definieren "staatstragend" in der Asylpolitik zwar nicht, lassen aber durch Ihren Text hindurchschimmern, dass Sie der Ansicht sind, die jüngste Asylgesetzrevision sei per se "staatstragend". Dieser Schluss ergibt sich aus ihrer Beurteilung, wonach anderslautende Entscheide kantonaler SP-Parteien in der SP zu einer "Zerreissprobe" führen würden und die SP nicht mehr ernst genommen werden könne. Anders gesagt: Sie sehen für die SP gesamtstaatlich einen Bedeutungsverlust dann, wenn innerhalb der Partei, und zwar an deren Basis, über eine politische Frage diskutiert wird. Nun ist aber Diskussion einer der wichtigsten Perimeter demokratischer Verhältnisse. Mitmachen bedeutet automatisch Diskurs. Da die Schweiz ein demokratische verfasster föderaler Bundesstaat ist, ist es im Hinblick auf demokratische Politikpraxis durchaus "staatstragend", wenn auf kantonaler Ebene über gesamtstaatliche Politikentscheide parteiinterne Diskussionen stattfinden.
Zu 2.:
Weltweit sind Millionen Menschen als Flüchtlinge aus ihren Herkunftsregionen unterwegs. Beispielsweise Hunderttausende, welchen der "arabischen Frühling" oder das syrische Bürgerkriegsdrama nach dem Leben trachten oder trachteten. Vom skandalös durch den Westen mitverursachtem Hungerelend zu schweigen (deren wichtigste Profiteure u.a. als Rohstoffhändler, als Wasserspekulanten und dergleichen mehr ihre Firmen aus der Schweiz heraus, und dies erst noch steuerbegünstigt, betreiben). Es existiert global ein tatsächliches Flüchtlingsproblem. Für zahlreiche Flüchtende ist Europa ein Ziel. Asylprobleme existierend deshalb nicht bloss in der Schweiz, sondern in allen europäischen Staaten.
Weshalb sich viele Menschen auf den Weg nach Europa machen, hat viele Gründe, sowohl rein geografische der Nähe als auch historische wegen der über 400 Jahre andauernden Kolonial-und Imperialpraxis Europas über die ganze übrige Welt, aber auch, seit dem Ende des 1. Weltkrieges der sich ständig verstärkenden Rohstoffhunger mit den daraus sich entwickelnden Kriegen, Unterdrückungen, Diktaturen usw. auf der südlichen Hemisphäre.
Wenn in der Schweiz (oder in Deutschland) Asylgesuche eintreffen, handelt es sich bei den Gesuchstellern nicht immer um Flüchtlinge, sondern manchmal auch um den Versuch, als Fremder unter der nicht zutreffenden Vorgabe einer "Verfolgung" in Europa Fuss zu fassen, um so leben zu können, wie man in unserer Hemisphäre eben lebt.
Dieses Faktum ergibt für die Handhabung des Asylrechts Probleme. Man müsste diese Probleme meiner Ansicht nach sowohl internationaler als auch politischer angehen, als man es tut.
Das scheint mir ein Hauptproblem zu sein:
Man sucht die "Lösung" in Asylgesetzen, welche von Abwehr gestiftet sind, Abwehr von Asylsuchenden. Was aber die Flüchtlingsströme überhaupt nicht " beeindruckt". Diese haben mit den Asylgesetzen in Europa oder Nordamerika meistens nichts zu tun, das heisst: Sie entstehen in ihrer überwiegenden Hauptsache aus völlig anderen Gründen, als die Beschwörer des so genannten "Asylmißbrauchs" in Europa verkünden. Dass zur Zeit Hunderttausende Menschen aus Syrien fliehen, illustriert diese Feststellung deutlich.
Mit "Antimißbrauch"-Gesetzen grenzt man den Flüchtlingsstrom nicht ein. Man grenzt damit auch die Gefahr nicht ein, dass dem Staat Schweiz "Schaden" entstehen könnte, wenn er von Flüchtlingen "überflutet" würde. Man erweitert aber sehr wohl die Anti-Asylgewährungs-Bürokratie. Statt dort zu helfen, wo Flüchtlinge landen, also in Jordanien, in der Südtürkei oder in den armen Nachbarländern von Mali oder von Somalia usw., gibt man viel Geld aus für "Abwehr". Menschliche Ressourcen sind ein Kapital schweizerischer Handlungsmöglichkeiten im Asylwesen dort, wo es wirklich bedrohliche Ausmaße annimmt. Ihnen werden am laufenden Band Steuergeldmittel entzogen, um die Antiasylbürokratie auszubauen. Ist so etwas auch nur kurzfristig betrachtet "staatstragend" ?
Zu 3.:
Sie schreiben so, als ob Sie objektiv feststellen könnten, wann eine Partei "ernst genommen" werden könne. Womit Sie diese Anmassung begründen, ist aus Ihrem Kommentar nicht ersichtlich. Deshalb meine Anregung: Statt so zu schreiben, als vertreten Sie "die" Wahrheit, empfehle ich Ihnen einen Stil, der erkennen lässt, dass Sie ihre subjektive Meinung vortragen.